1. Nicht noch ein Teenie (Tamara)

169 14 31
                                    

Stimmen wecken mich aus meinem wohlverdienten Schlaf. Im ersten Augenblick glaube ich, dass es eines meiner jüngeren Geschwister ist, der diesen Lärm veranstaltet, aber bei genauerem Hinhören, erkenne ich meine Eltern.

„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Sabine. Wir haben drei eigene Kinder und wer weiß, was für Probleme uns die Kleine ins Haus schleppt?", fragt mein Vater aufgebracht.

„Jetzt halte doch mal die Luft an! Dieses kleine Mädchen ist ein halber Werwolf und wurde von ihrer Pflegefamilie ausgenutzt." Meine Mutter stockt. „Hast du nicht gehört, dass ihr eigener Pflegevater sie brutal zusammengeschlagen hat?! Du kannst doch nicht wollen, dass sie zu diesen Verbrechern zurück muss!"

Wie bitte?! Ich verstehe nur Bahnhof. Ich schlüpfe aus dem Bett und tapse auf leisen Sohlen nach unten in die Küche. Es ist Segen und Fluch zugleich, dass meine Ohren so empfindlich sind. Allerdings hoffe ich, dass meine jüngeren Geschwister noch tief und fest schlafen. Diese Diskussion ist anscheinend nicht für unsere Ohren bestimmt.

„Natürlich will ich nicht, dass sie bei diesen Verbrechern bleibt, aber warum muss sie denn ausgerechnet bei uns unterkommen?", wehrt mein Vater ab.

„Weil wir die einzige Familie im Rudel sind, die Kinder im passenden Alter hat."

Vorsichtig schleiche ich in die Küche und luge um die Ecke, um einen Blick auf meine Eltern zu erhaschen. Sie stehen am Küchentisch und funkeln sich gereizt an. Meine Mutter hat ihre Arme vor der Brust verschränkt und wirkt unnachgiebig. Mein sonst so ausgeglichener Vater hat einen roten Kopf und ringt sichtlich um seine Beherrschung.

„Warum kümmert sich Erika denn nicht um sie? Schließlich hat sie die Kleine aufgelesen", versucht es mein Vater noch einmal. Allerdings beißt er auf Granit.

„Erika? Willst du mir mal erklären, wie sie sich um die Erziehung einer jungen Werwölfin kümmern soll, wenn sie studiert und mit einem Vampir zusammenlebt?!"

Mein Interesse hat sich seit der Erwähnung meiner besten Freundin ins Unermessliche gesteigert. Was hast du schon wieder angestellt, Erika?, frage ich mich. In letzter Zeit scheint sie ein regelrechter Magnet für Ärger zu sein. Mich freut es, dass sie endlich ihrem Herz gefolgt ist und ihren Vampir für sich gewonnen hat. Es war schon fast lächerlich, wie die beiden umeinander herumgeschlichen sind, ohne zu bemerken, was Tatsache ist. Aber natürlich habe ich als Außenstehende gut reden und die beiden sind echt süß miteinander. Leider freuen sich nicht alle im Rudel über das Glück der beiden. Besonders ein paar aufmüpfige Halbstarke fordern, dass Karl ihr den Umgang mit Fabian verbietet. Wir hätten zu wenige Frauen, da sollten wir sie nicht auch noch an unsere Erzfeinde, die Vampire verlieren. Was würde denn aus unserer Kultur und dem Rudelleben werden, wenn plötzlich jeder mitmachen kann?

So ein Schwachsinn! Wenn Erika Interesse an einem der Wölfe gehabt hätte, könnte auch Fabian nichts daran ändern.

Es stimmt, dass wir in den meisten Rudeln weniger Frauen als Männer haben, aber das wird sich nicht ändern, wenn wir Wölfe untereinander bleiben. Es sollte jedem klar sein, dass eine Durchmischung wichtig ist. Sonst kommt es irgendwann zur Inzucht und die Geburtenraten sinken in den Keller oder versiegen ganz. Selbst wenn sich die Rudel untereinander mehr vermischten, reicht es wahrscheinlich nicht aus. Irgendjemand wird keinen Partner unter Seinesgleichen finden und muss dann auf einen Menschen oder Vampir ausweichen.

Meine Gedanken werden unterbrochen, als meine Eltern weiter diskutieren.

„Was hast du für ein Problem, Thomas? Tamara ist erwachsen, Phil und Saskia stecken auch nicht mehr in den Kinderschuhen. Du weißt, wie schwierig diese Phase für einen jungen Werwolf ist, wenn er sich das erste Mal verwandelt. Die Kleine braucht stabile Verhältnisse und jemanden, der sie unterstützt."

Wolfsblues - XXL Leseprobe!!!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt