02 - Everyday life

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Zurzeit lebte sie in Mason City, Iowa. Eher abgeschieden am Ende der Stadt. Sie besuchte dort eine Universität, in der sie ein paar Kurse belegte. Das war es, was sie tat in ihrem ewigen Leben. Studieren. Mehr nicht. Sie blieb ein paar Jahre, lernte, ging arbeiten und zog dann irgendwann weiter. Sie hatte mittlerweile aufgehört zu zählen, wie oft sie nun schon in ihrem Leben umgezogen war.

Aber das war eben nun mal ihr Los. Claire durfte nicht allzu lang an einem Ort verweilen. Menschen in ihrem Umfeld würden anfangen Fragen zu stellen. Würden sich fragen, wieso sie nicht alterte. Wieso sie keine Verwandten hatte. Das konnte sie nicht riskieren. Wollte sie doch einfach nur in Ruhe gelassen werden.

Sie wollte alleine sein und vielleicht ein kleines Stück ihres alten Lebens wieder zurückhaben. Auch wenn dies immer nur ein Traum bleiben würde...

Angekommen in der Universität ging sie zuerst zu ihrem Spinnt und holte ihren Notizblock und die dazugehörigen Lehrbücher für die nächste Vorlesung heraus. Die Studenten im Gang gingen an ihr vorbei, als ob sie gar nicht da wäre. Niemand hatte einen Blick auf sie gerichtet. Es machte ihr nichts aus. Im Gegenteil. Es war gut, dass keiner ein Auge auf sie hatte. So war es leichter. Leichter zu vergessen.

Sie schloss den Spinnt wieder und machte sich auf zum Vorlesungssaal.

Ihre Schritte waren zügig, sie war ein bisschen spät dran. Sie würde alles dafür geben, noch pünktlich anzukommen. Würde sie zu spät in den Saal kommen, würde jeder sie begutachten und sie wollte doch diese Art von Aufmerksamkeit nicht.

Selbst Hobbyaktivitäten hatte sie aufgegeben. Klar. Cheerleading war früher immer ein Teil von ihr gewesen. Es hatte sie abgelenkt von ihren Problemen. Auch als sie ihre Fähigkeit das erste Mal bewusst wahrgenommen hatte, gab sie dieses Hobby nicht auf.

Doch Zeiten änderten sich. Sie war einfach nicht mehr die Claire, die sie damals in Texas war. Dieses Leben hatte sie längst hinter sich gelassen.

Gerade noch vor dem Läuten schritt sie durch die Tür des Saals und setzte sich wie üblich ziemlich mittig in einer der Reihen.

Ganz auflösen konnte sie sich nicht. Das hatte sie damals schon erfahren müssen. Also blieb sie in der Mittelschicht. Das war die unauffällige Weise, die sie herausarbeiten konnte.

Der Professor betrat den Raum und begann mit seiner Vorlesung...


*

Der halbe Tag war schon rum und Claire saß an einem kleinen, runden Tisch auf der Terrasse vor der Mensa. Aß ihr Sandwich, dass sie zu Hause schon vorbereitet hatte. Sie hatte nicht allzu viel Geld, so dass sie auf vieles verzichten musste. Auch wenn ihr Vater für sie vorgesorgt hatte. Noah Bennet war zwar nur ihr Adoptivvater gewesen, aber er war der Einzige, bei dem sie das Gefühl hatte geliebt zu werden. Er hatte schon vor der Adoption eine Lebensversicherung auf sich abgeschlossen. Davon finanzierte sie ihr Studentenleben. Sie ging auch noch nebenbei arbeiten in einer Fastfood-Kette, aber das hielt sie gerade so übers Wasser.

Am Nebentisch fingen ein paar Mädchen an zu lachen. Kurz schaute sie über ihre Schultern und beobachtete die gackernden Hühner.

Früher war sie auch einmal so gewesen.

Die Blondhaarige schüttelte innerlich den Kopf, um ihre Gedanken wieder davon wegzubewegen und aß ihr Mittagessen weiter.

Als die Lunch Box leer war und nur noch ein paar Krümel den Boden der Box zierte, nahm sie ihre Wasserflasche und nahm einen gewaltigen Schluck. Sie setzte ab und verschraubte die Flasche wieder, um sie gleich daraufhin in ihre Umhängetasche zu verstauen.

Doch kurz darauf kam ihr ein Gefühl der Unsicherheit in ihr auf. Es fühlte sich an, als ob sie beobachtet werden würde, also sah sie schnell auf und ließ ihren Blick wandern.

Erst sah sie zu den Mädchen hinter ihr am Nachbartisch, doch diese waren schon verschwunden und ein leerer Tisch stach ihr ins Auge. Sie blickte weiter. Über eine Rasenfläche erkannte sie ein paar Jungs, die sich einen Football zuwarfen. Ein paar vereinzelte Paare saßen auf der Wiese und picknickten. Ein Junge mit einer Brille las in einem Buch und zwei weitere Mädchen unterhielten sich wohlmöglich über die bevorstehenden Abschlussprüfungen.

Es war nichts Auffälliges zu entdecken. Sie sah zum Hauptgebäude und auch da, schien keiner sie im Visier zu haben. Vielleicht hatte sie es sich auch nur eingebildet.

Mit diesem Gedanken packte sie ihr restliches Zeug in ihre Tasche, um den restlichen Tag noch hinter sich zu bringen.


*

Auf dem Nachhauseweg nahm sie den Stadtbus. Sie fühlte sich irgendwie sicher, seitdem sie dieses komische Gefühl beim Mittagessen verspürt hatte. Vor allem, als sie in der letzten Vorlesung saß, kam dieses Gefühl noch einmal in ihr auf. Sie wurde nicht panisch oder dergleichen, aber sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut, weil sie nun wusste, dass sie sich dies definitiv nicht eingebildet hatte.

An der Endstation stieg sie mit aus und nahm einen kleinen Feldweg, der an Getreidefeldern vorbeiführte. Ihre Umhängetasche baumelte an ihrer Seite, während sie versuchte das Kabel ihrer Kopfhörer zu entwirren, die sie zuvor aus einer Seitentasche herausgeholt hatte.

Sie runzelte die Stirn und presste ihre Lippen fest aufeinander. Wie sie das hasste. Egal wie sorgsam sie das Kabel jedes Mal zusammenlegte, wenn sie es wieder herausnahm, war alles dreimal und viermal durcheinander.

„So ein verdammter Mist...", zischte sie leise und zog am Kopfhörerstecker.

Sie nahm einen Ohrstecker in die andere Hand und versuchte es durch eine Schlaufe zu ziehen. Erfolgreich nahm sie nun den anderen Ohrstecker, ließ dabei das Ende des Kabels los und zog es dann durch eine andere Schlaufe.

Nach gefühlten zehn Minuten hatte sie den Kabelsalat bezwungen und suchte ihren iPod. Diesen fand sie zu ihrer Erleichterung ziemlich schnell und stöpselte das Kabel daran an.

Ein wenig Musik konnte nicht schaden auf ihrem Weg. Immerhin hatte sie einen fast 30-minütigen Fußmarsch vor sich und Musik konnte sie schon immer beruhigen. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie dadurch öfters Tagträumte. Träumte von damals. Von diesem anderen Leben. Von ihrem alten Alltag, den sie irgendwann eingeholt hatte und nun weit hinter sich lassen musste.


Blackout daysWhere stories live. Discover now