Kapitel #053

Beginne am Anfang
                                    

Es war seltsam, wieder durch die Gänge zu gehen. Dieses mal ging das ganz ohne Sauerstoffflasche, da durch den zerstörten Raum der Gefallenen wieder Sauerstoff in das Innere der Bärenhöhle gelangen konnte. Alles war so leise und verlassen. Das einzige Geräusch waren unsere Schritte und unser Atem. Ein komisches, heimisches Gefühl stieg in mir auf. Obwohl alles so leer und einsam war, fühlte ich mich hier unglaublich zuhause. Mit diesem Ort verband ich inzwinschen unendlich viele Erinnerungen, gute und schlechte. Alex schlug den schnellsten Weg richtung Hauptkommandozentrale ein. Nach einigen Minuten, in denen wir durch die schlichten, weißen Gänge gelaufen waren, hielten wir vor einer Tür, die mit "Zentrale" beschriftet war. Von drinnen war leises Stimmgemurmel zu hören. Alex klopfte an. Einige Sekunden passierte nichts, dann wurde die Tür langsam geöffnet. An angespannter Bastian mit einer Pistole in der Hand stand und gegenüber. Als er uns erkannte, entspannte sich seine Haltung, er senkte die Waffe und ein grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus "Da seid ihr ja". "Hey" grinste Alex und klopfte ihm auf die Schulter. "Hey Bro" erwiderte Bastian und steckte die Waffe in seinen Hosenbund. Dann wandte er sich mir zu "Und da ist ja unser Sonnenschein. Hallo Süße". Ich ließ mich in seine Umarmung ziehen und drückte mich an ihn "Hei Großer". Als er sich von mir löste, lächelte er Cat an, die die Szene schweigend beobachtet hatte "Du musst Cathrin sein. Schön, doch kennen zu lernen. Dann immer rein in die gute Stube". Er und die Blonde schüttelten sich höflich die Hände, dann ging er voran in die Zentrale. Wir folgten ihm und ich war kaum zwei Schritte im Raum, als ich fast von den Füßen gehauen wurde. Astrid hatte sich freundig auf mich geworfen "Luuuuu! Heeeeey!". Ich lachte und erwiderte die Umarmung "Hiii, nicht so stürmisch". Nach einigen Momenten löste sie sich von mir und grinste mich an "Ich hab mich so gefreut, als wir die Anfrage bekommen haben, dich bei Mission X zu unterstützen. Natürlich haben wir sofort unser Zeug gepackt und sind so schnell wie möglich her gekommen. Du rockst das, Lu, davon bin ich überzeugt". Ich lächelte sie an "Mit eurer Hilfe, bestimmt. Wo ist eigentlich-". Ich konnte den Satz nicht beenden, denn in der Sekunde hob mich plötzlich jemand von hinten hoch und ich schrie erschrocken auf. "Suchst du mich?" fragte eine Stimme belustigt neben meinem Ohr. "Hey, Nick, lass mich runter" beschwerte ich mich lachend. Er lachte auch und setzte mich ab. Dann sah ich zu, wie sich alle meine Freunde noch untereinander begrüßten und mir wurde ganz warm ums Herz. So glücklich war ich schon lange nicht mehr, trotz der ernsten Lage. Nach einigen Minuten standen wir alle in einem Kreis beisammen und Nick lächelte uns verschwörerisch an "Da wir jetzt vollzählig sind, können wir uns richtig an die Arbeit machen. Lu, du gehst jetzt erstmal mit Cat und lässt sich nochmal durch checken. Alex, ich würde dich und Bastian jetzt gerne näher ins technische einweihen. Astrid, kümmerst du dich ums Abendessen?". Alle nickten ihm bestätigend zu. "Gut, dann an die Arbeit" sagte Nick und klatschte in die Hände "die Zeit drängt".

Ich folgte Cat durch die verlassene Bärenhöhle Richtung Krankenflügel. Der Weg verlief schweigend, wir waren wohl beide mit unseren Gedanken beschäftigt. Sie brachte mich in ein Großkrankenzimmer, in dem ganz viele Betten standen, die mit einer Art Duschvorhängen voneinander getrennt waren. Cat ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen und flüsterte mehr zu sich "Es ist alles so, wie wir es zurück gelassen haben". Dann wandte sie sich zu mir und deutete auf das erste Bett in der Reihe "Leg dich doch da hin. Ich bin gleich bei dir, ich hole nur alles notwendige". Ich nickte und kam ihrer Aufforderung nach. Nach einigen Minuten trat sie mit einer Schale, in der alles mögliche äztliche Zeug lag, zu mir. "Zieh dein Oberteil aus" sagte sie und stellte die Schale ab. Als ich nur noch im Bh vor ihr saß, nahm sie ein Stethoskop aus der Schale und begann, meine Atmung abzuhören. Nach einiger Zeit nickte sie, notierte sich etwas, legte das Stethoskop weg und hohlte stattdessen eine Art Taschenlampe vom Tischchen, mit der sie mir in Mund und Rachen leuchtete. Wieder machte sie sich Notizen. So ging das eine Weile weiter. Sie kontrollierte meinen Blutdruck, Augen, Haut und Gelenke. Außerdem wog und maß ich mich. Als sie mir dann Blut abnahm, wagte ich das erste mal zu fragen "Wofür ist das gut. Glaubst du, meine Blutwerte sind schlecht?". Sie lächelte "Nein nein. Wir brauchen nur einen Vergleichswert, wenn du Gesund bist. Kann ja sein, dass du während deiner Mission zum Beispiel über Gase in der Luft vergiftet wirst, so dass du es gar nicht bemerkst. Nach der Mission nehmen wir dir nochmals Blut ab und schauen, ob die Werte im großen und ganzen übereinstimmen. Es sichert also dein Überleben". "Beruhigend" murmelte ich nur und wagte nicht mehr, weiter zu fragen. Schließlich sagte die Blonde "So, jetzt sind wir gleich fertig. Ich werde dir jetzt nur noch eine kleine Spritze geben". Sie holte die größte Spritze, die ich jemals gesehen habe, hervor. Die Nadel war länger als mein Zeigefinger. Ich schluckte "Und wofür ist die?". "Das ist dein Peilsender. Den spritz ich dir unter die Haut, so können wir immer mitverfolgen, wo du gerade bist. Das ist vor allem dann wichtig, wenn du dich nach... der Sache versteckst. Dann finden dich schneller". Ein bisschen unwohl war mir bei dem Gedanken, dass sie mir die Monsterspritze in den Arm rammen wollte schon, aber ich nickte tapfer. Ich streckte ihr meinen Unterarm entgegen. Sie tupfte ihn kurz mit einem feuchten Tuch, dass stark nach Desinfektionsmittel roch, ab und schob dann die Nadel langsam in meinen Arm. Tatsächlich tat es fast gar nicht weh und war schneller vorbei als erwartet. "Das wars" sagte Cat dann auch und räumte die Sachen weg "alles in bester Ordnung, medizinisch gesehen bist du bereit". "Danke" sagte ich kurz angebunden, schlüpfte wieder in mein Oberteil. Als ich gerade auf die Tür zulief, hielt sie mich jedoch auf, indem sie mich am Ärmel packte "Du Lucy?". "Hmm?" fragte ich nur und drehte mich nochmal zu ihr um. Sie schien sichtlich mit den Worten zu kämpfen und vermied meinen Blick. Schließlich sagte sie "Es... Ich wollte nur sagen... Es tut mir so leid. Die Sache mit Dennis. Ich hätte es dir sagen müssen. Ich... ich will nur nicht, dass es so zu Ende geht mit uns. Weißt du, ich hab dich echt gerne und, wenn dir was zustößt... Ich will nicht, dass es im Streit endet. Du musst mir nicht verzeihen, aber... es tut mir leid". Ich seufzte einen Moment, dann umarmte ich sie. Einen Moment wirkte sie geschockt, dann erwiderte sie die Umarmung. "Ich verzeih dir" sagte ich schließlich leise "Das mit Dennis und mir... das war nicht richtig und hätte auch nie funktioniert, dass weiß ich jetzt. Und ich möchte das auch nicht. Falls ich... scheitern sollte, möchte ich wenigstens beim sterben denken, dass ich im großen und ganzen alles richtig gemacht habe. Es wird nie wie früher, aber vielleicht... vielleicht können wir doch noch irgendwann zusammen shoppen gehen. Als Freundinnen". Cat hielt mich fester "Du wirst nicht sterben, Lu. Du bist eine Löwin, wenn du diese Mission nicht schaffen kannst, kann es keiner. Davon bin ich zu hundert Prozent überzeugt".

In dieser Nacht kam ich sozusagen gar nicht zum schlafen. Mir war natürlich die ganze Zeit bewusst, das es super wichtig war, dass ich ausgeschlafen und ausgeruht für die Mission bin, aber das Problem kenn glaube ich jeder. Man liegt abends im Bett und denkt 'Ich muss jetzt wirklich schlafen, ich muss Morgen fit sein' aber genau dann, wenn man die ganze Zeit sowas denkt, kann man erstrecht nicht einschlafen. Also welzte ich mich mehr oder weniger in Alex Armen hin und her. Heute konnte nicht mal seine Nähe mich beruhigen. Er hingegen war nach zwei Sekunden eingeschlafen. Er muss Morgen ja auch nicht die Welt retten, in seiner Situation könnte ich wahrscheinlich auch schlafen. Aber mich hielten die Nervosität und vorallem meine Gedanken wach. Zwischen die ganzen Ich-muss-jetzt-wirklich-schlafen-Gedanken schlich sich nämlich auch immer wieder ein Werde-ich-den-Präsidenten-wirklich-töten-können-Gedanke. Davor hatte ich mit am meisten Angst. Kann ich wirklich auf den Abzug drücken, wenn er vor mit steht? Jemanden völlig bewusst und aus eigenem Antrieb töten? Auch wenn es 'das Richtige' ist? Ich weiß es nicht. Diese Gedanken hielten mich die ganze Nacht wach. Naja, fast zumindest. Irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen schreckte ich aus einem Alptraum. Jedoch war es nicht mehr Morgen und ich war alleine im Bett. Ich warf einen Blick auf den Wecker uns sofort beschleunigte sich mein Puls wieder. 11:38 Uhr?! Schon?! Gott, ich habe nur noch circa sieben Stunden, dann muss ich in den Regierungsbezirk! Sieben Stunden! Und noch so viel zu tun... Ich sprang auf und lief in Richtung Kommandozentrale. Jedoch rannte ich genau in Alex rein, der wohl mal nach mir sehen wollte. Er umarmte mich gleich und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen "Nicht so stürmisch, mein Sonnenschein". Ich war zu aufgekrazt, um etwas liebevolles zu erwiedern "Was soll ich tun? Es gibt doch sicher irgendetwas, was ich tun muss...". Alex schmunzelte "Ich sag dir, was du jetzt machst. Du nimmst schön lange eine heiße Dusche und entspannt dich. Dann ziehst du dir deine bequemsten Klamotten an und dann essen wir alle zusammen. Astrid hat Lasagne gemacht". "Aber... Aber heute ist doch DER Tag" stotterte ich "Operation X und so. Ich muss doch irgendwas tun". Mein Freund drückte mich an sich "Du musst gar nichts mehr tun, außer dich um 17:30 Uhr umziehen und fertig machen. Und eben heute abend den Regierungsbezirk stürmen. Wir haben alles getan, was man tun kann. Alles vorbereitet, was vorbereitet werden muss. Es kann gar nichts schief gehen. Und jetzt gehst du duschen und entspannst dich. Den heutigen Tag werden wir nochmal zusammen genießen". Für den Fall, dass ich nicht wieder komme. Er sagte es nicht, doch diese Worte waren ihm ins Gesicht geschrieben. Und auf einmal wurde mir bewusst, dass es für Alex vielleicht doch nicht so leicht ist, wie ich gestern Nacht noch dachte. Wenn ich sterbe, wird er sich sein Leben lang Vorwürfe machen, warum er mich nicht besser ausgebildet hat. Er wird immer Schuldgefühle haben. Ein weiterer guter Grund für mich, nicht zu versagen und alles zu geben. Wenn nicht für mich und wenn nicht für den Rest der Stadt, dann wenigstens für Alex. Wenn jemand von uns ein glückliches Leben verdient hat, dann er. Also werde ich härter kämpfen. Für ihn. Für uns.
_______________
Jajaaa es geht ja bald los, in ein paar kapis werdet ihr euch wünschen, ihr wärt noch so unwissend wie jetzt ;):* dieses Kapitel möchte ich übrigens meiner Latein-Gang widmen. Ihr seid die besten :* und denkt immer daran: mors tenet <3

CodeworldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt