Mama – und natürlich auch Papa – haben alles für mich gemacht. Wie sehr ich unsere gemeinsamen Zeiten geliebt habe, sogar wenn es nur das Mittagessen war.

Sie haben jede meiner Entscheidungen und Wünsche akzeptiert, selbst wenn sie manchmal von jenen nicht begeistert waren, während andere Eltern ihren Kindern vieles verbieten. Bei einer schlechten Note in der Schule haben sie mich nicht wie andere vollgeschrien, sondern mir Mut gemacht, dass es beim nächsten Mal auf jeden Fall besser wird.

Obwohl wir so einige Male Geldprobleme hatten, haben sie mir immer alles ermöglicht, mir immer versucht jeden einzelnen Wunsch zu erfüllen. Es gibt so unendlich viele andere Dinge, die ich an Mama und Papa liebe. Sie sind die besten Eltern die man sich wünschen kann.

Ein dicker Kloß hat sich in meinem Hals breit gemacht und es fällt mir schwer, die Tränen zurückzuhalten.

Ich vermisse sie so sehr.

Was würde ich jetzt für eine Umarmung von Mama geben... Ich will zurück. Zurück zu meinem alten Leben, zurück zum Frieden. Zurück zu meiner Welt, in der ich mein stinknormales Leben als Jugendliche führe und genervt von der Schule bin, in der es meine Freunde gibt und wo ich einfach glücklich sein kann.

Aber ich kann nicht.

Mit diesem Gedanken balle ich meine Hände zu Fäusten und beschleunige mein Tempo, überhole so viele Schüler wie möglich. Ich muss nach vorne schauen. Wenn ich in der Vergangenheit verweile, ist kein Platz mehr für die Gegenwart und Zukunft.

Nach dem Lauf brennt meine Kehle und lechzt nach Sauerstoff, mein Gesicht muss rot wie eine Tomate sein, aber dieser Moment lässt mich endlich mal was anderes außer Trauer und die mich teilweise überkommende Leere fühlen.

Danach fangen wir mit Ausweichübungen an, bei denen es vor allem auf das Erfassen der Umgebung und die Reflexe ankommt. Herr Kegge, ein weiterer Lehrer, besitzt dank seines Artefaktes die Illusionsmagie und erschafft mit ihr eine Art Höhle, zumindest macht es den Anschein, als würden wir uns in einer befinden.

Ob Kai dieselbe Magie beherrscht? Immerhin hat er mich bei der Prüfung ebenfalls in eine Illusion gezogen, aber bei ihm hat sich das alles in meinem Kopf abgespielt, während Herr Kegge uns hingegen glauben lässt, dass sich unsere Umgebung verändert hätte.

„Als erstes werdet ihr verschiedenen Angriffen ausweichen müssen. Herr Recke und ich werden euch im Auge behalten und wer einem Angriff nicht ausweichen kann, ist raus. Beachtet dabei, dass euch nun die Attacken verletzen können. Sie werden zwar keine lebensbedrohlichen Wunden hinterlassen, werden aber trotzdem wehtun. Gebt also euer bestes, denn wie immer wird alles benotet", verkündet Herr Kegge.

Wir nehmen Abstand voneinander, damit jeder genug Bewegungsfreiheit hat und ich nehme eine leicht gebückte Haltung ein, denn so kann ich schneller wegspringen.

Auf jeden rast eine Art Feuerball zu und alle schaffen es geschmeidig auszuweichen. Das klappt auch einige Male danach sehr gut, bis die Angriffe immer schneller und mehr werden und die Ersten aus dem ‚Spiel' rausfliegen.

Wachsam beobachte ich alles aus dem Augenwinkel und drehe meinen Kopf immer zu allen Seiten um, damit ich alles im Blick habe. Mir darf keine Bewegung entgehen. Aus dem Augenwinkel sehe ich etwas aufblitzen und drehe mich schnell um, gerade rechtzeitig, denn eine Art Wasserkugel rast geradewegs auf mich zu. Obwohl ich nach rechts springe, ändert die wasserartige Kugel ebenfalls ihren Kurs. Schnell springe ich hinter einen Felsen, gegen den die Kugel knallt und zerplatzt. Einige weitere Minuten vergehen, bis Herr Recke in die Hände klatscht und jegliche Angriffe spurlos verschwinden.

„Jetzt werden Teams aus drei bis vier Leuten gebildet", befiehlt er.

„Sienna? Wollen wir?", fragt Kaja unsicher.

Keryno - Die verborgenen VampireWhere stories live. Discover now