13. Cats Traum

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Die Wochen vergingen schneller, als ich erwartet hatte. Wahrscheinlich weil der Unterricht so abwechslungsreich war und ich durch meine Freundinnen selbst an schlechten Tagen einen Grund hatte, mich aus dem Bett zu kämpfen. In der Mittagspause gingen wir oft zusammen in die Cafeteria, wo wir uns ausgelassen über unseren Tag unterhielten und gegenseitig über unsere Missgeschicke im Wassertraining lachen konnten. Meistens sah ich mich dabei jedoch noch nach einer anderen Person um.

Nach dem geheimen Schattenritual im Wald wollte ich eigentlich ein ernstes Wörtchen mit Christian reden, doch seitdem hatte er sich kein einziges Mal in der Cafeteria blicken lassen. Fast so, als würde er es darauf anlegen mir aus dem Weg zu gehen. Vielleicht befürchtete er, dass ich bereits jemandem von meiner Beobachtung erzählt hatte und dass es für ihn schwerwiegende Konsequenzen haben könnte, sich zum jetzigen Zeitpunkt in der Schule blicken zu lassen. Vielleicht hatte er aber auch einfach nicht vor, mir mehr zu erzählen, als ich wissen musste und drückte sich insgeheim davor, mir meine Fragen zu beantworten.

Da Christian auch in den folgenden Tagen nicht auftauchte, beschloss ich, mir die Fragen aufzuschreiben, bevor ich sie wieder vergaß:

Warum hast du dich mit dem Schattenherrn und seinen Anhängern verbündet?

Wie lange bist du schon Mitglied dieser Gemeinschaft?

Wen wollt ihr töten und warum?

Wer weiß außer mir noch von deinen nächtlichen Aktivitäten?

Wodurch zeichnen sich die Fähigkeiten eines Geistes aus?

Welchen Grund hast du, mich mit einem Feuerball zu bewerfen?

Frustriert ließ ich den Bleistift sinken. Ich wusste ganz genau, dass ich noch irgendwelche Fragen vergessen hatte, doch mein Kopf war voll von den Ereignissen des Tages, sodass sie mir momentan einfach nicht einfallen wollten. Außerdem lag auf meinem Schreibtisch noch ein Stapel Schulbücher, der mich ans Lernen erinnern sollte. Also faltete ich den Fragenzettel zusammen, stopfte ihn in eine Schublade und fing mit den Latein-Aufgaben an. Wir sollten die Wortgruppe secundus ventus übersetzen und deklinieren. Ich schrieb zuerst die Übersetzung auf: günstiger Wind. Wir hatten in den ersten Lateinstunden schon ganz schön viele Vokabeln gelernt. Instinktiv fragte ich mich, ob Christian auch den Latein-Kurs belegte? Immerhin war das für die Rituale der Schatten sicherlich von Vorteil.

"Hey Mads, du kaust schon wieder auf dem Bleistift herum. Und ich gehe mal davon aus, dass du nicht über Latein nachdenkst", stellte Kiki fest, die von ihrem Schreibtisch aufgeblickt hatte und mich vermutlich bereits seit einigen Sekunden beobachtete.

"Wie kommst du denn darauf? Kannst du Gedanken lesen?", fragte ich mit einem sarkastischen Unterton. Gleichzeitig konnte ich mir aber ein Grinsen nicht verkneifen, da sie natürlich genau ins Schwarze getroffen hatte. Kiki ignorierte meinen Kommentar geflissentlich und rollte mit ihrem Bürostuhl an meinen Tisch heran. Ein Blick in mein Übungsheft bestätigte ihre Vermutung.

"Du hast ja noch nicht einmal die erste Wortgruppe dekliniert", erwiederte sie belustigt. Ich fühlte mich auf gewisse Weise ertappt und klappte mein Heft zu. Als ich gerade zu einer Antwort ansetzen wollte, legte mir Kiki überraschend eine Hand auf die Schulter.

"Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst." Ihr intensiver Blick schien direkt in mein Innerstes zu blicken und genau zu wissen, was mich belastete. Trotzdem zögerte ich. Mir war bewusst, dass ich mich Kiki jederzeit anvertrauen konnte, aber die Sache mit Christian musste ich erst einmal selbst verstehen, bevor ich sie mit jemand anderen teilen konnte.

"Es ist lieb, dass du dir Sorgen um mich machst", entgegnete ich also und schenkte ihr ein dankbares Lächeln. "Aber ich bin nur etwas gestresst vom Tag. Sonst nichts."

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