Prolog

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S O P H I A C A R T E R

Ich kann kaum fassen, dass wir hier sind – in einem kleinen Restaurant, das von flackernden Kerzen und dem süßen Duft frischer Rosenblüten erfüllt ist. Über uns hängt ein Kristalllüster, der das warme Licht in sanfte Funken über den Tischen verstreut. Die zarten Pianoklänge im Hintergrund verleihen dem Raum eine fast magische Stimmung, als wäre jeder Moment zum Verweilen geschaffen.

Jack sitzt mir gegenüber, und zum ersten Mal in all den Jahren, in denen wir uns kennen, spüre ich sein Lampenfieber wie ein leises Zittern in der Luft. Sein Blick huscht durchs Kerzenflackern, als suche er nach dem richtigen Einstieg – und mein Herz pocht schneller, weil ich ahne, dass heute mehr geschehen soll als ein bloßes Abendessen unter Freunden.

Ich wickle meine Finger um das zarte Weinglas, dessen Glasränder das Licht brechen und winzig kleine Regenbögen formen. Das leise Klirren von Silberbesteck mischt sich mit meinem Atem – wach und zittrig zugleich.
Sein Blick gleitet über das silberne Besteck, als suche er darin Worte, die bitte nicht verloren gehen mögen. Mein Herz klopft in meinem Hals – was hat er vor? Hat er den Mut gefunden, mir zu gestehen, was ich selbst schon viel zu lange in mir trage?

„Sophia", beginnt er, und sein Ton trifft mich wie ein leiser Donnerschlag. Sein Blick bohrt sich in meine Augen, verunsichert, als sucht er dort nach einem verlorenen Funken. Ich zwinge mich, ruhig zu atmen, während die dicken Tropfen Wachs von der Kerze neben uns sacht zu Boden platschen. In der Luft liegt eine Mischung aus feuchtem Eichenholz und den süßen Spitzen von Thymian – so intensiv, dass mir schwindlig wird.

Was wird er gleich sagen? Will er mir gestehen, was ich längst ahne? Dass er mich nicht nur als beste Freundin sieht, sondern als Frau, die tiefer in seinem Herzen verankert ist, als jedes Geheimnis zwischen uns? Mein Herz hämmert so laut, dass ich jedes Flüstern, jeden verhallenden Klang im Raum zu hören glaube.

Ich taste nach seinem Blick, und in seinem Zögern erkenne ich nicht nur Zweifel, sondern auch dieses verführerische Etwas, das mich vor Frustration beben lässt. Meine Fingerspitzen krümmen sich um den Stiel des Weinglases, als hielte ich darin den Schlüssel zu allem, was folgen wird. Die Luft zwischen uns vibriert, als könnte sie jeden Moment in Flammen aufgehen.
Dann öffnet er den Mund, und ich schließe die Augen – bereit für das Geständnis, das mein Leben für immer verändern könnte.

Ich nicke, spüre, wie sich meine Lippen zu einem unsicheren Lächeln formen.
„Ja", flüstere ich, und meine Stimme klingt leiser, als ich sie eigentlich hören möchte. „Es ist... wunderschön hier."

Während ich das Wort ausspreche, breitet sich in meinem Bauch ein Wirbelsturm aus – ein federleichter Schmetterlingsflug, der sich in jede Faser meines Körpers bohrt. Mein Herz schlägt plötzlich hölzern gegen meine Rippen, und ich küsse unwillkürlich die Innenseite meiner Lippe, um das Zittern zu verbergen. Um uns herum wird das gedämpfte Gemurmel des Restaurants zum entfernten Rauschen, und für einen kostbaren Augenblick existiert nur noch dieses Lächeln zwischen uns – so zerbrechlich und doch voller unausgesprochener Sehnsucht.

Er legt seine Hand über meine, ein leichter Druck, als wolle er mich an diesem Moment festhalten. In dem warmen Gewicht seiner Berührung flammt in mir die stillste Hoffnung auf: Bitte sag es nicht. Doch darfst du es auch nicht verschweigen. Denn genau dieser Augenblick, in dem sein Herz taumelt und meines antwortet, bietet vielleicht die einzige Chance, ihn jemals anders zu sehen.
Mein Brustkorb spannt sich an, als würde jeder Atemzug nach ihm verlangen. Ich rieche seinen dezenten Duft – eine Mischung aus Zedernholz und Ungewissheit –, die mich zugleich beruhigt und elektrisiert. Mein Blick haftet an seinem, suche dort nach dem ersten Wort, das alles richten oder zerstören kann.

Langsam atme ich aus, lasse die kühle Restaurantluft in meine Lungen fließen und zwinge mich zu einem Lächeln, das stärker sein soll, als ich mich fühle. Dann warte ich. Jeder Herzschlag pocht mir in den Ohren, während Jack den Mund öffnet – und die Welt für einen winzigen Moment den Atem anhält.

„Sophia... ich werde heiraten."
Die Worte schlagen ein wie ein Blitzschlag. Mein Glas rutscht aus der Hand, und der Wein perlt in dicken Tropfen über die Tischdecke. Alles verschwimmt: die flackernden Kerzen, das gedämpfte Klirren von Besteck, Jack's Blick. Ein stechender Schmerz fährt durch meine Brust, als würde man mir etwas wegreißen, das ich nie hatte – und doch so dringend gebraucht hätte.

„Du... du heiratest?", entgegne ich tonlos, während mein Herz blutet. Ein dumpfes Echo hallt in meinen Ohren. Sie heiratet ihn. Nicht ich.
Jack beugt sich vor, sein Gesicht in jenes warme Kerzenlicht getaucht, das eben noch so romantisch wirkte – jetzt jedoch wie ein Spottgericht.

Er streckt die Hand aus, doch ich zucke zurück. „Sophia, ich wollte, dass du es von mir hörst. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht früher gesagt habe."
Seine Stimme klingt sanft, fast flehend. Ich registriere kaum, was er sagt, aber ich spüre das Zittern in seinen Worten. Er sieht mich an, als fürchte er meinen Zorn – dabei glaubt er, ich sei wütend, weil er geschwiegen hat.
„Meine Gefühle für Olivia... sie sind stärker, als ich erwartet habe", gesteht er leise. „Ich liebe sie, Sophia. Und weil du meine beste Freundin bist, wollte ich, dass du es als aller erste hörst"

Verliebt. Ein Wort, so leicht über seine Lippen gekommen, und doch für mich wie ein Dolchstoß. Ich atme flach ein, ringe nach Fassung, während meine Welt in Zeitlupe zerbricht. Ich will etwas sagen – irgendetwas –, doch die Stille zwischen uns ist lauter als jedes Geständnis.

Und während ich da sitze, mit bebenden Fingern und brennenden Augen, spüre ich, wie sich in mir eine eiskalte Entschlossenheit regt: Ist dies der Augenblick, in dem ich ihm die Wahrheit sagen muss – oder soll ich weiter schweigen und zusehen, wie er sein Glück an einer anderen Seite sucht?

Ich atme tief durch, ringe nach einem Lächeln und sage dann mit fester Stimme:
„Jack, ich... ich freue mich für dich."

Die Worte klingen in meinen Ohren fremd und hohl, doch sie sind alles, was ich aussprechen kann. Mein Herz zieht sich zusammen, während ich sehe, wie Erleichterung in seinen Augen aufblitzt. Er nimmt meine Hand, und für einen kurzen Moment fühlen wir uns verbunden – doch in mir weiß ich, dass nichts mehr so sein wird wie zuvor. Ich habe mich fürs Schweigen entschieden.

Ich reiße mich zusammen, wische mir hastig eine Träne von der Wange, doch sofort rinnt die nächste über meine Wimpern. Jack beugt sich besorgt vor.
„Sophia... alles in Ordnung?"
Ich atme tief durch, ringe nach einem Lächeln, das krampfhaft in meinem Gesicht klebt.

„Ja... ich freue mich so sehr für dich", stammele ich. „Es kommt einfach so überraschend... ich kann meine Emotionen gerade nicht richtig sortieren."

Er lächelt einfühlsam, als wäre meine Antwort das Schönste, was er je gehört hat. Dennoch sehe ich den leichten Zweifel in seinen Augen, diese Frage nach mehr, die er im nächsten Moment kaum auszudrücken wagt. Dann steht er auf und streckt mir die Hand hin. Zögernd komme ich hinterher, und bevor ich mich versehe, zieht er mich in eine Umarmung. Sein Herz pocht gegen meine Schulter, sein Arm umschlingt mich schützend – und ich lasse los.

Eine Träne nach der anderen fließt, und ich werde mir bewusst, welche Illusion ich mir aufgebaut habe: Ich, die Beste Freundin, die insgeheim mehr wollte. Ich habe mir eingeredet, er könnte mich lieben, so wie ich ihn. Jetzt holt mich die bittere Wahrheit ein, und ich frage mich: Bin ich selbst schuld? Hätte ich mein Herz nicht so unbedacht verschenkt, läge nun kein schwerer Stein auf meiner Brust. Dann könnte ich wirklich glücklich sein, dass Jack seinen Weg findet – mit Olivia, nicht mit mir.

Verdammte Scheiße, warum fühlt es sich an, als würde jemand auf meiner Brust sitzen? Jeder Atemzug fällt mir schwer. Klar, ich wusste, dass er irgendwann heiraten würde. Aber ich Dumme hatte gehofft, er sehe mich eines Tages anders. Ich hab mein ganzes Leben nach ihm ausgerichtet – seit wir Kinder waren, habe ich darauf gewartet, dass Jack mich wenigstens ein kleines bisschen so liebt, wie ich ihn. Das wäre genug gewesen. Das hätte mich erfüllt.

Und jetzt das: Ausgerechnet an meinem Geburtstag sagt er mir sowas. Als sitze das Schicksal lachend am Tisch und gönne mir keinen einzigen freien Moment. Setzt er mit dieser Hochzeit einen Punkt unter unsere ganze gemeinsame Geschichte?

Jack und ich? Nun ja, wir waren zwei perfekt zusammen passende Puzzleteile, doch gehörten zu unterschiedlichen Puzzles.

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⏰ Last updated: Aug 08 ⏰

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