Kapitel 1

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Ich erwachte durch das Klingeln, meines Weckers und ich setzte mich auf. Am liebsten würde ich einfach weiterschlafen, aber ich musste aufstehen und in die Schule. Also stand ich auf und machte mich bereit. Zum Schluss hängte ich mir die kleine Schlüsselkette um, die ich von meinem Dad geschenkt bekommen habe, als ich sieben war. Eine Woche später starb er an seiner Leukämieerkrankung. Sein Todestag ist heute nun neun Jahre her und ich vermisste ihn sehr. „Ah, Gwendolyn ist ja ausnahmsweise mal pünktlich", begrüsste mich meine Cousine Charlotte hochnäsig, als ich zum Frühstück erschien. Ich ignorierte sie und begrüsste Mam, meinen zwölfjährigen Bruder Nick und meine achtjährige Schwester Caroline. Tante Glenda, Charlottes Mutter, ignorierte ich wie Charlotte. Diese betrachtete sich schon zum hundertsten Mal an diesem Morgen im Spiegel, da musste ich sie einfach aufziehen: „Nur weil du öfter in den Spiegel guckst, wirst du auch nicht hübscher." „Weisst du, im Gegensatz zu dir ist es mir nicht egal, wie ich aussehe. Und heute werde ich von Raphaels Bruder Gideon zur Schule gefahren, er studiert Medizin. Und bevor du fragst, du darfst sicher nicht mitfahren", antwortete sie und rauschte davon. Als ob ich mit der zur Schule fahren wollte. Raphael war seit Montag in unserer Klasse und ganz ok. „Soll ich dich zur Schule fahren? Dann musst du nicht mit dem Bus gehen", fragte mich meine Mam. „Nein, schon gut, Leslie hat gesagt, dass sie mich abholt", bedankte ich mich. Als es klingelte, ging ich zur Tür, bestimmt war es Leslie. Doch als ich öffnete blickten mir zwei smaragdgrüne Augen entgegen. Vor mir stand bestimmt Raphaels Bruder. „Ich bin hier, um Charlotte abzuholen und was starrst du so?", fuhr er mich an. Kaum zu glauben, dass das Raphaels Bruder ist. „Die kommt bestimmt gerade", antwortete ich trotzig und wollte mich an ihm vorbeidrängen, als er mich anhielt: „So als Tipp, wirf diese hässliche Kette weg, du bist ja nicht mehr zehn." In mir stieg Trauer und Wut auf und ich gab ihm eine Ohrfeige und rauschte davon. Ich wollte nicht länger vor der Tür stehen und so beschloss ich mich, Leslie entgegen zu laufen.
„Wir werden heute die Gruppen für die angekündigte Projektarbeit zum Thema Geschichte auslosen", sagte Mr. Thomsen, unser Klassenlehrer. Mir war es eigentlich egal, wer mein Partner oder meine Partnerin werden würde, solange es nicht Charlotte oder eine ihrer Kolleginnen war. Mr. Thomsen begann die Gruppen auszulosen. „Gwendolyn", sagte er und ich holte tief Luft und dachte bitte nicht Charlotte, bitte nicht Charlotte. „Und Raphael", fuhr er fort und ich atmete erleichtert aus. Leslie hatte Gordon als Gruppenpartner und war nicht besonders glücklich darüber. Sie wäre bestimmt lieber mit Raphael in der Gruppe gewesen. Ich hatte das Gefühl, dass sie ein wenig in ihn verliebt war, obwohl sie es nicht zugeben wollte. „Geht nun in die Gruppen zusammen und eignet euch auf ein Projekt. Aber vergesst nicht, es muss mit Geschichte zu tun haben", gab uns Mr. Thomsen die Anweisung. Also setzte ich mich mit Raphael an einen Tisch. „Was wollen wir für ein Projekt machen?", fragte ich ihn. „Wir könnten einen Film über die Geschichte Londons drehen", schlug Raphael vor. Ich war begeistert von dieser Idee, hatte aber trotzdem noch einen kleinen Einwand: „Aber woher nehmen wir die Filmausrüstung?" „Ich hab eine zu Hause, wir können uns ja am Samstag treffen, dann können wir ja alles planen und mit dem Informationen suchen beginnen", schlug Raphael vor und ich stimmte zu.
Nun sass ich mit Leslie auf dem Pausenhof, während ich auf den Bus wartete und sprach mit ihr über das Geschichts-Projekt. „Was machen denn Gordon und du?", wollte ich wissen. „Gordon sagte, ihm sei es egal. Er bemüht sich überhaupt nicht und ich muss am Schluss sowieso die gesamte Arbeit machen. Aber ich glaube, dass wir wie ein kleines Magazin über den Buckingham Palace mit vielen Bildern machen. Was machen du und Raphael?", fragte sie mich. „Wir machen einen kurzen Dokumentarfilm. Er hat gesagt, dass er eine kleine Film- und Schnittausrüstung hat. Wir treffen uns dieses Wochenende bei ihm, um die ersten Informationen zu suchen", erzählte ich Les. „Du hast es gut, du musst nichts alleine machen und hast sogar noch einen brauchbaren Gruppenpartner", schwärmte Leslie, „Weisst du wo er wohnt?" „Raphael hat gesagt, dass er bei seinem Bruder Gideon in einer Wohnung in Chelsea wohnt, da seine Mutter in Frankreich lebt", antwortete ich und fügte kurz nachher hinzu: „Shit! Hoffentlich ist sein Bruder nicht zuhause!" „Wieso das?", wollte Leslie wissen. Ich erzählte ihr von meiner Begegnung heute Morgen und das, was er über meine Kette gesagt hat. Dies war keine Beleidigung gegen mich, sondern gegen Dad und tat doppelt weh. „Ich vermisse meinen Dad", schluchzte ich, als ich fertig war. Bestimmt sah ich nun aus, wie ein Streifenhörnchen, da meine Wimperntusche sicherlich verschmiert war. Leslie nahm mich in den Arm und versuchte mich zu trösten. „Komm, heute ist Freitag, wir könnten bei mir einen Filmabend machen", schlug sie vor und ich nickte. Da kam Raphael zu uns und als er mich sah, fragte er sofort, was los war. Leslie antwortete für mich: „Heute vor neun Jahren ist ihr Dad gestorben." „Das tut mir leid", antwortete Raphael und setzte sich neben Leslie. Ich stand auf, da mein Bus kam: „Tschüss, machts gut." An Leslie gewandt sagte ich noch: „Um acht bin ich bei dir", und zu Raphael: „Morgen komme ich um ca. halb drei zu dir, ok?" Beide bestätigten mir, dass es ok ist und ich stieg in den Bus.

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