Prolog.

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2022 ; Oktober

Die aufkommende Kälte machte sich in meinem Herzen breit. 

Die Stadt wurde kühler durch den frischen Wind, der von der Küste aufzog. An manchen Tagen konntest du das Salz des Meeres in der Luft wahrnehmen.

Heute war einer dieser Tage.  Und auch wenn die Welt nie still stehen würde, schien mir das Leben heute merkwürdig eingefroren.
Meine Hände versteckt in den großen weichen Taschen meines Mantels, lief ich durch eine schmale Straße, etwas abwärts des Zentrums.
Sie führte hinunter zu der langen Küste, für die ein durchschnittlicher Mensch wenige Stunden brauchte, um sie vollständig entlang zulaufen.
Für dich war das ein Tagesausflug. Wenn die Sonne aufging liefst du los, wenn sie unterging ließt du dich im feuchten Sand nieder und beobachtetest das Wellenspiel vor deinen Augen. Beobachtetest wie der Himmel sich in Wärme verfärbte und die Sonne wie ein großer, roter Ball hinter dem Horizont verschwand.
Du hast jeden Schritt genossen, jedes Rauschen der Welle, jede Wolke am Himmel, jeden Windstoß, der ein aufregend, kribbelndes Gefühl auf deiner Haut hinterließ.

Der kühle, salzige Wind pfiff mir um die Nase.
Meine Haare fielen in meine Augen.
Der kalte Schauer kroch in meinem offenen Kragen und lief meinen Rücken herunter.

Für jeden anderen war das ein unangenehmes Gefühl. In den meisten Fällen zumindest, löste es eine Form von Unbehagen aus. Ungefähr so, wie es der Moment tat, in dem du etwas wirklich Wichtiges vergessen hast und dieses wirklich Wichtige dir eigentlich auf der Zunge lag, aber dir einfach nicht einfallen wollte. Und dann wusstest du, dass es Konsequenzen haben würde, dass du dieses wirklich Wichtige vergessen hattest.

Du hingegen liebtest das Gefühl, fandest es aufregend, erfrischend, mochtest den leichten Nervenkitzel und das Adrenalin, das dabei durch deinen Körper floss.
Es hatte lange gebraucht bis ich dich verstand. Bis ich die Welt aus deinen Augen sehen konnte. Bis ich verstanden hatte, dass das wirklich Wichtige, nicht irgendwelche Aufgaben waren, die wir pflichtbewusst erfüllen sollten, sondern dass das wirklich Wichtige in der Welt lag und darauf wartete, entdeckt zu werden.
Inzwischen wünschte ich mir, du könntest die Welt nun aus meinen Augen sehen.

An der Küste zu stehen, auf das rauschende Wasser zu blicken. Den Wind an deinen Beinen, deinen Wangen, deinen Haaren zu spüren. Das Geräusch, wenn die Wellen in der Brandung brechen und Möwen am Himmel ihre Runden drehen.
Vor dir erstreckt sich der endlos breite Horizont.
Und wenn du wirklich einen guten Tag hattest, fielen kleine Regentropfen auf deinen Regenschirm und vervollständigten die Symphonie der Natur.

Vielleicht klingt das für dich zu romantisch.
Doch vielleicht liegt es auch nur daran, dass du dieses überwältigende Gefühl, am endlos erscheinenden Meer zu stehen und den Wellen dabei zuzusehen, wie sich die weißen Kronen auftürmen und das dunkle Wasser hinter sich lassen, vergessen hast.

Dass das dunkle Wasser, die mächtige Welle, stärker war, als die Krone die du trugst.

𝐒𝐲𝐦𝐩𝐡𝐨𝐧𝐢𝐞 𝐝𝐞𝐬 𝐋𝐞𝐛𝐞𝐧𝐬Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora