Am Ufer

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Der Rand der Wüste - Teil 1

Wenn man von Zagora aus in die Wüste fährt, muss man zuerst den Antiatlas überqueren, das weniger hohe Gebirge. Mit einem Auto werden wir bis vor die Hügel gefahren, dort warten die Kamele auf uns. Also eigentlich sind es Dromedare, oder eben Dromadaires, wie sie hier heißen.

Geplant gewesen wäre eine Fahrt im Offroader, es geht vermutlich um die Straßen und deren Zustand. Einmal mehr werden wir Zeugen der marokkanischen Gelassenheit. Das Fahrzeug hat eine Reifenpanne; ein Ersatz muss gefunden werden. So zwängen wir uns in einen Daccia, der bestimmt schon bessere Tage gesehen hat.

Es ist eine wunderbare Fahrt. Aus dem Radio klingt marokkanische Musik, OUM, eine sehr angesagte Sängerin mit ihrer warmen Stimme. Das Lied heißt 'Taragalte' - Seele von Marokko; passender könnte es kaum sein. Draußen sehe ich nur noch Steine, sobald die letzten Bordsteinkanten der Stadt zerbröckelt sind. Ein oder zweimal fahren wir noch durch eine kleine Ortschaft, dann legt sich der Hügelzug sanft neben uns und wir folgen ihm südwärts.

Von weitem kann ich die gewundene Straße erkennen, welche über den Hügelzug führt und freue mich bereits auf die Fahrt und vor allem auf die Aussicht. Dann erst erkenne ich die Dromedare am Fuß des Berges und realisiere, dass wir wohl über den Hügel marschieren werden. Das beginnt interessant. Von der Hitze spüre ich nichts, obwohl es bestimmt schon über dreißig Grad warm ist, am frühen Morgen.

Baziz und Ismail, sein jüngster Sohn, begrüßen uns herzlich. Wir helfen mit, unser Gepäck in die Körbe zu laden. Die Dromedare werden es tragen. Ganz leicht sorgenvoll betrachte ich die Passstraße, welche ich gleich hochgehen werde, bei fünfunddreißig Grad und ohne Schatten. Dann jedoch übernimmt die Vorfreude und mit OUM im Ohr weiß ich: das werde ich schaffen, denn wir sind erst am Rand der Wüste.

Der Rand der Wüste - Teil 2

In Reih und Glied stehen sie, die Touristencamps. Zeltdörfer mit jedem Komfort. Bars, Duschen, Toiletten, Restaurants - Glamping vom Feinsten. Dass sie damit das dringend benötigte Grundwasser weiter verschwenden, interessiert niemanden. Die meisten Touristen wollen nur rasch zu den Dünen; Selfies machen, mit wehendem Haar und Rock für Instagram posieren, während die Männer mit den Quads oder den Buggies über die Dünen donnern oder auf dem Board im Sand surfen.

In Marrakech - das ist, zur Erinnerung, rund acht Stunden Fahrt entfernt - kann man Ausflüge in den Sand buchen: eine Übernachtung in der Wüste mit Erlebnis; reiten auf einem Dromedar inklusive. Sie fahren in der Nacht hierher, haben ihren Tag im Sand, schlafen im Camp, reiten kurz auf einem Tier oder fahren Quad - dann zurück nach Marrakech. Sie haben die Wüste erlebt.

Zurück bleiben die Reifenspuren und jede Menge Abfall. Plastiknomaden, nennt man sie hier. Einmal im Jahr treffen sich alle echten Nomaden und Karawanenführer um gemeinsam den Abfall der Massentouristen einzusammeln. Der König hat das richtig gut gemacht, als er verboten hat, solche Camps mitten in die Wüste zu bauen. Sie dürfen nur am Rand stehen - und das sieht dann eben aus wie Rimini: Ein Campingdorf am anderen; entlang der Straße, auf welcher die Touristen mit ihren Offroadern die Wüste queren.

Nicht meine Welt, der Massentourismus, und doch bringt er Devisen. Es ist ein schmaler Grat zwischen Notwendigkeit und Verdammung. Für die Touristen ist es nicht wichtig, die Wüste zu erleben; wichtig ist das gelungene Foto, ein kleines Stück Exotik und Sahara-Romantik. Ebensowenig interessieren sich die Touristen dafür, woher ihre Führer kommen. So landen sie oftmals in den Fängen von Arabern, die hier, obwohl sie sich nicht auskennen, den Einheimischen mit Dumping-Preisen die Kunden abwerben.

Deshalb hier meine ehrliche Bitte an alle, welche die Wüste besuchen wollen: Finger weg von solchen "All Inclusive Angeboten". Man kann die Wüste nicht besuchen wie einen Adventure-Park im Shoppingcenter. Bitte nur nachhaltig reisen - die Natur dankt es euch.

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Der Pass am Tor zur Wüste; © Bruno Heter, 2024

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Der Pass am Tor zur Wüste; © Bruno Heter, 2024

Soundtrack-Empfehlung: OUM Taragalte (Soul of Morocco) - ich empfehle das Offizielle Video auf Youtube, auch der Bilder wegen.

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