"Es wird alles gut, mon cœur, versprochen."

Dankbar erwiderte ich sein Lächeln, dann stiegen wir aus und liefen zu Estebans Haus, in dem die Party stattfinden sollte. Entschlossen drückte Pierre die Klingel, dann griff er nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander, was mich sofort ein wenig ruhiger werden ließ.

Als die Tür geöffnet wurde hielt ich automatisch einen Augenblick lang die Luft an.

Esteban starrte uns überrascht an, sein Blick wanderte zwischen unseren Gesichtern und unseren verschränkten Händen hin und her, dann begann er zu meiner grenzenlosen Erleichterung schwach zu lächeln.

"Sieht aus, als hättet ihr mir was zu erzählen. Aber kommt doch erstmal rein."

Wir folgten seiner Einladung und betraten das Haus, schälten uns aus unseren Jacken und liefen dann zusammen mit dem Gastgeber ins Wohnzimmer. Als wir es betraten, hörte ich sofort ein überraschtes Japsen und bemerkte Elena, die Pierre und mich mit großen Augen anstarrte. Ich erwiderte ihren Blick mit einem vorsichtigen Lächeln.

"Die meisten von euch kennen Pierre und Lou ja noch von früher beziehungsweise von meiner Geburtsfeier vor ein paar Monaten", sagte Esteban in die Runde, ehe er sich uns mit einem schelmischen Grinsen zuwandte, "Wie genau hattet ihr eure große Verkündung geplant? Mit einer Rede oder einem Kuss?"

Anstelle einer Antwort, drehte Pierre meinen Kopf sanft aber bestimmt in seine Richtung und küsste mich und beinahe sofort brach lauter Jubel im Wohnzimmer aus, der mich unwillkürlich in den Kuss hinein grinsen ließ. Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, begrüßten wir alle Gäste, unter denen viele unserer Kindheitsfreunde waren, die Pierre lange nicht gesehen hatte. Und dann standen wir schließlich vor Esteban, der mich ernst ansah.

"Ich hoffe es ist okay, dass Pierre mich mitgebracht hat", begann ich zögerlich, bevor ich leise seufzte und tief durchatmete, "Es tut mir Leid, Esteban. Ich wollte dich nicht enttäuschen und ich weiß, dass es falsch war, was ich getan habe. Pierre hat mir verziehen, aber ich kann verstehen, wenn du es nicht tust."

"Wenn er dir verzeihen kann, kann ich dir erst recht verzeihen Lou, schließlich war er in erster Linie Opfer deiner Lügen. Ich freu mich, dass ihr wieder zueinandergefunden habt, ihr seht glücklich aus."

"Das sind wir auch. Und wir sind glücklich heute Abend hier zu sein und mit dir und den anderen ins neue Jahr zu starten."

"Perfekt, dann sind wir alle glücklich", sagte Esteban, bevor er mich in eine feste Umarmung zog, die ich nur zu gern erwiderte.

Auch Pierre und Esteban umarmten einander und dieser Anblick brachte mich zum lächeln. Wir waren wieder vereint, alle drei. Immer noch die gleichen Kinder von damals, nur jeder mit wesentlich mehr Gepäck aus den vergangenen Jahren. Aber das war okay, es war Teil des Lebens und ich war einfach nur froh, dass wir uns jetzt alle wiederhatten.


~~~


"Hey, ich hab dich schon gesucht. Nicht, dass du noch den Countdown verpasst."

Überrascht drehte ich mich um und entdeckte Pierre, der offensichtlich auch den Weg auf Estebans Terrasse gefunden hatte, wo ich seit ein paar Minuten stand und in den wolkenverhangenen Nachthimmel starrte.

"Keine Sorge, ich hab die Uhr im Blick", entgegnete ich und lächelte, als Pierre hinter mich trat und seine Arme um mich legte.

"Ich hab dich auch noch wegen etwas anderem als dem Countdown gesucht", gestand mein Freund nach einigen ruhigen Augenblicken und ich drehte überrascht den Kopf in seine Richtung.

"Ach ja? Und wieso?"

"Ich hab noch was, was ich dir geben wollte, bevor das neue Jahr beginnt. Unser erstes gemeinsames Jahr nach all der Zeit."

Seine Worte bescherten mir eine Gänsehaut und ich löste mich neugierig aus seiner Umarmung, um mich richtig zu ihm umdrehen zu können. Zu meiner Überraschung griff Pierre in die Innentasche seiner Jacke und zauberte wenige Sekunden später einen Gegenstand darauf hervor, der mir noch so vertraut war wie vor sechs Jahren, als ich ihn Pierre zurückgegeben hatte.

Es war mein alter Verlobungsring.

"Was... was machst du da? Pierre, ich glaube nicht, dass wir schon...", sagte ich stockend.

Sanft griff Pierre mit seiner freien Hand nach meiner und drückte leicht zu.

"Warte, hör mir erstmal zu. Du musst nichts antworten, denn ich werde nicht auf die Knie gehen und eine Frage stellen. Lou, ich wollte schon seit ich mich damals in dich verliebt habe, den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Und ich brauche keine Hochzeit und keinen Trauschein, ich brauche nur dich und die Gewissheit, dass wir für immer zusammen sein werden. Dieser Ring war für dich bestimmt, er gehört dir. Und er soll nicht bloß ein Verlobungsring sein, er soll das Versprechen symbolisieren, dass wir einander immer lieben werden, selbst wenn einer den anderen gerade hasst. Weil wir aus unserer Vergangenheit gelernt haben, dass wir trotz allem zusammengehören. Ich liebe dich, mon cœur. Das habe ich immer, das tue ich jetzt gerade und das werde ich bis in alle Ewigkeit. Und dieser Ring bedeutet nicht, dass wir morgen ein Hochzeitsdatum aussuchen oder dass wir nächste Woche eine Tischordnung besprechen. Er bedeutet, dass - egal was geschehen ist und was noch geschehen wird - ich dich wähle, dich unterstütze und dich liebe."

Mit Tränen in den Augen erwiderte ich Pierres liebevollen Blick, dann ließ ich zu, dass er meine Hand zu sich zog und mir den Ring auf den Finger schob, der immer noch genauso perfekt passte wie damals. Aber vor fast sieben Jahren, als ich ihn zum ersten Mal bekommen hatte, hatte er sich - so ungern ich mir das eingestehen wollte - schwer angefühlt, beinahe wie eine Last. Heute dagegen fühlte er sich wie ein Befreiung an, wie eine Versicherung, ein Versprechen, dass alles gut werden würde.

"Ich will dich immer noch heiraten Lou, aber wir haben Zeit und wir werden sie brauchen, um uns als Paar zu organisieren und gemeinsam zu entwickeln. Uns steht eine Fernbeziehung bevor und die Vergangenheit ist zwar vergeben, aber wird niemals vergessen sein. Ich will dir mit diesem Ring aber jetzt schon versprechen, dass wir es zusammen schaffen werden und dass wir eines Tages noch diese Hochzeit haben werden, von der wir so lange geträumt haben."

Ich nickte, lächelnd und gleichzeitig mit Tränen in den Augen, dann schaute ich Pierre ernst an.

"Ich liebe dich. Das habe ich immer und das werde ich immer und ich kann es kaum erwarten, den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen. Dieses Mal ohne Geheimnisse und Lügen, sondern mit Wahrheit und Ehrlichkeit. Versprochen."

Pierre erwiderte mein Lächeln, dann zog er mich zu sich und küsste mich so liebevoll, dass meine Knie wahrscheinlich nachgegeben hätten, wenn er mich nicht festgehalten hätte. Genau wie er legte auch ich all meine Gefühle und alles, was ich nicht in Worte fassen konnte, in diesen Kuss, der meinen gesamten Körper zu elektrisieren schien.

Die Welt fühlte sich in diesem Moment wie ein Puzzle an, dessen Teile sich nach und nach richtig zusammensetzten. Ich bezweifelte, dass dass Puzzle irgendwann komplett sein würde, denn so funktionierte das Leben meiner Ansicht nach nicht. Es lag noch eine Menge Arbeit vor mir, vor uns.

Die Wunden der Vergangenheit waren noch nicht alle verheilt, bei keinem von uns beiden. Aber die Zeit würde helfen und dank der zweiten Chance, die Pierre mir gab, hatten wir davon noch eine Menge zusammen.

Ich denke manchmal brauchen wir eine zweite Chance im Leben, weil wir bei der ersten noch nicht soweit waren.

Das hier war meine zweite Chance und dieses Mal war ich mehr als bereit.





~ La fin ~

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now