La maschera del destino

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Erst mit der zweiten Welle erreicht mich der Inhalt ihrer Worte. Die Wucht ist so heftig, dass ich rückwärts taumel, einen Schritt näher ans Feuer. „Meinen Sie diese Maske?" Völlig verdattert zeige ich mit dem Zeigefinger auf die Stelle zwischen meinen Augen.

„Si, und er jagt sie - bis er sie besitzt und sie ihm gehört. Es gibt kein entrinnen." Sie spricht nach vorn gebeugt zu ihrem Garn, als würde sie ihm eine alte Geschichte erzählen und als wäre ich nur warme Luft, die zufällig mit ihr im gleichen Raum herumwabert. „Aber traue ihm niemals, mai in nessun caso."

Mein Mund ist trocken, zitternd nehme ich einen weiteren Schluck, trotz der Hitze. „Erzählen sie mehr!", bitte ich und hoffe, dass sie weitererzählt.

Und die alte Frau wiegt in ihrem Sitz vor und zurück und erklärt mit leiser Stimme:

„Der Doge von Venedig wählt jedes Jahr eine Partnerin, die ihn in seine Welt begleitet. Aber eine Wahl ist es nur für ihn. Für alle anderen ist es eine Jagd."

Mich zittert, als hätte mich eine heftige Grippe mit Schüttelfrost erwischt, dabei habe ich es selbst erlebt und trotzdem purzeln die Fragen in meinem Kopf wild durcheinander.

„Warum jedes Jahr? Was passiert mit den Frauen, die er wähl... äh jagt?"

„Kind, da fragst du viel. Aber diejenige, die der Doge wählt, ist auserwählt, denn die anderen Frauen werden zu Tode gehetzt, nur zur Unterhaltung des Adels."

„Was für Adel?" Von welchem Jahrhundert redet sie denn? „Es gibt doch gar keinen Dogen mehr!"

Ihr Kopf fährt mit einem Ruck nach oben. „Certo che c'è! Reiche Leute, Männer der Kirche, Politiker, Anwälte, Männer von überall her." Sie klingt regelrecht aufgebracht.

„Und die Carabinieri?", hauche ich heiser und führe die Tasse näher an meine Lippen. Ich weiß nicht, ob ich mehr an ihrem Verstand zweifel oder an meinem; anderseits; dieser Ball war mehr als merkwürdig.

Die Alte schmunzelt, als hätte ich einen Witz gemacht und schüttelt dann sacht den Kopf. „In dieser Nacht verschließen sie die Augen. Das ist Teil des Pakts."

„Welcher Pakt?" Ungeachtet der Hitze umklammern meine Finger die heiße Tasse. Ich spüre meinen Puls, der in den Handgelenken pocht. Die Mischung aus Wut, Angst und Grauen, die sich in mir staut, ist unerträglich.

„Ragazza, non lo so. Die, die davon wissen, müssen sterben." Sie sieht mich an und im Schein des Feuers blitzen ihre braunen Augen wie Bernstein. „Man nennt ihn deshalb auch den Pakt der Stille."

Ich atme tief in die bauchige Tasse. Mein Atem vermischt sich mit dem Dampf und legt sich wie ein Schleier über meine Augen. Es kribbelt in meinen Händen und ich habe das Gefühl, die wichtigste Information verpasst zu haben. Das Pochen hinter meinen Schläfen ist unerträglich, der Schmerz ist wie ein Klagen unter meiner Schädeldecke, das mir die Tränen in die Augen treibt. Ich beiße die Zähne aufeinander. „Was heißt das? Mit in seine Welt nehmen? Und wer ist der Doge überhaupt?"

Die Alte lächelt und nickt, ihre Stricknadeln klappern und sie wackelt im Takt dazu mit dem Kopf. Ich fürchte fast, sie antwortet nicht mehr, als sie endlich spricht:

„Mia raggazza, er und die seinen sind hier, schon ewig. Angelockt von der Sonne und dem Wasser, die unsere Stadt reich beschenken. Sie sind die High Fae, die höchste Rasse der Feenwesen, die seit Jahrtausenden die Welt beherrschen. Manche sagen, sie haben die Macht, Elemente zu bändigen, Zeit zu manipulieren, Gedanken zu lesen oder die Realität zu verändern. Aber weißt du was? Das haben sie gar nicht nötig. Schon seit Jahrhunderten haben sie sich in den Räten organisiert, die Politik gelenkt und Geschichte geschrieben, wie es ihnen gefällt. Und Lucian Caccia ist ihr Anführer. Seit es keine weltlichen Dogen mehr gibt, ist er der Doge Venedigs."

Die Maske des Dogen - das Geheimnis von VenedigWhere stories live. Discover now