Mit zitternden Händen überprüfte Minerva den Puls. Dieser schlug immer noch gleichmäßig und stark, welch ein Glück. Erleichtert atmete sie aus. Allein die Vorstellung, dass Syabylliana gestorben sein könnte, hatte ihr eine höllische Angst eingejagt. Wenn sie einen genaueren Blick warf, wirkte ihre Lehrerkollegin gar nicht so verletzt. Sicher, wenn dieses Etwas, das die Scheibe zerschlagen hat, sie auch getroffen hat, war es keine Kleinigkeit, aber bis auf ein paar kleine Wunden an den Händen und im Gesicht schien alles in Ordnung zu sein. Allerdings hätte es auch viel schlimmer ausgehen können, da war sich Minerva sicher. 

"Syabylliana? Geht es dir gut?", flüsterte sie zärtlich. Dass sie dabei den Namen nutzte, den sie sonst nur in Gedanken nutzte, fiel ihr gar nicht auf. 'Wache auf, oh, wach bitte auf', fügte sie in Gedanken hinzu, auch wenn sie sich es nicht auszusprechen traute. 

Syabylliana stöhnte und schlug die Augen auf. Ihr Kopf dröhnte und sie wusste nicht annähernd, wo oben und wo unten war. Alles schien ihr zu schmerzen und ihre Sicht war verschwommen. Was war nur geschehen? Durch den dichten Nebel der Verwirrung, der sie zu umgeben schien, vernahm sie eine Stimme, die nur allzu bekannt war. "Syabylliana? Geht es dir gut? Hörst du mich?" Auch wenn sie sonst nichts um sich herum bemerkte, so ließ allein das Wahrnehmen dieser Worte sie lächeln. 

Als Minerva das Lächeln sah, beruhigte sie sich ein wenig. Syabylliana war offensichtlich bei Bewusstsein und die kleinen Wunden würden auch schnell wieder geheilt sein. Dennoch, es hätte so viel Schlimmes geschehen können, dass derjenige, der das getan hatte, sofort von der Schule verwiesen werden würde. Dass es einer der Schüler sein musste, die etwas ins Fenster geworfen hatten, war für sie von Anfang an klar. 

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein vollkommen zerzaustes Mädchen stürmte herein. Von Mädchen konnte man dabei kaum sprechen, denn eigentlich war Ginny Weasley schon achtzehn Jahre alt, doch da sie mehrmals durch die Prüfungen gefallen war und da ihre Familie tot war, sie keine andere Unterkunft hatte, war sie einfach Schülerin auf Hogwarts geblieben. Minerva war von Beginn an nicht davon begeistert gewesen, aber weil so viele Lehrer und beinahe alle Schüler von ihr begeistert waren, hatte sie es zugelassen. 

"Oh, nein! Sie ist nicht ... Ist sie ...? Ihr geht's doch gut, oder? Oh, hoffentlich habe ich sie nicht getötet! Oh nein, das tut mir so leid!" Ginny schlug die Hände vors Gesicht. Einen Lehrer töten - das war das Allerschlimmste, was sie nur tun konnte! Jetzt würde man sie von der Schule verweisen! 

"Sie lebt. Aber es ist dennoch ein schweres Vergehen, Miss Weasley. Was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung zu sagen?" Dass Minerva ihr nicht verzeihen würde, stand von Anfang an klar. Sie ließ ihren Schülern viel durchgehen, solange sie nur einen guten Grund hatten, aber das war zu viel des Guten. "Und was haben Sie überhaupt an?" Erst jetzt war ihr aufgefallen, wie wenig bekleidet die Schülerin war. 

Ginny blickte an sich herunter. Unterwäsche und der Schulmantel waren tatsächlich nicht sehr viel, aber die Wahrheit konnte sie sicher nicht sagen. Wie sollte sie auch ihrer Hauslehrerin und großen Unterstützerin sagen, dass sie ihr Vertrauen schamlos missbrauchte und unanständige Geschäfte machte, um Geld für ihr späteres Leben zu verdienen? Oh, hätte sie sich bloß nicht auf diesen Handel mit diesem süßen Jungen eingelassen, in dieser Bekleidung mit ihm Quidditch zu spielen. Andererseits waren acht Galleonen und drei Sickel als Bezahlung genug gewesen, um sich überreden zu lassen. 

"Nichts, ich gehe dann lieber mal." 

"Nein. Du bleibst hier." Minerva war wütend, was bei ihr äußerst selten vorkam. Um sie zur Wut zu bringen, musste es jemand schaffen, das Unvorstellbare wahr zu machen. Aber dieses Benehmen war absolut Nichts, das sie an der Schule tolerieren konnte. 

"Ich glaube, da warten schon die ersten Schüler für die Stunde, also ..." 

"Also sagst du ihnen, dass sie eine Stunde Ausfall haben, allerdings sollten sie fleißig üben in der Zwischenzeit bis zur nächsten Stunde." Minerva gab sich die größte Mühe, sachlich und unparteiisch zu klingen. Sie konnte niemanden verurteilen, ohne die ganze Wahrheit zu wissen. 

~~~~~NESC 2023~~~~~Where stories live. Discover now