Die Erweckung des Herzens

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Ohne auf meinen gerade noch erschöpften Zustand zu achten, lief ich auf sie zu, rannte die letzten Meter beinahe und fiel dem Jungen mit dem seidig braunen Haar und den niedlichen Hamsterbacken stürmisch um den Hals.

„Jisung! Dem Himmel sei Dank, du bist es wirklich. Ich-Ich hab dich so vermisst." Zwar hatte ich tief in meinem Inneren genau auf diesen Augenblick gewartet, doch nach meiner letzten Unterhaltung mit Minho war ich nicht der Meinung gewesen, er könnte unsere Hoffnungen so schnell wieder Realität werden lassen. Meine Arme schlangen sich fester um Sungies Hals, bevor ich realisierte, dass mein Gegenüber kaum reagierte. Erst nach einigen Sekunden legte er zögernd die Arme um mich und erwiderte die Umarmung.

Als ich bemerkte, dass ihn mein Übermut überforderte, löste ich mich rasch, trat einen Schritt zurück und betrachtete Jisung ganz genau. Er sah aus wie immer, so vertraut und dieser Moment war schlichtweg überwältigend. Noch während ich meinen besten Freund endlich wieder lebendig und munter vor mir hatte, begannen die Tränen ungehindert über meine Wangen zu laufen. Die braunen Augen meines Gegenübers weiteten sich und dann hob er seine Hand, um die Tränen aufzufangen. Seine Finger streiften zart meine Haut und sein Adamsapfel bewegte sich, als er schwer schluckte und irgendwie entschuldigend zu mir blickte.

Dann legte Satan Jisung eine Hand auf die Schulter und sprach mit dieser liebevollen, ruhigen Stimme, die ich bisher nur einmal gehört hatte – nämlich als ich ihn an dem Abend von Jisungs Beisetzungszeremonie belauscht hatte.

„Jisung, ich weiß, du erinnerst dich nicht, aber das ist Felix. Er ist dein bester Freund und er war es auch schon, bevor all das mit mir passiert ist."

Der Braunhaarige wandte sich zu Minho und blinzelte ihn verwundert an, anschließend blickte er zurück zu mir.

„Felix", murmelte er leise und ich nickte eifrig. „Ja, wir sind schon seit unserer Kindheit befreundet und wir haben die größten Dummheiten zusammen angestellt." Ich lächelte, als ich mich an unsere bisher größte Unvernunft erinnerte: Die Beschwörung, die uns schlussendlich all das Leid und die Freude beschert hatte und die nun unser Leben bestimmte.

Noch immer starrte mich Jisung verblüfft an, doch dann sah ich einen Hauch der Erkenntnis aufblitzen.

„Hast du mit mir die Graffiti gemacht?", fragte er unsicher. „Ich habe gestern beim Sprayen eine Stimme gehört, die so klang wie deine."

Ich lachte erleichtert, da offenbar doch etwas von unserer gemeinsamen Zeit in seinem Gedächtnis verankert zu sein schien und nickte eifrig. „Ja, ja wir waren sehr oft zusammen unterwegs."

Schüchtern lächelte mich der Braunhaarige an, musterte mich aufmerksam und blickte dabei hinab zu meinem Bauch. Natürlich wuchsen seine hübschen, braunen Augen beinahe auf Tellergröße und dann stammelte er.

„Du- du bist-" Offenbar wagte er es nicht einmal auszusprechen. „-schwanger." Beendete ich den Satz freimütig und griff selbstsicher nach Changbins Hand, der dicht neben mir stand.

„A-aber wie ist das möglich?"

Minho trat dichter zu Jisung, legte beruhigend eine Hand um dessen Taille und zog ihn näher zu sich. Es erstaunte mich, wie entspannt Jisung dabei wirkte, obwohl Minho für ihn ebenso fremd sein musste wie ich. Zwar vermutete ich, dass viele Erinnerungen noch unterbewusst vorhanden waren, dennoch konnte mein bester Freund bisher nicht auf alle zurückgreifen. Dies bestätigte Minhos Theorie, die er mir gegenüber damals geäußert hatte. Trotzdem wollte ich dem Braunhaarigen nun seine Frage beantworten.

„Ich bin kein gewöhnlicher Mensch, ich bin ein Naphil, das ist ein Mischwesen aus Engel und Mensch." Und da wir ohnehin bei der Wahrheit waren: „Und das ist mein Partner, Changbin... naja, eigentlich Lucifer, der jetzt Gott ist." Jisung betrachtete mich vollkommen ungläubig und überfordert, als hätte ich ihm soeben offenbart, ich wäre ein pinker Flamingo.

Dancing with Demons 2. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt