VII. Ein Herz im Käfig

Start from the beginning
                                    

Aber für mich war sie auch meine Freundin und meine Mutter.

„Ich weiß."

Ein Seufzer entrang sich Majdas Lippen. „Bitte bring dich nicht in Gefahr, Chaja."

„Erzähl du mir nichts über Gefahr." Sie zwang sich zu einer gewissen Belustigung in ihrer zittrigen Stimme.

Damit zauberte Chaja zwar ein Grinsen auf Majdas Gesicht, aber ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich sofort wieder. „Ich meine es ernst."

„Ich passe schon auf mich auf, versprochen." Dass andere mich nicht in Gefahr bringen werden, kann ich allerdings nicht versprechen.

Majda lächelte sanft und Chaja wandte sich wieder ihren Haaren zu. Das war etwas, das sie immer geliebt hatte. Es war mittlerweile zu ihrem allabendlichen Ritual geworden, sich gegenseitig ihre Zöpfe zu flechten.

„Meinst du ...", Majda brach wieder das Schweigen, „... hat Davor jemals erwähnt, dass er eine Frau hat?"

Beinahe wäre Chaja das Haar aus den Fingern gerutscht, was die Frisur ruiniert hätte. Sie schluckte. „Nein. Warum sollte er?"

2Ich habe gestern Abend etwas Seltsames gesehen." Majdas Wangen röteten sich, während sie sprach, und Chaja bemühte sich, den Blick auf ihr Spiegelbild zu meiden. „Ich konnte nicht schlafen und bin durchs Haus gewandert. Kurz fürchtete ich sogar, Karatschuns Stimme draußen zu hören. Wie in dem Märchen. Albern, nicht?"

Ganz und gar nicht. Zumindest nicht für Chaja. Die Zeit, in der sie über die Gefahren des Unbekannten und Unsichtbaren gescherzt hatten, war vorbei, und die Besonnenheit, die an ihre Stelle getreten war, war bereits in dem Moment zusammengebrochen, als die Geschichten mit dem Flüstern im Wald wahr wurden.

Majda schüttelte den Kopf. „Ich hab gesehen, dass die Tür zum Gästezimmer nur angelehnt war. Beide haben geschlafen, also wollte ich sie schließen. Und dann sah ich es..." Ihre rosigen Finger berührten ihre Drosselgrube, als ob sie es dort selbst spüren könnte. „Eine Halskette, die einen Buchstaben der Heiligen Schrift hielt. Ich konnte es nicht richtig sehen. Was, wenn es der Namen seiner Geliebten ist, den er da Tag und Nacht über seinem Herzen trägt?"

„Vielleicht nur ein Talisman. Warum interessiert dich das überhaupt?" Chaja hielt inne und ließ den fertigen, dicken Zopf aus ihren gefühllosen Fingern gleiten und Majdas Rücken hinunterfallen. „Du hoffst, ihn zu heiraten", flüsterte sie.

„Du lie...", fuhr sie fort, aber sie konnte sich nicht überwinden, es auszusprechen. Dieses furchtbare Wort blieb irgendwo zwischen Mund und Geist stecken. Nein, das willst du nicht. Das kannst du nicht. „Du weißt nicht einmal, wer sie sind."

Jetzt wandte sich Majda auf ihrem Hocker um und blickte ihr direkt ins Gesicht. „Und? Ich weiß, ich sehe, ihre Rechtschaffenheit, ihre Gesundheit und ihre edlen Kleider. Auch ohne einen richtigen Titel ist das mehr, als ich erwarten kann. Es sind gute Menschen. Er ist ein guter Mensch."

Kannte sie Majda nicht mehr? Wer war die Fremde vor ihr, mit diesem Feuer in den Augen, das sich am Abend von Davors Ankunft entzündet hatte, und der Entschlossenheit, die in ihre zarten Züge geschrieben stand und die sie so stolz getragen hatte, als sie zum Tempel gegangen war? Wer war sie? Denn ihre Majda konnte es das nicht sein.

Sie hätte sich weder für die besten Kleider, Juwelen und den Luxus von Bielograd von ihrer Familie abgewandt, noch für das goldene Haar, die eisblauen Augen und die oberflächlichen Versprechen eines flinkzüngigen Dämons.

„Was ist mit Mladen?", fragte Chaja, ihre eigene Stimme wie weit entfernt. Was ist mit uns allen? Was ist mit mir?

„Was ist mit Mladen?"

Vom Tode unberührtWhere stories live. Discover now