Im Fegefeuer

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Sie drehte sich um und blickte mir interessiert entgegen. „Und wie machen wir das, kleiner Mensch?"

Ich schluckte und blickte ihr dann fest in die Augen.

„Wir müssen den Leviathan befreien."

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Mit gehetztem Blick sah ich um mich, rannte über das brennende Feld und versuchte mit Abbadon mitzuhalten, die vorauseilte und uns nebenbei den Weg freihielt.

Wer hatte mich eigentlich davor gewarnt, dass das Fegefeuer kein friedlicher Ort war und man nicht ohne genügend Training und Überlebenstechniken hierherkommen sollte?

Ja, richtig. Niemand.

Ich atmete bereits schwer von dem langen Lauf und die stickige Luft machte es zusätzlich ätzend. Meine Lunge fühlte sich an, als stünde sie bereits in Flammen und noch immer war ich bemüht, nicht den Anschluss zu verlieren. Das größte Problem waren nämlich nicht die Hitze oder die damit verbundene Sauerstoffknappheit im Fegefeuer, sondern die umherirrenden Seelen, die teilweise vollkommen hoffnungslos ihre Arme nach mir ausstreckten und wie verrückt an mir zerren wollten, wenn ich ihnen zu nahe kam.

Ich verstand nun, dass dieser Ort nicht unbedingt half, irgendetwas zu reinigen. Er machte einen genauso verrückt und mir taten die Wesen leid, die hierher gelangt waren und wahrscheinlich schon nicht mehr wussten, wieso sie hier waren und was sie taten. Einige von ihnen starrten nur apathisch vor sich hin, während wir vorüberliefen, aber andere versuchten sich uns tatsächlich in den Weg zu stellen und einige griffen uns offen und feindselig an, wollten uns überwältigen oder ihren Schmerz lediglich an irgendjemandem auslassen. Es war auf eine kranke Art und Weise wohl ihr Weg sich mitzuteilen.

Nun war ich sehr froh, Abbadon bei mir zu haben. Der Ritter der Hölle schien genau zu wissen, wie man diesen Wesen auswich und wann ein Kampf unvermeidlich war.

Gut, eigentlich gab es nie einen richtigen Kampf. Denn das Schwert und die Kampftechnik des Dämons waren so ausgeklügelt, dass keine der Seelen eine reelle Bedrohung darstellte. Ich war jedes Mal beeindruckt, wenn einer dieser Wahnsinnigen sich auf uns stürzte und die Frau einfach mit einem gezielten Schlag ihrer Faust oder einem raschen Tritt die Gegner aus unserer Reichweite beförderte. Sie ließ sich nie auf lange Kämpfe ein, sondern hielt nur den Weg frei, sodass wir rasch vorankamen.

„Es ist nur noch ein kleines Stück bis zum nächsten Plateau!", rief sie mir über die Schulter zu, während ihre Schritte schneller wurden und sie einem der Sünder mit voller Wucht ihren Schwertknauf gegen die Schläfe donnerte, sodass er zu Boden sank, wo ihn die Flammen in ihrer Obhut hielten.

Schwer atmend beschleunigte ich meine Schritte und dachte einzig und allein daran, dass ich Hyunjin retten musste. Nur dieser Gedanke ließ mich überhaupt durchhalten und ich würde nicht kampflos aufgeben. Indem ich mein letztes bisschen Kraft bündelte, rannte ich dem Dämon nach und sprang dann mit etwas Anlauf auf einen Felsvorsprung, der uns endlich von der Ebene des Feuers trennte. Dahinter kam gleich ein Abgrund und von dort stieg erneut der weißliche Nebel auf.

Tief atmete ich durch, auch wenn die Wärme eine richtige Erholung verhinderte und drehte mich zu Abbadon um.

„Wie weit noch?", japste ich und traute mich kaum, zurückzublicken. Mir hatte dieser Lauf und das, was ich gesehen hatte mehr als gereicht. Zwar hatte ich mich bemüht, den hier gefangenen Gestalten nicht zu nahe zu kommen, geschweige denn, sie wirklich kennenzulernen, doch die tiefe Verzweiflung in ihren Augen und die Verwirrung und sogar der Wahnsinn erinnerten mich schmerzlich an mich selbst. Als würde mir dieser Ort ständig einen Spiegel vorhalten wollen. Als würde er sagen, dass ich ebenso auf dieses Feld gehörte.

Dancing with Demons 2. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt