"Meine erste Mission?!" fragte ich panisch und fassungslos "Was bedeutet das? Was soll ich tun?". Beruhigend legte er einen Arm um meine Schultern "Atmen, Lu. Du schaffst das schon. Die Mission heute abend ist sozusage deine 'Abschlussprüfung' für den ersten Part unseres Trainings. Es ist auch nichts wo du kämpfen musst". Ich war immer noch leicht geschockt, weswegen ich leicht verzögert fragte "Was dann?". "Nur ein Botengang. Du bringst eine Nachicht von hier zum westlichen Stützpunkt, bleibst dort einen Tag und kommst morgen Nacht wieder zurück" erklärte er möglichst ruhig. Allerdings half das nicht viele, meine Gedärme zogen sich jetzt schon vor Aufregung zusammen und mein Puls beschleunigte sich bei dem Gedanken, der mir nun durch den Kopf schoss. Zögerlich fing ich wieder an zu reden "Ähm... also... dazu muss ich doch raus, oder? Also an die Oberfläche?". Alex schaute mich in einem Mix aus Misstrauen und Sorge an und nickte langsam. Mein ganzer Körper kribbelte vor Freude. Die Angst, die ich eben noch hatte, war wie weggewischt. Ich und vor allem mein Körper wollten mal wieder raus. Eine Frage war jedoch noch zu klären. "Allein?" wollte ich desshalb von meinem Trainer wissen. "Also ich komm nicht mit, falls du das meinst" erwiederte er "aber alleine lässt dich Colin natürlich auch nicht gehen, dafür bist du viel zu wertvoll. Nein, wir schicken Bastian mit dir. Er ist gerade auch in seiner Ausbildung, ein Jahr älter und weiter als du. Er kann schon einigermaßen Kämpfen und hat sich freiwillig gemeldet, dass mit dir zu machen. Er ist okay". Doch irgendwie widersprachen sich seine Worte und sein Gesichtsausdruck, beziehungsweise seine Stimmlage. Es klang eher so, als würde er sich selbst einreden, dass dieser Bastian in Ordung ist, ihm aber in Wirklichkeit nicht wirklich über den Weg traut. Als ich Alex fragend anschaute, zuckte er nur mit den Schultern und sagte "Du lernst ihn nachher kennen. Versprich mir bitte nur, dass du auf dich aufpasst. Vertraue NIEMANDEM blind, okay? Nicht mal deinen eigenen Leuten". Na, dass war ja eine Ansage. Da hatte wohl jemand etwas gegen Bastian. Ob er so schlimm ist, wie mein Trainer mir versuchte gerade weiß zu machen, werde ich ja in wenigen Stunden wissen.


Alex erklärte mir bis zum Abendessen irgendwelche Taktischen Züge, doch ich hörte kaum zu. Mit meinen Gedanken war ich bei der Mission heute Nacht. Ich freute mich unglaublich, endlich mal wieder raus zu kommen, trotzdem erfüllte mich eine seltsame Anspannung und innere Ruhe. Wie die Ruhe vor einem Sturm. Mein ganzer Körper schien in dieser Stille betäubt. Ich nahm gar nicht wahr, was mein Trainer mir erklärte, ich nahm nicht wahr, wie meine schwitzigen, eiskalten Finger nervös mit einem kleinen Stück Papier spielten und am wenigsten nahm ich war, wie die Zeit verstrich. Es kam mir vor, als wären nur Sekunden vergangen, bis Alex sanft aber bestimmt mir das Papier zwischen meinen Fingern entwendete. Es war total zerknittert und eingerissen. Hatte ich das gemacht? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Fragen schaute ich zu ihm auf, worauf er antwortete "Es gibt jetzt Abendessen". "Abendessen? Schon?" fragte ich fahrig und mehr zu mir selbst als zu meinem Trainer. "Ja" antwortete dieser auf meine indirekt gestellte Frage "und danach lernst du Bastian kennen". Bei der Erwähnung von Bastian's Namen verzog er das Gesicht, als hätte er einen bitteren Geschmack im Mund. Das bemerte ich jedoch nur nebenbei, während ich langsam auf die Tür zuging. Jedoch hielt mich plötzlich Alex am Handgelenk fest. Verwirrt drehte ich mich zu ihm um und bemerkte, dass er unmittelbar vor mir stand. Er blies mir seinen Warmen Atem ins Gesicht und sein intensiver Blick schien durch Mark und Bein zu gehen. Als würde er mich wirklich sehen, meine Gedanken, Gefühle und Sünden. Weil ich dem Blick unmöglich standhalten konnte, wandte ich meine Augen ab und schaute stattdessen auf den Boden. Ich zuckte zusammen, als er auf einmal nach meinem Kinn griff und meinen Kopf vorsichtig hob. Wieder bohrte sich sein Blick in mich und er strich mir sanft von meinem Kinn zu meinem Ohr, wo sich eine Strähne aus meinem Zopf gelöst hatte. Sorgfältig schob er sie hinter mein Ohr, so sanft, als wäre ich aus Glas und könnte bei der kleinsten Falschen Bewegung in tausend Teile zerspringen. "Was ist?" schaffte ich es dann irgendwann trotz seiner Augen zu flüstern. Er zog ruckartig seine Hand zurück, als hätte er plötzlich einen Stromschlag bekommen. Wie gerade aus einem Traum erwacht schaute Alex mich einen Moment verwirrt an, dann sagte er "Es gibt Abendessen". Ohne ein weiteres Wort verließ er den Trainigsraum und ließ mich einfach stehen.


Während dem Abendessen schwieg ich hauptsächlich. Ich saß bei Alex aber nach dieser komischen Aktion von ihm... ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und auch er schien nicht gerade Gesprächsfreudig zu sein. Er traute sich irgendwie nicht mal, mich anzugucken, warum auch immer. Also ließ ich meinen Blick durch den Speisesaal schweifen, doch meine Augen blieben an zwei bekannten Gesichtern hängen - Dennis und Cat. Sie schienen sich angeregt über irgendetwas zu unterhalten, gestikulierten dabei wild und lachten viel. Irgendwo in Herzgegend fühlte ich einen leichten Stich. Gut, Cat sah ich jeden Morgen, aber Dennis hatte ich schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Seit meinem straffen Tagesablauf hatte ich auch kaum Zeit und abends war ich so müde, dass ich einfach immer sofort einschlief. Aber irgendwie war ich jetzt ein bisschen eifersüchtig auf Cat. Selbst beim Essen war er entweder nicht da oder aß bei Colin. Nur gerade heute, vor meiner Mission, setzte er sich mal wieder zum 'normalen Volk'. Aber nicht zu mir, nicht zu seiner festen Freundin. Leise seufzte ich auf wandte den Blick wieder ab. Ich konnte es nicht länger mit ansehen, wie viel Spaß er mit Cat hat. Zum Glück waren Alex und ich dann auch bald mit essen fertig und ich konnte endlich aus dem überfüllten Saal raus. Kaum war ich jedoch draußen, bekam ich schwitzige Hände. Gleich würde ich Bastian im Trainingsraum 5 treffen, Trainigsraum 1 schon belegt war. Dann würden wir unsere Taktik durchsprechen und sobald die Sonne untergegangen war, geht es los. Vorfreude und Angst zogen meinem Bauch zusammen und ich war unendlich froh, nicht so viel gegessen zu haben. Ich weiß nicht, ob ich es hätte drinnen behalten können. Nach einem beinahe unendlichen Gang kamen wir bei Trainingsraum 5 - auch T5 genannt - an. Alex schloss auf, wir betraten den Raum und setzten und im Schneidersitz auf den Boden. Mein Trainer bombardierte mich geradezu mit Blicken, die mich wohl an seine Warnugen gegenüber Bastian erinnern sollen. Allerdings beruhigten diese mich nicht gerade und ich wollte ihn gerade bitten, das zu lassen, als die Tür aufgerissen wurde und eine keuchende Stimme etwas außer Atem sagte "So hier bin ich. Sorry für die Verspätung, ich wurde aufgehalten". Ich wirbelte herum.


Ungläubig zog ich meine Augenbrauen hoch, als ich den Typen hinter mir erblickte. Wahrscheinlich dieser Bastian. Er sah einfach schonmal aus wie ein Aufreißer oder der klischeehafte Bad Boy. Groß, Muskulös, blonde Haare, die von hellbraunen Strähnen durchzogen waren, eiskalte blaue Augen, die diesen 'Fick-mich-Blick' hatten und harte Gesichtszüge. Dazu kam noch das superekelige, schmierige Grinsen das einem förmlich zuschrie 'Ich kann jede haben'. Und ja, er gehörte wahrscheinlich wirklich zu der Art Jungs, die alle haben konnten aber niemand bekam. Meine Mundwinkel wanderten nach unten. Mit diesem Heini muss ich bis morgen Nacht aushalten? Bitte nicht! Allein wegen seines Aussehens konnte ich langsam verstehen, wieso er Alex nicht geheuer war. "Naa Kleine?" fragte er mit anzüglicher, tiefer Stimme. Würg. Ich wandte mich Alex zu "Kann mich bitte nicht irgendjemand anderes auf meine erste Mission begleiten?". "Nein, tut mir leid" sagte er und man sah deutlich in seinem Gesicht, dass es ihm wirklich leid tat. "Komm schon, so schlimm bin ich doch jetzt auch nicht. Viele Mädels würden alles dafür geben, mit mir auf diese Mission zu dürfen" sagte er leicht beleidigt, während er sich zu uns auf den Boden setzte. Doppelwürg. "Tja, dann geh doch mit deinen Fangirls. Ich gehöre definitiv nicht dazu!" giftete ich ihn an und würde ihn am liebsten mit meinen Blicken töten. Das schien er zu bemerken denn er wich ihnen geschickt aus. "Das ist jetzt egal, streiten könnt ihr euch später" fuhr Alex dazwischen "Die Sonne geht bald unter, wir haben nicht mehr so viel Zeit". Ich seufzte "Du hast recht. Wie sieht der Plan aus?". Auch Bastian rückte etwas näher heran, um alles mitzubekommen. "Also" begann Alex "ihr beide werdet bei Sonnenuntergang loslaufen. Hier" - er drückte Bastian ein zusammengerolltes Papier in die Hand - "habt ihr eine Karte der Stadt. Die Bärenhöhle, der westliche Stützpunkt und alle Wachtürme sind darauf markiert. Eure Route müsst ihr selber wählen. Die Karte darf nicht in die Hände der Regierung fallen. Falls tatsächlich etwas in der Richtig passieren sollte, müsst ihr dafür sorgen, dass die Karte zerstört wird, bevor sie jemand falsches zu Gesicht bekommt. Davon hängt unsere Existenz ab, okay?". Bastian und ich nickten artig, deswegen drückte Alex mir dann den zweiten Zettel in die Hand. Als ich ihn fragend anschaute, antwortete er "Das ist deine Mission, die Botschaft. Bastian ist nur dein Begleiter. Bring sie sicher rüber, das ist wichtig. Und du darfst sie auf keinen Fall lesen, okay? Das ist wichtig". Ehrfürchtig starrte ich auf das zusammengefaltete Stück Papier in meiner Hand und nickte langsam. "Gut, dann ist noch zu sagen, dass ihr morgen noch in westlichen Stützpunkt bleibt und erst wieder bei Sonnenuntergang losgeht. Demnach dürftest ich spätestes übermorgen bei Sonnenaufgang hier ankommen. Alles klar". "Ja" antwortete ich mit fester Stimme. "Dann geht euch jetzt umziehen. Es geht in zwei Stunden los".

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