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Gleißendes Licht blendete die beiden Männer und in der Ferne grollte ohrenbetäubender Donner. Sie schauten sich aus schreckensgeweiteten Augen an, während sie das glatte Metall in ihrer Mitte unter ihren Fingerspitzen fühlten. Wie konnte das Unwetter so rasch aufziehen?

Bisher war die Sommernacht klar und warm gewesen und Sterne hatten den Halbmond beim Erhellen der finsteren Nacht unterstützt. Doch dann hatte sich die Hitze des vergangenen Tages jäh abgekühlt, Wolken waren aufgezogen und sie hatten alles hineintragen wollen. Aber Sekundenbruchteile später hatte sich ein Blitz aus der Wolkenwand gelöst und zerfetzte den Vorhang des Regens, der mit dem kräftigen Wind eingesetzt hatte.

Nun starrten sie ungläubig ins Gesicht des Gegenübers. Zeit und Raum schienen stillzustehen, als Hitze durch sie jagte. Dabei erzitterten ihre Muskeln und ihre Gesichtsausdrücke zerfielen unwillkürlich zu Grimassen, während sich ihr Blick festhielt. So würde sich das Ende anfühlen. Es gab keine andere Möglichkeit, denn ihre Herzen rasten, pochten wild gegen die Brustbeine der Männer, sodass sie aussetzen mussten.

Trotzdem sahen sie sich Sekunden später weiterhin an und pure Fassungslosigkeit spiegelte sich in ihren Gesichtern. Als würden sie in einen Spiegel blicken. Doch dann löste sich ein erleichtertes Kichern aus einer der Kehlen, während der andere Mann auf seine Hand schaute und stirnrunzelnd, beschienen von einem Blitz, die Brandblasen auf seiner Handfläche entdeckte. Er bestaunte sie kopfschüttelnd, ehe er wie in Trance den Blick wieder hob. Sie lebten!

Auch im Gesicht seines Gegenübers strahlte ihn diese Erkenntnis an. Noch immer spielte ein Lächeln um den Mund des anderen. Seine Augen huschten zu dem Blatt, das sie eingespannt hatten und er merkte, wie der zweite Mann seinem Blick folgte. Sein ungläubiger Laut übertönte kurzzeitig das Donnergrollen, als er bemerkte, dass es unversehrt war und die getippten Zeilen kräftig darauf prangten.

„Dem Himmel sei Dank. Nichts geschehen." Der rechte Mann nickte, unfähig, seine Verwirrung in Worte zu fassen. Aber dann schüttelte er den Kopf. Irgendwas hatte sich verändert, er konnte jedoch nicht benennen, was es war. Er versuchte, durch den Nebel in seinem Hirn zu dringen, doch er wurde abgelenkt, weil der Linke erneut sprach. „Komm, lass uns das Glück nicht abermals aufs Spiel setzen. Wir tragen besser unsere Habschaft hinein und versorgen die Wunden. Meine Füße fühlen sich an, als wäre ich über Glut gelaufen. Doch danach sollten wir weiterschreiben und unser Werk beenden."

Automatisch nickte der Zuhörende, während der Sprecher nach der Schreibmaschine griff. Seine Schritte verhallten, als er ihre Kostbarkeit ins Haus trug und Jack allein zurückblieb. Wie hypnotisiert schaute er auf den Holztisch und schluckte trocken. Dort wo ihre Tippmaschine gestanden hatte, zierte ein dicker schwarzer Rußfleck das Holz. Sogar Glutfünkchen schwebten etwas darüber und fielen auf den Tisch zurück, ehe sie verglühten. Kopfschüttelnd riss Jack seinen Blick los und wandte sich ab. Wenn dieses Buch kein Erfolg wurde, wusste er auch nicht...

Der Mann im MottenmantelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt