Vertauschte Rollen

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„Aufhören!", schrie ich und trat weiter zwischen die beiden. Ich sah in Changbins weiße Augen. Ich versuchte zu verstehen, was er gerade durchmachte und verstand, wie schlimm es für ihn sein musste, dass er im Augenblick erneut die Ernüchterung erfuhr, dass er nicht zum Herrscher über den Himmel geworden war. Noch zu gut konnte ich mich an unser Gespräch erinnern, an seine Entschlossenheit endlich seinen Platz einzunehmen und alles anders zu machen als sein Erschaffer. 

Und nun wusste ich nicht, ob ich ihn bedauern sollte, dass ihm sein erhoffter Ruhm nicht zuteilwurde oder lieber dankbar sein sollte, dass ihm diese Last nicht aufgebürdet wurde. Zwar wusste ich, dass Lucifer mittlerweile durchaus dazu imstande war, klüger zu entscheiden und vielleicht sogar ein gerechter Herrscher wäre, allerdings erkannte ich an seiner Reaktion gerade auch sein unnachgiebiges und selbstsüchtiges Gemüt.

Flüchtig blickte ich zu Jisung, der weiterhin bewusstlos dalag und stellte nüchtern fest, dass es besser Changbin getroffen hätte als ihn. Jisung war nicht bereit für sowas. Er war bisher ein Mensch gewesen, zwar mit einigen kleinen Zusätzen, aber größtenteils war er noch immer mein bester Freund. Ein viel zu junger Mensch, der so viel zu lernen hatte. Der Fehler machte und weder die Dynamik des Himmels durchschaute, noch die Intrigen der Hölle spinnen konnte. Er würde sich wie ein Neugeborenes unter Erwachsenen fühlen und ich hasste alles an der Vorstellung, dass es ihm zu viel werden könnte.

Er würde sich in dieser Rolle vollkommen allein fühlen, wenn ihm jetzt niemand half. Konnte man auf sowas überhaupt vorbereitet werden?

„Das ist absurd! Ein Menschenkind soll den Himmel lenken?! Selbst ihr werdet diesen Wahnsinn doch nicht mitmachen!"

Changbin schien momentan ausgesprochen streitlustig zu sein. Trotzdem er verzichtete darauf, erneut das Schwert zu heben und sein Glück mit Gewalt zu versuchen. Stattdessen begnügte er sich damit, Jisung vernichtende Blicke zuzuwerfen und meinen Vater anzuschreien.

„Ihr hättet diesen Zirkus verhindern müssen. Ihr wusstet es und habt es verschwiegen!"

Mein Vater verzog nicht einmal die Miene und Gabriel schien den tobenden Dämon gar nicht für voll zu nehmen, denn er hatte sich neben Jisung niedergelassen und untersuchte ihn offenbar. Von seinen Handflächen ging ein sanfter Schein aus und damit tastete er über Sungies Brust und prüfte auch seine Stirn.

„Ich kann mir vorstellen, dass du enttäuscht bist, Lucifer", antwortete Michael mit betont ruhiger Stimme und schob mich sanft zur Seite, um auf den Dämon zuzugehen. „Du wolltest schon immer diese Position. Ich schwöre bei meinem Leben, ich wusste nichts von diesem Plan, keiner von uns wusste es. Und ja, womöglich hätten wir dennoch etwas daran ändern können. Doch die Entscheidung ist gefallen und ich werde nicht zulassen, dass du sie zu deinen Gunsten änderst. Du weißt ebenso gut wie ich, dass dies weder Rechtens wäre noch gut für dich. Alles was geschieht, hat einen Grund."

Nun schnaufte Changbin verächtlich, seine Augen huschten von Jisung zu mir und ich bildete mir ein, er würde weiterhin abwägen, ob er schnell genug an Ji herankam, bevor ich ihn aufhalten würde. Schließlich war es ausgerechnet Minho, der seinen Bruder zur Vernunft rief. Er legte erneut eine Hand auf dessen Schulter und sagte mit rauer Stimme.

„Lass es gut sein, Lucifer. Die Schlacht ist vorüber. Wir werden jetzt gehen."

Vollkommen überrumpelt und vor den Kopf gestoßen, starrte ich den Teufel an und verstand beim besten Willen nicht, wieso er gehen wollte. Allerdings änderte das nichts daran, dass sich Satan umdrehte und nachdem er bemerkte, dass Lucifer ihm folgte, wollte er einfach gehen.

Es dauerte einige Sekunden, bis ich meine Fassung wiedererlangt hatte und mit etwas unsteter Stimme und verbittert fragte. Nein, eigentlich schrie ich es ihm anklagend hinterher.

Dancing with Demons 2. TeilWhere stories live. Discover now