Schockierende Wahrheit

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»Als ich dich das erste Mal sah, habe ich sofort deinen Schmerz gesehen, Lexi, ich wusste sofort, dass du so viel mehr verdient hattest! April war anders als du. Sie glich Holly, nur dass diese keine inneren Dämonen hat, so wie meine Frau es hatte.« Er räusperte sich. »Keiner konnte nach der Veröffentlichung verstehen, wieso ich ihr Verzeihen wollte, wieso ich kein schlechtes Wort über sie verlor. Ja, April war eine bewundernswerte Frau, die so viel Gutes getan hat, aber nur ich kannte ihre andere Seite. Sie musste als Kind so vieles ertragen, April war durch und durch eine gebrochene Seele. Ihr Ratgeber war nichts im Vergleich zu dem, wie es wirklich war.«
Und ich war schon geschockt darüber, was sie darin preisgab, dachte ich verlegen.

Er lachte wieder, aber diesmal schaute er nicht so bedrückt, er schaute eher nostalgisch.
»Eigentlich ist dieser ganze Ratgeber erstunken und erlogen. Hilfe zur Selbsthilfe...« Er schüttelte wieder lachend den Kopf. »So ein Quatsch!«

Meine Gesichtszüge entgleisten mir. Zum einen erklärte man mir, dass April ein fabelhafter Mensch war, aber auf der anderen Seite offenbarte man mir, dass sie eine treulose Lügnerin war. Was sollte ich denn nun glauben?

Ich stocherte in den vom Kellner gebrachten Gebäckstücken rum und versuchte meine Gedanken zu sortieren. Mein Blick schweifte durch den gesamten Raum und ich versuchte irgendwas zu finden, wo ich verharren konnte, aber das schlicht eingerichtete, menschenleere Café bot mir keinen Ausweg.
Also schaute ich Ryan wieder in die grünen Augen, worin ich mich mal wieder etwas verlor.

»Die professionelle Hilfe, die sie in Anspruch nahm, die harte Arbeit unsere Beziehung weniger kaputt zu machen - all das fand nie statt. Auch dass sie nicht mehr sterben wollte, war eine Lüge...«
»Oh, Ryan.« Ich konnte meine Tränen nicht mehr halten. »Das tut mir alles so furchtbar leid!«

Er nahm vorsichtig meine Hand und strich beruhigend darüber. »Das muss es nicht, Lexi. Ich kannte das alles schon von ihr. Sie hatte andauernd depressive Phasen, wo sie tagelang nicht aus dem Bett kam, nicht duschte, nicht aß. Im nächsten Moment war sie wieder total euphorisch, fing viele neue Projekte an, half anderen Menschen. Danach kam wieder das Tief. Sie hatte viel Zeitdruck mit den Deadlines ihrer Projekte, litt fast täglich an Panikattacken und Nervenzusammenbrüche. Das schlimmste waren für mich die daraus resultierenden Wutausbrüche. Ich konnte ihr in jeder Phase ihres Daseins beistehen - habe sie im Bett gewaschen, ihre Projekte unterstützt, sie schützend gehalten, wenn sie wieder von der Panik überrollt wurde. Aber jedes Mal, wenn sie mir gegenüber so ausfallend wurde, wenn sie zuschlug, ja, dann fühlte ich mich machtlos.«
Wieder kullerten die Tränen bei mir.
»Sie... Sie hat dich geschlagen?«, stammelte ich geschockt mit brüchiger Stimme.
»Ja, Lexi. Es tat nie wirklich weh, denn sie hat nie dolle zu geschlagen und oft konnte ich sie beruhigen, indem ich sie, in meine schützenden Arme nahm und bewegungsunfähig machte, aber sie hat es getan. Und trotzdem liebte ich sie abgöttisch und rein gar nichts kann daran was ändern.«

»Die Liebe ist unberechenbar, nicht wahr?«
Er pflichtete mir nickend bei.
»Ja, Lexi, und das ist der Grund, weshalb ich für dich ein besserer Mensch sein muss. Lexi, ich liebe dich sosehr, wie ich April einst geliebt habe und ich weiß, dass ich meine eigene schlimme Vergangenheit nicht an dir auslassen kann. Du hast es nicht verdient, so behandelt zu werden...«
»Ich liebe dich auch, Ryan. Aber...« Ich stockte. »Aber nach all der ganzen letzten Zeit... Ryan, Liebe reicht manchmal einfach nicht aus...« Die Worte ausgesprochen zu haben, erleichterte rein gar nichts. Ihm meine Gefühle geäußert zu haben machte alles ehrlich gesagt nur noch schlimmer.

Ich musste in sein verletztes Gesicht schauen, dabei an April denken und an mich. Nach wie vor fragte ich mich, ob ich nur ein Ersatz für ihn war. Auch wenn er sich bessern wollte, konnte ich das Vergangene einfach nicht vergessen.

I never thoughtWhere stories live. Discover now