Kapitel 3 - Aua.

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„Ja, ich bin nur übel nervös und ich glaube, ich komme nicht so gut mit absoluter Stille klar", gab ich zu und er lächelte.

„Vorm ersten Tattoo sind alle nervös. Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele ich habe und bin immer noch nervös, wenn mein Kollege mit einer Nadel auf mich zukommt. Kann das also gut nachvollziehen. Wir können gerne Musik anstellen und ich kann dir nen Stressball geben." Er kramte aus einem Schubfach einen Stressball in Panda-Einhorn Form raus und reichte ihn mir. Ich grinste und zerdrückte ihn. „Danke."

Und dann ging alles auch sehr schnell. Er machte noch kurz ein Foto von der Skizze und dann legte ich mich auch schon hin. Nachdem er dann noch einmal seine Handschuhe wechselte, legte er auch schon los. Die ersten paar Linien waren nicht so schlimm. Aber dann war es eigentlich nur noch die pure Folter. Es fühlte sich an, als würde er direkt mit einem brennenden Bohrer in meine Rippen drücken. Der Stressball half ein bisschen und ich weinte auch gar nicht so viel.

Sam lenkte mich aber auch ein bisschen ab, indem er ab und an kleine Geschichten von seinen Katzen erzählte und wie er die eine aus dem Tierheim adoptierte, obwohl sie nur drei Beine hatte. Oder auch von seiner letzten Animeconvention und wie seine Erfahrungen dort waren. Außerdem half es auch sehr, dass er mir mittendrin eine Pause gönnte, in der ich etwas trinken konnte und einen Moment verschnaufen konnte. In einer dieser Pausen sprach er an, was ich bereits befürchtete.

„Hör mal, ich bin vielleicht die wohl schlechteste Anlaufstelle für Beziehungsratschläge, aber ist das wirklich so ein Trennungs-Tattoo?" Er schüttelte nochmals die schwarze Farbe und füllte sie nach.

Ich seufzte und schaute weg. „Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Ich bin jetzt seit ein paar Wochen Single und zugegeben, mir geht es echt beschissen. Aber das Tattoo wollte ich jetzt einfach, eventuell auch um mich gut zu fühlen? Aber man hat mir schon häufiger vorgeworfen impulsiv zu sein."

„Ah, so einer bist du also." Er nickte und zerriss neue Küchenrolle für seinen Arbeitsplatz. Er schaute mich kurz an und bemerkte meinen fragenden Blick, ehe er ausführte. „Naja, viele Leute lassen sich einfach tätowieren, wenn sie traurig sind. Es gibt da einen Sound zu: „Don't be sad, go get a tattoo.". Du willst quasi die Kontrolle über dich selbst nicht verlieren und etwas tun, was du kontrollieren kannst. Einige Leute neigen da gerne auch mal zu selbstverletzendem Verhalten, andere machen Sport und dann gibt es die Leute, die sich tätowieren lassen. Macht genauso süchtig, weil das wohl angeblich genauso viele Endorphine ausschüttet." Sam zuckte mit den Schultern und wechselte noch einmal seine Handschuhe, während ich mich wieder hinlegte.

„Aber ich bin ja jetzt nicht depressiv oder so", gab ich zurück, bevor er wieder die Nadel ansetzte.

„Das kann ich nicht beurteilen, ob du eine depressive Grundveranlagung hast, aber du hast definitiv eine depressive Verstimmung. Wäre auch ein wenig beängstigend, wenn du die nicht hättest, so kurz nach einer Trennung. Jede Person geht da anders durch und solange du dich darum kümmerst, irgendwie über die Trennung hinweg zu kommen."

Die Stelle, an der er grade war, tat besonders weh, also zog ich einmal scharf die Luft ein und presste nur ein „Jap." hervor.

Sam find wieder an über etwas anderes zu reden, diesmal über einen Anime, von dem er behauptete, der könnte mir im Zweifel sehr gefallen. Er erzählte mir schon den gesamten Plot, meinte aber, man müsse die Animation gesehen haben. Und ehe ich mich versah, waren wir auch schon fertig und er klebte mir eine Art Folie auf. Er erklärte mir die Nachsorge und reichte mir einen Infozettel dazu. „Wenn du kratzt, jage und schlage ich dich."

Er sagte es mit so einer Selbstverständlichkeit, dass ich schon ein bisschen Angst bekam. War das überhaupt legal? „Jetzt erst recht nicht", gab ich zurück und reichte ihm das Geld. Das Brennen in meiner Seite war schon fies, aber ich war ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis und freute mich schon darauf, wenn es nicht mehr wehtat.

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