Wozu hat man ein Herz, wenn es nicht lieben kann?

97 15 67
                                    

Biancas Sicht:

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Biancas Sicht:

,,Wo ist eigentlich  Selina'', fragte Ashley nach, als wir alle gemeinsam im Restaurant saßen und uns etwas Essen bestellt hatten.

,,Keine Ahnung. Ich habe sie seit dem Check-In ins Hotel nicht mehr gesehen. Bist du nicht mit ihr auf einem Zimmer, Riley?'', erkundigte sich Kate bei ihr.

,,Schon, aber sie ist, kurz nachdem wir unsere Koffer ins Zimmer gebracht haben, zu Ally gegangen. Ich habe nichts mehr von ihr gehört.''

Merkwürdig. Das war normal gar nicht Selinas Art. Wenn wir etwas miteinander verabredeten, war sie immer dabei. Anscheinend schien sie heute Abend andere Pläne zu haben. Um ehrlich zu sein, hatte ich sie immer schon etwas beneidet.

Sie war klug und musste sich nicht viel anstrengen, um gute Noten zu schreiben. Sie brauchte kein Make-Up, da sie von Natur aus ziemlich hübsch war.

Selina bemerkte es wahrscheinlich nicht, aber die Leute drehten sich sehr wohl nach ihr um. Über die Wirkung, die sie auf andere hatte, war sie sich bestimmt nicht mal bewusst. Selbst meinen Freund schien sie nicht kalt zu lassen.

Ich bemerkte doch die verstohlenen Blicke, die er ihr zuwarf. Selbst ein Blinder musste sehen, dass er sie durchaus attraktiv fand. Ein inneres Gefühl sagte mir, dass es sich dabei nicht nur auf ihr Aussehen beschränkte.

Wenn man mit ihnen in einen Raum war oder gemeinsam mit ihnen sprach, war da eine gewisse Spannung in der Luft. Es kam mir vor, als lägen zwischen ihnen viele unausgesprochene Worte, die sie nicht aussprachen.

Als mein Salat kam, brachte ich kaum einen Bissen runter. Die ganze Situation nagte an mir und ich konnte es nicht sonderlich genießen, dass wir in Las Vegas waren und von unserem Tisch aus einen super Blick auf die funkelnde Stadt hatten.

Aubry hätte sich an diesem Anblick bestimmt nicht sattsehen können. Ich sah sie vor mir, wie sie mit verträumten Augen aus dem Fenster sah und auf die verschiedenen Gebäude deuten würde, die sie kannte. Ganz sicher hatte sie sich nach all diesen Jahren genauso wie wir äußerlich und auch charakterlich verändert. 

Sie würde mich dennoch genauso so sehr faszinieren wie damals, als ich 14 Jahre alt war. Sie hatte eben etwas an sich, das ich nicht so wirklich in Worte fassen konnte.

Ob es Ashley genauso ging, wenn sie an ihren Nick dachte?

Bevor die beiden zusammengekommen waren, waren sie nur gute Freunde gewesen. Erst dieses Jahr hatten sie sich getraut sagen, was sie jeweils für den anderen empfanden.

Allein das fand ich verdammt mutig. Man ging schließlich ein großes Risiko ein, wenn man nicht wusste, ob die andere Person für einen auch mehr als nur freundschaftliche Gefühle hatte.

Was ist wenn die Gefühle nicht erwidert wurden?

Dann könnte es passieren, dass eine lang funktionierende Freundschaft in die Brüche ging und man den Menschen verlor, der einem mal so wichtig war.

War es die Liebe wirklich wert, so ein Risiko einzugehen?

Ich wusste nur, dass ich nicht mutig genug gewesen war, um Aubry zu beichten, dass ich gerne mehr als nur Freundschaft mit ihr gehabt hätte. Vermutlich hätte sie mich dafür ausgelacht und meine Gefühle nicht erwidert.

So oder so wäre ich wahrscheinlich niemals eine Beziehung mit ihr eingegangen, weil ich es nicht ertragen hätte, wenn andere über mich getuschelt hätten. Das gleiche Geschlecht zu lieben, ging einfach nicht.

,,Darf ich dich etwas fragen, Ashley?'', erkundigte ich mich.

,,Klar, fragt ruhig'', meinte diese wohlwollend.

,,Woher wusstest du, dass Nick der Richtige für dich ist'', stellte ich ihr die Frage, bei der ich mich brennend für ihre Antwort interessierte.

,,Diese Frage kannst du dir nur mit deinem eigenen Bauchgefühl antworten. Du weißt es intuitiv einfach, dass es dieser Mensch ist, der dein Leben bereichert und dich glücklich machen wird. Ich habe nicht hinterfragt, ob Nick zu mir passt oder nicht. Ich wusste es, dass er derjenige ist, mit dem ich zusammen sein will. Ich habe schon ein großes Lächeln ins Gesicht bekommen, als ich nur an ihn gedacht habe. Es hat mich immer sehr nervös gemacht, als wir beide allein waren, weil da diese Anziehung ihm gegenüber war, bei der ich nicht wusste, wie ich diese kontrollieren soll. Ich war nahezu erleichtert, als Nick mir gestanden hat, dass er mehr für mich sein möchte als nur ein guter Freund. Die Schmetterlinge sind noch immer da, wenn ich ihn sehe. Ich habe immer noch in seiner Gegenwart eine Gänsehaut. Dieses Gefühl von Verliebt sein ist nicht verlogen, jedoch äußert es sich nicht mehr so stark auf diese intensive Weise.''

Ashleys Worte sorgten dafür, dass mir ein dicker fetter Kloß im Hals steckte. Ich konnte nicht auf mein Bauchgefühl hören.

Wenn ich dies täte, hätte mir dieses ziemlich deutlich zugeschrien, dass es Aubry war, die mich glücklich gemacht hätte und nicht Josh.

Ich würde alles dafür tun, um meinen Freund so sehr lieben wie Ashley ihren Nick. Ich würde Josh so gerne durch ein simples Lächeln ihm mein Herz schenken. Doch ich konnte es nicht.

Es klappte nicht, egal wie sehr ich mich auch anstrengte. Ein ,,Ich liebe dich" konnte ich nicht sagen, weil jeder Teil in diesem Satz eine fette Lüge wäre und ich deshalb diese drei Worte im Zusammenhang mit ihm auf keinen Fall über die Lippen bringen könnte.

Es wären nur leere Worte gewesen ohne einen Hauch von Wahrheit. Vielleicht war ich auch einfach nur unfähig, überhaupt jemanden zu lieben.

Was für eine Rolle hatte denn ein verdammtes Herz, wenn es nicht lieben konnte?

Ich schaffe es nicht, ihm das zu geben, was er verdient hätte. Bei ihm kriegte ich nicht die Schmetterlinge, die ich eigentlich fühlen sollte oder heftiges Herzklopfen. Und ich wusste, warum es so war. An der Stelle, wo sich mein Herz befinden sollte, befand sich nur ein viel zu kalter Eisklumpen.

Aubry hatte es mitgenommen und war nicht bereit gewesen, es mir zurückzugeben. Und dagegen konnte ich nichts machen. Man konnte es sich nicht aussuchen, an welchen Menschen man sein Herz verlor.

Und genau das war unglaublich gemein. Wenn man sich aussuchen könnte, in wen man sich verliebte, hätte ich Aubry niemals mein Herz gegeben. Stattdessen hätte ich alles dafür getan, dass Josh es bekam.

Er war mein fester Freund und nur er sollte ein Anrecht darauf haben. Er hätte es mehr als verdient, dass es ihm gehören würde. Doch das tat es nicht.

,,Danke dir für deine ehrlichen Worte, Ashley", meinte ich, ohne ihr von all den Gedanken zu erzählen, die sie in mir ausgelöst hatte.

,,Gerne. Warum fragst du eigentlich?'', wollte Ashley neugierig von mir wissen.

,,Ach, nur so'', meinte ich ziemlich ruhig, obwohl der tosende Sturm nach wie vor in mir wütete.

Konnte man jemals mit jemanden glücklich werden, den man nicht aufrichtig liebte?

Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️Where stories live. Discover now