And I'll call you by mine

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            Summer 1985, Somewhere in northern Italy


Zwei Jahre waren vergangen und die vergangene Zeit lastete noch immer auf meinen Schultern. Jeder Tag, der mich weiter von ihm trennte, trennte mich weiter von mir und stach wie ein Dolch in meinen Bauch, der sich jeden Tag in mir drehte. Ich wartete darauf, dass irgendwann die Taubheit eintreten würde. Jeder Tag ließ die Geschichte, unsere Geschichte, zu Erinnerungen werden, immer älteren Erinnerungen. Das ertrug ich nicht und wollte es auch nicht ertragen. Der Sommer hatte noch nicht ganz begonnen und die blendende Sonne reflektierte sich schon jetzt im Parkett meines Zimmers. Mein Bett unter mir knarzte als ich mich auf meine linke Seite rollen ließ. Meine braunen Locken waren nass und hinterließen dunkle, feuchte Flecken auf meinem Bettlaken. Die Balkontüre stand weit offen und ließ das Zirpen der Zikaden in meine vier Wände dringen. Mit meinem Fuß wippte ich auf dem hölzernen Boden auf und ab, der unter ihm zu ächzen anfing. Ich ließ meine Arme unter meinem nassen Haupt verschwinden. Die frühe Hitze war nicht zu ertragen. Da ich zu unruhig war, um liegen zu bleiben, hievte ich mich auf meine Beine, was der Boden mit einem schmerzenden Seufzer quittierte. Träge schleppte ich mich zur Tür des Badezimmers. Die kalten Fliesen schmiegten sich angenehm an meine nackten Füße, die mich ans Waschbecken trugen. Mit ein wenig Wasser versuchte ich mein müd dreinblickendes Gesicht zu erfrischen. An der Wand entlangstreichend verschwand ich im Flur. Meine verschwitzten Handflächen trafen auf das hölzerne Treppengeländer, was es unmöglich machte an ihm herab zu gleiten. Meine Mutter stand mit dem Rücken zu mir gerichtet in der Küche und unterhielt sich mit Mafalda, die mich aus ihren runden braunen Augen heraus ansah. „Elio!" Ich schnappte mir einen der Pfirsiche, die auf der Küchentheke lagen, und warf ihn ein paarmal hoch. Meine Mutter drehte sich zu mir um und lächelte mich warm an. „Ich wollte nicht stören" Mit den Worten verließ ich schnellstmöglich die Küche und trat in den Garten. Ich setzte mich auf meinen Platz und betrachtete die pausbackige rot-orangene volle Frucht. Sie war so vollkommen und natürlich, wie sie in meiner Hand lag. Man konnte sie wenden und drehen und sie war vollkommen. Er hatte sie gegessen. Damals war es für mich der intimste Gefallen, den je ein Mensch für mich getan hatte, tun könnte. Niemand hatte mich so intim und privat auf solch einer Art und Weise, in solch einem Weg berührt. Nie zuvor im Leben hatte ich eine derartige Zuneigung, Beschämung und Emotionalität zugleich gespürt. Der Pfirsich lag noch immer in meiner gekrümmten Hand, umschlungen von meinen knochigen Fingern, und auf einmal aus heiterem Himmel, schien er mir zu kostbar. Zu kostbar, um einfach von mir gegessen zu werden. Also legte ich ihn auf die Mauer und schaute hinunter aufs Meer. „Elio!" Die Stimme meiner Mutter schnitt die kostbare Stille. „Begrüß' unsere Gäste" mit einer Handbewegung bedeutete sie mir zu ihr zu kommen. Ich hatte nicht mitbekommen, dass wir Besuch erwarteten. Ich war mir noch nicht einmal sicher ob ich davon in Kenntnis gesetzt worden war. Wahrscheinlich, doch hatte ich es verdrängt oder ich hatte nicht aufmerksam zugehört. Unangekündigte Gäste waren keine Seltenheit, bei so vielen Besuchern, die wir unter Tag bei uns horteten, würde man verrückt werden, würde man sich jeden einzelnen im Gedächtnis abspeichern. Auf dem Weg ins Haus, schnappte ich mir ein Hemd, welches an der Wäscheleine hing und streifte es mir über. „Salut! Elio!" Es war ein alter Freund meines Vaters, der begrüßend die Arme ausstreckte. Ich gab ihm die Hand, seiner Frau küsste ich die Hand. „Un petit chameur, non?" Sie lachte meine Mutter breit an. Sie hatte volle rote Wangen und ein rundes Gesicht, er sah ähnlich geformt aus. Ich begleitete sie zu unserem Kaffee-Tisch in unserem Garten, auf dessen Weg sie fröhlich drauf los plapperten. Wir tranken Kaffee und aßen den Kuchen, den Mafalda am Morgen hergerichtet hatte. Am Abend gesellten sich einige Nachbarn zu uns. Marzia war eine von ihnen. Ich empfing sie am Gartentor, „Wie geht es dir?". Wir hatten schon länger nicht mehr geredet. Nicht dass wir uns aus dem Weg gegangen wären. Auch wenn wir uns verabredet hatten Freunde zu bleiben, hatten wir uns, vielleicht unbewusst vielleicht nicht, voneinander entfernt. Ich deutete ein leichtes Grinsen an „Ganz okay.". Meine Hände stützte ich in meine Hüften. Sie sah mich schief an. Wir starrten einander an, keiner wirklich wissend was er sagen sollte. Ich bedeutete ihr mit einer Handbewegung, dass sie mir folgen soll. Ich führte sie zum Tisch und setzte mich neben sie.

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