20

2.9K 214 12
                                    

Noch etwas müde saß ich am Frühstückstisch im Garten und verdrückte meine Pancakes. Nach dem gestrigen Gespräch mit Jake und Cole über den Schusswaffengebrauch und die Verletzungen hier in Los Angeles, war ich sehr nachdenklich geworden, was das ganze Thema anging. Das Thema wurde für mich persönlich immer realistischer.
Eigentlich hatte ich nie wirklich viel Kontakt mit Waffen bevor das in Compton passiert ist, denn davor hatte ich nie eine Waffe in der Hand und habe nie eine von wirklich nah gesehen. Aber seit Compton häufen sich die Vorfälle immer mehr und mir wurde immer mehr bewusst, dass das ganze Thema nicht so weit von mir entfernt war, wie ich immer dachte oder gehofft hatte. Vielleicht war es doch keine schlechte Idee, wenn Cole mir noch mal ganz genau und ausführlich zeigte, wie ich sicher mit einer Waffe umgehen sollte. Ich bin mir sicher, dass so wie ich es in Compton gelernt habe es nicht richtig war. Und man weiß nie, was passiert, bevor ich irgendwann mal eine Waffe in der Hand halte und aus Versehen jemand erschieße, weil ich es nicht richtig kann. Da gehe ich lieber mit Cole auf den Schießplatz - auch wenn ich es eigentlich überhaupt nicht möchte. Aber noch weniger möchte ich das Leben von jemandem anderen beenden, nur weil ich keine Lust hatte es richtig zu lernen. Es war echt ein hin und her der Gefühle...

Heute war es wieder so weit, es war der erste Schultag seit dem Amoklauf. Ehrlich gesagt, freute ich mich darauf wieder in die Schule zu gehen. Es war zwar auch cool zu Hause zu lernen und sich den Unterrichtsplan eigentlich selbst zu gestalten, trotzdem fand ich es wesentlich einfacher in die Schule zu gehen und dort alles beigebracht zu bekommen.
Außerdem kam ich so mal wieder mit gutem Grund aus dem Haus und eigentlich war die Schule ja auch gar nicht so schlimm, wie viele immer sagten.
Die Zwillinge und Liam waren alle schon mit dem Auto vorgefahren während ich wie immer zur Schule lief. Ich könnte auch mit meinen Brüdern mitfahren oder Jake oder Cole konnten mich auch jederzeit zur Schule fahren, allerdings genoss ich es die paar Minuten zur Schule zu laufen. Ansonsten bewegte ich mich ja auch nicht sonderlich viel.
Mason war die ganze Woche in einer Tagesklinik hier in Los Angeles, in der er den Umgang mit seinem Drogenproblem in der Öffentlichkeit lernen sollte. Jake meinte, dass in der Klinik jeder seinen eigenen Therapeuten hatte, der somit ganz gezielt auf die Person eingehen konnte, in dem Fall Mason. Vor allem, was ich persönlich richtig cool finde, war, dass der Therapeut mit Mason auch rausging und dort die praktische Umsetzung übte von dem, was er in der Therapie lernte. Wenn das alles so klappte, dann konnte er vielleicht nächste Woche wieder in die Schule und muss dann nur noch ab und zu zur Therapie, aber das kam ganz drauf an, wie es ihm dann ging.
Das erste mal seit dem Amoklauf betrat ich wieder das Schulgelände. Es war alles wie immer. Die typisch gelben Schulbusse parkten vor der Schule, der Autoparkplatz war schon total überfüllt und die Schüler liefen wild durcheinander. Langsam lief ich über den hellen Asphalt und erklomm die ersten Stufen zu der großen Schultür. Gerade als ich durch das offene Tor in das Gebäude hineinlaufen wollte stoppte ich. Meine Hände begannen zu zittern und ich begann hektisch und unkontrolliert zu atmen. Ein flaues Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit und mein ganzer Körper begann zu kribbeln, während sich die anderen Schüler einfach an mir vorbeidrückten. Angst und Unwohlsein machten sich in mir breit. Ich versuchte mich wieder zu beruhgen aber je länger ich dort stand desto schlimmer wurde es. Ich griff meine Hände zusammen, um das Kribbeln wegzubekommen, während ich mich ruckartig umdrehte und so schnell wie möglich von der Schule entfernte. Verdammt, was ist nur mit mir los. Ich hatte das alles so gut weggesteckt und jetzt kann ich nicht mal in die Schule gehen, was ist nur los mit mir.
Erst als ich in dem angrenzenden Park ankam, verlangsamte ich meine Schritte. Ich setzte mich auf eine abgelegene Parkbank und atmete tief durch. Ich spürte, wie ich wieder etwas ruhiger wurde, sich meine Atmung entsdpannte und es das Kribbeln in meinem körper langsam nachließ. Ich war so froh, dass ich das alles so gut hinbekommen habe, dass ich wieder normal schlafen kann und mich das alles doch nicht so sehr mitnimmt wie erwartet, und jetzt schaffe ich es nicht in die Schule rein zu gehen. Ich war selber von mir enttäuscht. Jeder andere ist doch auch einfach in die Schule gelaufen, warum muss ausgerechnet ich damit ein Problem haben. Ich spürte wie die Angst und das Unwohlsein der Wut über mich selbst, aber auch mit der Enttäuschung mischte.
Ich saß noch eine ganze weile im Park auf der Bank und dachte über die Situation gerade nach, allerdings konnte ich mich nicht überwinden nochmal zurück zugehen und es erneut zu probieren, mal ganz davon abgesehen das der Unterricht auch schon begonnen hatte. Den Lehrern wird meine Abwesenheit bestinmmt auch schon aufgefallen sein, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis einer meiner Brüder einen Anruf oder eine Nachricht bekommt. Es wäre wahrscheinlich am besten wenn ich ihnen selber sage das ich nicht in der Schule bin, auch wenn ich denke, dass sie nicht sonderlich begeistert davon sein werde. Ich weiß nicht, ob sie verstehen werden warum ich es nicht in die Schule geschafft habe, aber wie sollten sie auch etwas verstehen, dass ich selber nicht verstehe? Etwas bedröppelt machte ich mich auf den Weg zu Jake ins Krankenhaus, wenn ich es richtig mitbekommen habe ist Cole heute ziemlich beschäftigt, vielleicht hat dann ja Jake kurz Zeit. Während ich zu meinem Bruder lief, machte ich mir Gedanken darüber, wie es ich ihm ab besten sagen sollte.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl trat ich dann einige Minuten später in das Krankenhaus. Ich hatte keine Ahung wo Jake gerade war, das Krankenhaus war schließlich ziemlich groß, weshalb ich einfach zu ihm ins Büro lief und hoffte, ihn dort anzutreffen. Auch wenn ich nur hier war, um mit Jake zu reden, fühlte ich mich trotzden etwas unwohl. Krankenhaus war einfach nicht meins. Der ganze Geruch nach Desinfektionsmittel, die kranken Menschen und viele Ärzte, all das was ich eigentlich meiden möchte. Ich hatte auch echt ein wenig Angst, dass ich mal hier landen werde, wobei es ja eigentlich sicher ist, dass jeder früher oder später mal im Krankhaus liegt. Bei mir löst das allerdings Unbehagen aus und ich werde alles tun, damit es nicht passiet. Nachdenklich lief ich durch die überraschend leeren Flure, bevor ich mit dem Aufzug ein paar Etagen höher fuhr. Je näher ich Jakes Büro kam, desto unruhiger wurde ich. Ich glaube nicht das er wütend sein wird, aber trotzdem fühlt es sich einfach nicht gut an. In den letzten Tage hatte ich endlich mal seit langem das Gefühl, dass ich mein Leben wieder alleine und gut in den Griff bekommen habe und nicht mehr die verletzliche kindische Mila bin, aber jetzt bin ich schon wieder hier und muss einem einem Brüder mitteilen, dass ich wohl doch noch nicht so errwachen bin, wie ich es gerne hätte. Eigentlich ist es ja auch noch nicht so schlimm das mich der Amoklauf doch noch etwas mehr mitnimmt als ich dachte, aber trotztdem fühlt es sich scheiße an, sich das selber einzugestehen und das dann auch noch vor meinen Brüdern zuzugeben. Es war mir einfach peinlich, aber da musste ich jetzt durch.
Als ich in den Flur, in dem sich Jakes Büro befand einbog, sah ich, dass seine Bürotür geschlossen war. Gerade als ich an der Türe klopfen wollte, lief eine Krankenschwester an mir vorbei und sagte: „Dr Baker ist vor ein paar Minuten in die Notaufnahme gegangen". Ich warf ihr einen dankenden Blick zu, bevor ich wieder mit dem Fahrstuhl den ganzen Weg nach unten fuhr. Dank der Schilder an den Wänden fand ich den Weg in die Notaufnahme ziemlich schnell. Versunken in meinem Gefühlschaos lief ich durch die selbst öffnenden Türen in die Notaufnahem. Es schien ziemlich viel los zu sein, zumindest für mein Gefühl. Fast alle Betten in dem großen Eingangraum waren belegt und es wimmelte nur so von Ärtzen und Krankenschwestern, also mein absoluter Wohlfühlplatz im Moment. Ich sah mich kurz um, ob ich Jake zufällig entdeckte aber es war einfach zu viel los weshalb ich zum empfang lief und wartete bis die etwas gestresste Dame Zeit für mich hatte. „Was kann ich für dich tun?", fragte sie mich während sie parallel an ihrem Bildschirm herum tippte. „Ich suche Dr Baker" antwortete ich leise. „Dr Baker ist gerade beschäftigt und hat leider keine Zeit", sie schenkte mir ein kurzes freundliches Lächeln bevor sie sich wieder ihrem Bildschirm widmete. „Kann ich vielleicht warten?" versuchte ich es erneut. „Dr Baker ist wirlich sehr beschäfrigt, kann ich dir vielleicht helfen?" fragte die Krankenschwester, während sie mich wiedr ansah. Leicht schüttelte ich den Kopf, „Ich bin Jakes kleine Schwester, kann ich nicht einfach warten, bis er Zeit hat?". Die Krankenschwetsr musterte mich kurz bevor sie sagte „ Dein Bruder hat gerade wirklich keine Zeit, aber ich kann dir zeigen wo du warten kannst". Zufrieden mit dieser Antwort folgte ich ihr in einen etwas ruhigeren Ort der Notaufnahme, wo ich mich auf einen der vielen Stühle setzte, die an der Wand standen. Gerade, als die nette Krankenschwester etwas sagen wollte, kam Jackson hinter ihr augetaucht. „Mila" sagte er etwas überrascht „Alles okey bei dir". „Ja", ich lächelte ihn etwas verklemmt an „Ich muss nur mit Jake reden". „Ich wollte ihm gerade Bescheid geben" warf die Krankschwester ein, woraufhin Jackson sagte: „Ich mache das, danke Lisa." Die Krankenschwester, die anscheinend Lisa hieß, lächelte mich noch einmal kurz an, bevor sie sich von uns entfernte und Jackson sich auf den Stuhl neben mich fallen ließ. „Jake ist gerade im Stress, kannst du noch kurz warten oder ist es dringend", ich spürte Jacksons leicht besorgten Blick auf mir. „Ja, ich muss Jake nur beichten, dass ich nicht in der Schule bin" antwortete ich bedrückt. „Und warum bist du nicht in der Schule?" hakte Jackson nach, woraufhin ich ihm von dem heutigen missglückten Morgen erzählte...

Big Brothers 5Where stories live. Discover now