"Ähm, könnte ich vielleicht statt dem T-Shirt einen Pulli haben?"

"Sehe ich aus wie ein Bekleidungsgeschäft?", entgegnete Pierre schlagfertig und ich biss mir verlegen auf die Lippe.

"Nein, aber... mein BH ist nass, also kann ich den nicht wieder anziehen und unter dem T-Shirt würde das auffallen, unter einem Pulli weniger", erklärte ich mit knallroten Wangen und wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Aber wenigstens hatte diese Überwindung sich gelohnt, denn Pierre stand ohne zu zögern auf und zauberte aus seinem Schrank einen Hoodie hervor, den er mir im Austausch gegen das T-Shirt gab.

Sobald ich mich bedankt hatte, schloss ich mich wieder im Badezimmer ein und schlüpfte in das kuschelige Kleidungsstück, dann löste ich die Klammer aus meiner teilweisen Hochsteckfrisur und steckte mir stattdessen alle Haare hoch, weil mir jetzt schon klar war, dass der Hoodie ziemlich warm werden würde.
Entschlossen schob ich die Ärmel hoch und kontrollierte mein Aussehen im Spiegel, dann verließ ich das Badezimmer und gab Pierre das T-Shirt zurück, das er sich vorhin im Paddock so selbstlos ausgezogen und mir gegeben hatte.

"Du hast nicht zufällig noch eine Tüte für mich, in die ich meine nassen Sachen packen kann?", fragte ich unsicher, doch zu meiner Überraschung nickte Pierre und reichte mir einen Beutel für meine Sachen.

"Danke, du hast mich echt gerettet", murmelte ich verlegen und biss mir angespannt auf die Lippe.

Im Bad hatte ich fast vergessen wie klein dieses Zimmer war, aber als ich jetzt höchstens dreißig Zentimeter von Pierre entfernt stand und in seinen Augen zu versinken drohte, wurde es mir wieder schmerzlich bewusst. Er löste seinen Blick von meinem und musterte mich, dann zuckte ein kurzes Schmunzeln über seine Lippen.

"Meine Klamotten stehen dir noch genauso gut wie damals."

Der Schmerz in seiner Stimme bescherte mir eine Gänsehaut und ich spürte, wie sich in meinem Hals ein Kloß bildete.

"Pierre, ich... Es tut mir so Leid", brachte ich stockend hervor, doch mein Gegenüber hob abwehrend die Hand.

"Hör auf. Das hat es damals nicht weniger schlimm gemacht und heute tut es das auch nicht."

Reuevoll schloss ich die Augen und als ich sie wieder öffnete, hatte Pierre sich weggedreht und die Hand auf die Türklinge gelegt.

"Du solltest jetzt gehen", murmelte er leise und ich nickte schwach.
Ein letzter Kontrollblick in meine Handtasche, in die ich die Tüte mit meinen Klamotten gestopft hatte, dann lief ich zur Tür, die Pierre für mich offen hielt.

Als ich direkt vor ihm vorbeiging, wollte ich den Mund öffnen, um mich nochmal zu bedanken und zu verabschieden, doch soweit kam es nicht, weil Pierre die Tür wieder zuknallte, seine Hände auf meine Wangen legte und mich küsste.

Ich war völlig perplex und versteifte mich, dann begann sich ein angenehmes Prickeln auf meinen Lippen auszubreiten und im nächsten Moment erwiderte ich den Kuss. Meine Finger krallte sich in Pierres Haare, wo sie noch genauso gut hinpassten wie vor all den Jahren und mein Herz schlug immer schneller.

Das Chaos in meinem Kopf wurde von jeder Menge Endorphinen unterdrückt und ich gab mich einfach nur voll und ganz dem Mann hin, den ich einst so geliebt hatte und über den ich - egal was ich bis vor kurzem noch gedacht hatte - offensichtlich doch nicht hinweg war.
Unser Kuss wurde immer leidenschaftlicher, aber als Pierres Hände zum Saum meines Hoodies wanderten, zuckte ich zusammen und löste mich von ihm.

"Was... was machen wir hier, Pierre? Wir sollten das nicht tun."

"Wieso nicht?", entgegnete er ernst und ich runzelte verwirrt die Stirn.

"Weil wir uns seit fünf Jahren nicht mehr gesehen haben? Weil du mich hasst?", schlug ich vor und erntete ein Schulterzucken.

"Dass ich dich hasse muss kein Grund sein, nicht mit dir zu schlafen", antwortete er bloß und einen Moment lang war ich gewillt, mich von ihm zu lösen und einfach zu gehen. Dann zog er sich jedoch sein T-Shirt über den Kopf und der Blick auf seinen muskulösen Oberkörper, den ich mir vorhin krampfhaft verboten hatte, brachte mich völlig aus dem Konzept.

Mein Blick wanderte von seiner Brust wieder hoch zu seinem Gesicht und meine Hand strich unwillkürlich über seine Wange, dann fasste ich einen Entschluss.

"Das hier ist niemals passiert", flüsterte ich, bevor meine Lippen wieder die von Pierre fanden und meine Hände auf Wanderschaft zu seinem Hosenbund gingen.

Eine kleine Stimme in meinem Kopf schrie mich an, dass das hier falsch war und wir es nicht tun sollten, aber es fühlte sich so richtig an, dass ich kein weiteres Zögern zuließ. Ich wollte Pierre noch einmal spüren, ihm noch einmal so nah sein wie damals.
Wir würden uns sowieso nie wieder sehen, was sollte also schon passieren?

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now