Die Leserin

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Es war einmal ein Mädchen namens Crystal, das lebte in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo, umgeben von einem großen, dunklen Wald.

In besagtem Dorf wohnte, abgesehen von einigen anderen Bewohnern, die zu diesem Zeitpunkt unserer Geschichte jedoch noch nicht allzu wichtig sind, ein Buchhändler namens Mr Deauville.

Die Kinder in Gavaldon lebten ein langweiliges, unspektakuläres Leben und die größte Freude ihres Lebens war es, einmal im Jahr an einem x-beliebigen Tag die neuen Märchenbücher aus Mr Deauville's Bücherladen zu kaufen, genau an dem Tag, an dem sie ankamen.

Zufälligerweise beginnt unsere Geschichte genau an diesem Tag, zu dem Zeitpunkt, als der Buchhändler die Märchen auspackte und in den hölzernen Regalen verstaute.

Crystal riss die Tür auf und das leise Läuten einer Glocke sowie der vertraute Duft von Holz und alten Büchern stieg ihr in die Nase.

„Guten Tag, Mr Deauville!", begrüßte das strahlende Mädchen den alten Mann, dem augenblicklich ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht trat.

Das kleine Mädchen kam jeden Tag in den Laden und inzwischen war sie wie eine Enkeltochter für den Inhaber. Noch nie war ihm ein solches Kind begegnet- Crystal las die Bücher nicht, weil sie nichts anderes zu tun hatte, so wie es bei den meisten anderen der Dorfkinder der Fall war.

Nein, Crystal Garcia las die Bücher, weil sie dabei in ferne Welten entfliehen konnte, weit weg aus Gavaldon. Und am allerliebsten las sie Märchenbücher, denn von ihnen lernte sie stets mehr als jede Schule der Welt es vermochte.

Und heute war es endlich so weit- ein aufgeregtes Kribbeln wanderte von den Fingerspitzen durch ihren gesamten Körper, als sie die Neuen Märchenbücher erblickte.

„Oh Mr Deauville, haben Sie all diese Abschriften in dieser Nacht gemacht?" Mr Deauville lachte und unterdrückte ein Gähnen. „Nun ja, das ist mein Beruf, Crystal. Und wenn ich so die Kinder des Dorfes von ihrem ewigen Nichts-tun befreien kann, dann ist eine Einzige schlaflose Nacht ein Wohl mehr als gerechtfertigter Preis."

Bewunderung blitzte in den Augen des Mädchens auf, doch im nächsten Moment strich sie bereits wieder fasziniert über die Buchrücken der Märchen.

Vorsichtig nahm sie eines davon heraus und betrachtete einen Moment die Prägung, die sich unten auf der Seite befand.

Beim ersten Blick wirkte es wie ein Tintenfleck, bei genauerem Hinsehen konnte man jedoch ein Wappen erkennen- zwei Schwäne, einen schwarzen, einen weißen. Darunter prangte ein Banner mit der Aufschrift S.G.B. Crystal wandte sich Mr Deauville zu.

„Sir, was hat es mit den Initialen S.G.B. auf sich?", fragte sie und wies auf das Wappen. Der alte Mann runzelte die Stirn. „Hast du noch nie von der Schule für Gut und Böse gehört? Nun, ich will dir die Legende erzählen.

Die Dorfbewohner Gavaldon's hegten seit langer, langer Zeit einen Verdacht. Denn von Zeit zu Zeit verschwanden Kinder der Dorfbewohner, sie wurden entführt von einem grässlichen Monster, das sie den Schulmeister nannten. Man sagte sich, er brachte die Kinder, jeweils zwei, tief in Wald, fernab jeglicher Menschenseele. Die entführten zwei Kinder waren jeweils absolut verschieden- eines vom reinsten Herzen, hübsch und mit den besten Aussichten auf eine Zukunft als Prinz oder Prinzessin, das andere hässlich mit einer Zukunft als Hexe oder Bösewicht und mit einer von Grund auf bösen Seele. Der Schulmeister brachte sie in die Schule für Gut und Böse, wo er sie in eine der einzelnen Schulen einteilte- das hübsche, brave Kind in die Schule für Gut, wo Prinzen und Prinzessinnen ausgebildet wurden, und das eigenbrödlerische, böse Kind in die Schule für Böse, wo Märchenbösewichte ausgebildet wurden. Eines Tages, wenn sie sich im Unterricht auch tüchtig angestrengt hatten, tauchten sie in den Märchen wieder auf, die die Dorfbewohner stets zu lesen pflegten.

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⏰ Last updated: Jan 14, 2023 ⏰

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Crystal's FairytaleWhere stories live. Discover now