Morgenmodus - Kapitel 1

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Das Leben, das ich seit zwei Jahren führte, hatte die Art, wie ich morgens aufwachte, verändert. Zuerst kam immer noch das wohlige Gefühl, wenn mein Gehirn sich nur auf die Wärme des Betts konzentrierte und die Welt einen Atemzug lang in Ordnung schien. Der nächste Augenblick, in dem dann die Erinnerungen kamen, fühlte sich im Vergleich dazu wie ein Schlag mit einem Zentner Metall an. Ein Schlag, der jedes wohlige Gefühl erbarmungslos unter sich begrub. Es war der Moment, in dem mir wieder klar wurde, wer ich nun war und wie viel ich an einem einzigen Tag verloren hatte. Meine Freunde, meine Familie und die Fähigkeit, den Tag ohne einen leisen Fluch beginnen.

Dieser Morgen allerdings schien vorzuhaben, sich mehr als nur einen Fluch zu verdienen. Es war nicht der leise Glockenton des Weckrufs meiner Wohneinheit, der mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Es war ein leises Zischen gewesen. Mittlerweile hatte es sich zu einem gedämpften Rumpeln gesteigert. Eines, das sich verdächtig danach anhörte, als würden gerade die Lebenmittellieferung in der Kühleinheit an ihren Platz bugsiert werden. Brennende Dürre, normalerweise traf die Lieferung um halb acht ein und das wäre weit später, als gut für mich war. Ich riss die Augen auf, blinzelte in das helle Sonnenlicht, das sich trotz der dichten Baumkronen bereits den Weg bis zu meinem Fenster gebahnt hatte, und klammerte mich immer noch ein wenig schlaftrunken an die Hoffnung, dass die Lieferung heute aus irgendeinem Grund früher eingetroffen war. Im Grunde natürlich eine absolut lächerliche Hoffnung. Die Lebensmittellieferungen wurden, wie so ziemlich alles in Wien, von Künstlichen Intelligenzen gesteuerte. Und KIs irrten sich nicht. Zumindest nicht bei solchen Dingen.

Während ich die Beine aus dem Bett schwang, aktivierte ich trotzdem erstmal mit einem energischen Blinzeln nach links unten das Startmenü meines Retinadisplays. Die leicht durchscheinenden Ziffern, die nun auftauchten, ließen allerdings wirklich keinen Zweifel daran, dass ich tatsächlich verschlafen hatte. Verdorrter Dreck! Zu spät zu kommen und mir dann für meine Kunden nicht genug Zeit nehmen zu können, war absolut nicht gut fürs Geschäft. Ich hastete quer durch den Wohnbereich in Richtung Bad.

„Morgenmodus!", rief ich.

„Einen wundervollen Guten Morgen, Anna", erwiderte die KI meiner Wohneinheit. „Es ist 8.31 und du hast heute keine Termine."

Wie falsch sie dabei lag, ahnte die simple KI natürlich nicht. Zum einen war mein Name nicht Anna und zum anderen hatte ich wie jeden Morgen eine Menge Termine. Allerdings keine von der Sorte, die man in den Kalender einer Wohneinheit eintragen sollte. Auch ohne Termine hätte sie allerdings dennoch meinen üblichen Weckalarm vor einer halben Stunde aktivieren sollen. Ich hatte einen ziemlich guten Verdacht, wer das verhindert hatte. Während ich den kleinen Wohnraum durchquerte, um im Bad das Nötigste zu erledigen, warf ich dem Übeltäter einen finsteren Blick zu. Der kleine robotonische Hund reagierte darauf mit einem leisen, schuldbewussten Winseln. Dann senkte er den Kopf auf seine Pfoten und erwiderte meinen Blick auf eine Art, die auch einem echten Dackel alle Ehre gemacht hätte.

„Wir klären das später, Spice...", sagte ich.

Eilig trat ich neben ihm in die kleine Nische, die gerade dabei war, sich für mich als Bad zu konfigurieren. Eine Ablage mit meinen Toilettartikeln und dem Make-Up glitt aus der Wand. Die paar Fläschchen füllten das Fach allerdings nicht mal annäherend. Solche Dinge kosteten eine Stange Credits und ich hatte in der Regel andere Sorgen, als sie dafür auszugeben. Ich stellte mich unter das warme Wasser, schob mir eine Kapsel mit Zahnreinigungsbots in den Mund und versuchte, etwas Zeit wettzumachen.

Während dann ein warmer Luftstrom von oben meine langen Haare trocknete und ich mir Mühe gab, sie gleichzeitig zu etwas Annehmbaren zu bändigen, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass Spice mir gefolgt war. Er machte neben mir in vorbildlicher Perfektion Platz und sah mich hoffnungsvoll an. Eindeutig auf der Suche nach irgendetwas, mit dem er mir behilflich sein könnte. Und wohl auch nach etwas, mit dem er seinen Übergriff auf meinen Tagesplan wiedergutmachen konnte.

Ich bin Plan BWhere stories live. Discover now