18. Eine Möglichkeit

24 0 0
                                    


Die einzige Möglichkeit die mir blieb war abzuhauen.
Irgendwie musste es doch einen Weg geben.
Ich drehte mich nach rechts und betrachtete die Handschelle.
Ganz fest um mein Handgelenk war sie nicht, trotzdem könnte meine Hand so nicht herausrutschen.
In diesem Zustand zumindest nicht.

Ein Gedanke überkam mich, der mir selbst Angst machte, aber durchaus möglich war.
Wenn ich nur etwas sehr schweres finden könnte mit dem ich meine Knochen brechen könnte, dann würde sie vielleicht durch den eisernen Ring passen.
Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinunter sobald mir auffiel, dass ich mir selbst etwas so grausames antun würde, nur um von hier wegzukommen.

Aber andererseits war ich mir gar nicht mal so sicher, ob es nicht vielleicht sogar die harmlosere Variante war.
Aber ganz vielleicht gab es ja noch eine andere weniger grausame Methode
Ich schüttelte den Kopf, wie konnte ich nur so naiv sein?
Ich wurde in einem Keller gefangen gehalten von einem Typen, der doppelt so groß, stark und wahrscheinlich auch alt war wie ich, meinen Freund umgebracht hatte und all das nur für Geld.
Erwartete ich ernsthaft, dass er eines Tages einfach in den Keller kommen würde, meine Handschellen aufschließen würde und mich dann netterweise noch ins nächste Krankenhaus fahren würde?
So würde all das nicht funktionieren...
Das wusste ich selbst gut genug, aber trotzdem hoffte ich ein ganz kleines bisschen auf ein Wunder.
Obwohl ich mir nicht einmal sicher war wie genau dieses Wunder denn aussehen sollte.

Ich widmete mich wieder der Handschelle. Ohne überhaupt richtig darüber nachzudenken, bewegte ich ruckartig meine rechte Hand weg von dem Rohr, in der Hoffnung irgendwas würde passieren.
Außer, dass das Eisen in meine Haut schnitt, geschah jedoch rein gar nichts.
Ich versuchte es noch einmal und dann noch einmal.
Das Geräusch, welches dabei entstand war zwar relativ laut, doch das interessierte mich nicht wirklich.
Das Rohr schien robuster als es aussah.
Ich weiß nicht was ich erwartet hatte, dass das Rohr auf einmal in der Mitte durchbrechen würde, war eben auch nicht sehr wahrscheinlich.
Und bei meinem Pech, wäre es wahrscheinlich noch ein Wasserrohr, was das ganze dann auch nicht besser machen würde.

Nach einigen erfolgslosen Versuchen, war das einzige, das sich verändert hatte, ein roter Ring, der sich neben meinen blauen Flecken um mein Handgelenk gebildet hatte.
Es tat zwar weh, aber es wäre wohl nichts im Vergleich zu dem Schmerz, wenn ich mir wirklich meine Hand brechen würde.

Plötzlich öffnete sich die Tür und ich hörte augenblicklich mit meinen kläglichen Versuchen auf.
,,Was machst du denn hier für einen Lärm?", fragte der Mann trocken, als er das Licht anschaltete.
Mittlerweile sollte ich mich eigentlich schon daran gewöhnt haben, so oft war es schon passiert.
Dennoch kniff ich jedes Mal unerwartet erschrocken meine Augen zusammen.
Nachdem ich ihm nicht geantwortet hatte, stieg er die Stufen zu mir herunter und sprach einfach weiter:
,,Naja egal...Jedenfalls bleibst du bei deiner Meinung?"
Er stellte die Frage so, als würde er gar kein nein erwarten.

Mich verwunderte es ein wenig, dass er mich nicht schlagen würde oder so, da ich ja versucht hatte diese Handschellen loszuwerden.
Ich fragte nicht, sondern nickte einfach nur.
,,Also dann noch etwa ein ein halb Tage", murmelte er und wand sich zum Gehen.
,,Warte", sagte ich, um ihn aufzuhalten.
Er drehte sich wieder zu mir um und ich sprach weiter: ,,D- dürfte ich nochmal die Toilette benutzen?"

Er seufzte, ehe er widerwillig nickte.
Irgendwie hatte ich das Gefühl er wusste, dass wenn er nein sagen würde, er hier morgen eine nasse Pfütze vorfinden würde.
Er befestigte den zweiten Teil der Handschelle wie beim letzten Mal wieder an seinem Handgelenk und zog mich dann genauso unsanft wie beim letzten Mal die Treppe nach oben.

Sobald er die Kellertür schloss und wir im Flur waren, schaute ich mich um.
Eine Uhr sah ich nicht direkt, aber zumindest war es hell draußen.
Das hieß wohl, dass ich wirklich die Nacht durchgeschlafen hatte.
Ich ließ meinen Blick weiter durch das Haus gleiten, während wir Richtung Badezimmer gingen.
Zu meiner Überraschung hing über der Haustür eine altmodische Uhr, aber wenigstens funktionierte sie noch.
Eine schneller und unauffälliger Blick verriet mir, dass es schon 14:30 Uhr war.
Ich hatte also wie erhofft relativ lange geschlafen.
Vielleicht hatte ich auch nur relativ lange nachgedacht...

,,Wenn du wissen willst, wie viel Uhr es ist, hättest du mich auch einfach fragen können", sagte er trocken, als er mich ins Bad drängte.
Vielleicht war mein Blick, doch nicht ganz so unauffällig gewesen...
Aber es überraschte mich trotzdem, dass er auch diese Kleinigkeiten zu bemerken und nicht außer Acht zu lassen schien.
Er nahm mehr war, als ich erwartet hatte...
Vielleicht interpretierte ich aber auch wieder zu viel hinein.
Aber wenn es wirklich so war, konnte es ein Nachteil bei meiner Flucht werden.

Dieser Toilettengang war genauso unangenehm wie der letzte, aber was blieb mir schon anderes übrig?
Mein Spiegelbild sah noch unverändert aus und blickte mir immer noch so leblos entgegen.
Genauso wie beim letzten Mal schmerzte mein Knöchel wieder höllisch, als er mich viel zu grob und viel zu schnell wieder hinter sich er in den Keller zog.
Dort ließ er mich ohne ein weiteres Wort wieder alleine, alleine mit der Dunkelheit und der Ungewissheit.
Ich wartete und wartete, bis die Frau den Keller betrat.

Diesmal gab sie mir die gleiche Schlaftablette wie gestern.
,,Besser geschlafen?", fragte sie kurz, als sie mir die Tablette und das Wasser und dann auch die Scheibe Brot gab.
Ich nickte nur als Antwort.
Es fühlte sich an als würde ich den gleichen Tag wieder und wieder und wieder erleben und es war furchtbar...
Alles fühlte sich genau gleich an.
Genau gleich leer...

Nachdem die Frau wieder gegangen war, schlang ich die Brotscheibe herunter, die mich kaum satt machte.
Danach schluckte ich die Tablette und trank etwas.
Und dann hoffte ich, ich würde die meiste zeit des letzten Tages morgen verschlafen.
Nur noch ein Tag bis sich alles klären würde.
Vielleicht würde es auch nur noch komplizierter werden und vielleicht würde ich dann noch mehr Fragen haben, aber wenigstens würde ich Antworten auf meine jetzigen haben.
Und das würde vielleicht wenigstens ein ganz kleiner Fortschritt sein, hoffte ich zumindest.

Zwischen Verlust und Hoffnung | Larry StylinsonWhere stories live. Discover now