Mehrere Weinfässer standen gestapelt übereinander, auf ihnen lagen lange Holzplanken.

Eine Myr, weibliche Wesen, die halb Elfe und halb Steinbock waren, stand auf diesem Podium. Weiße Hörner stießen ihr aus der Stirn und wuchsen in einem Bogen über ihr Haupt hinweg nach hinten. Ihre braune, volle Haarmähne trug sie offen und ungebändigt, sodass sie ihr beim Auf- und Abhüpfen in das schöne, schmale Gesicht peitschte.

Sie war nackt, ihre Haut bemalt mit blauen Runen. Ihr Körper bewegte sich im Einklang mit der Musik, die sie auf ihrer Gitarre spielte.

Myr waren scheu, so selten aufzufinden, dass sie selbst meist nur ein Mythos waren.

Die Steinbockfrau beendete ihr Lied und verbeugte sich tief, dann verließ sie die Bühne.

Die Kentauren grölten, wünschten sich Zugaben und luden sie auf ein Bier ein.

Verstummten dann aber, als ein weißer Pferdemann das Podium betrat.

Draecon zog seinen Bogen.

Da stand er. Appalusius.

Sein Beiname ‚der Prächtige' bezog sich wohl auf seine Ausstrahlung. Sein Lächeln war so breit, dass es Draecon fast wie eine Maske vorkam. Sein Oberkörper war nackt, seine gebräunte Brust eingeölt.

Er musste nichts sagen, nicht um Ruhe bitten, um die anwesenden Kentauren um Aufmerksamkeit zu bitten.

Draecons schmale Finger tasteten nach dem gefiederten Pfeil. Seine Federn waren schräg angebracht, würden ihn in der Luft zum Rotieren um die eigene Achse bringen. Die Spitze aus dem wertvollsten und stärksten Eisen würde Appalusius' Brust mit Leichtigkeit durchbohren. Getränkt in Gift würde er einen schnellen Tod sterben. Er würde nicht leiden müssen, seine Qual würde kaum fünf Herzschläge nach dem Treffer enden.

„Es ist mir eine Ehre, dass heute so viele von euch zusammengekommen sind", begann er.

Schon lag der Pfeil gespannt auf der Sehne.

„Ich weiß, wie viele hier von euch gegen die Drachen sind, aber es sind noch weitaus nicht genug", fuhr er fort.

Draecon schob seine Gefühle, den aufkommenden Zorn, beiseite.

„Die Drachen haben kein Blut an den Händen kleben, dafür sind ja ihre verdammten Assassinen da."

Ruhiger Atem. Ein und aus.

„Vermutlich ist bei jeder meiner Reden einer dieser Speichellecker dabei. Verpetzt uns; uns, die diese Welt besiedeln! Denn wer ist hier in Völkern vertreten, hat auf Nyrathur von der Masse her die Überhand?"

Draecon passte die Ausrichtung des Pfeils leicht an.

Er hatte nur diese eine Chance.

„Als ‚Weltenhüter' bezeichnen sie sich, aber wer beschützt uns vor Feuern, vor der täglichen Hungersnot, vor den verarmten Prostituierten, die kein anderes Einkommen haben?"

Er ließ den Pfeil von der Sehne schnellen.

Lautlos glitt er durch die Luft, schnell und tödlich und unsichtbar in der dunklen Nacht.

„Wir leiden, nur wegen...!"

Appalusius verstummte.

Eine dunkle Flüssigkeit breitete sich auf seinem Oberkörper aus.

Draecon wartete nicht darauf, ob Appalusius dieser Wunde wirklich erliegen würde, sondern sprang von dem ‚Goldenen Haus' herunter.

Er hatte keine Zeit.

Keinen weiteren Pfeil.

Keine Chance, gegen die Masse der Kentauren anzukommen, die sich unweigerlich auf ihn stürzen würde.

Als der Assassine das Geschrei hörte, wusste er, dass seine Zeit nun lief.

Er ließ alle Vorsicht fahren und sprintete durch die engen Gassen.

Beim Abbiegen prallte er gegen eine Hauswand, riss einige Blumentöpfe mit sich und die Haut an seiner Wange beim Kontakt mit dem Stein auf.

Im Laufen schnallte sich der Assassine den Bogen über den Rücken und griff nach einem zweiten Messer.

Sein Atem ging schnell, seine Beine stießen ihn kraftvoll vom Boden ab und das Adrenalin brachte sein Herz zum Tanzen.

Er genoss das Gefühl, hieß es willkommen.

Und vergaß nicht, dass er all das nur für den Silbernen tat.

Das Geschrei hinter ihm wurde langsam lauter, aber sie würden ihn nicht mehr erreichen.

Zweimal müsste er noch abbiegen, dann würde er mit Garwhen aus Neehri fliehen.

Staub und Erde stoben auf, als er eine Kurve passierte. Irgendwo bellte ein Hund, eine Frau beschwerte sich über das Gebell.

Der Assassine bog ein letztes Mal ab und verlangsamte seine Schritte.

Sein Blick raste den Weg hinab.

Kein Karren.

Kein Pferd.

Kein Garwhen.

Diese Erkenntnis traf den Assassinen wie ein Schlag ins Gesicht.

Garwhen war nicht da.

Stattdessen standen da nur drei Kentauren, ihre Nasen bebten vor Anstrengung und in ihren Händen hielten sie Äxte und ein Schwert.

„Wolltest du den Bastard hier treffen?", fragte einer der Kentauren und zerrte einen schlaffen Leib aus einem schmalen Spalt zwischen zwei Häusern.

Sein blondes, strähniges Haar hatte er aus seinem markanten und vor Hass verzogenen Gesicht gebunden, aber dem Körper, den er nun achtlos in den Schlamm warf, galt Draecons eigentliche Aufmerksamkeit.

Das silberne Haar war verklebt, dunkle Flecken auf dem Hemd ausgebreitet.

Draecons Herz setzte einen Takt aus.

Es war noch nie einer von ihnen enttarnt worden.

Der Pferdemann lachte trocken, jetzt endlich erkannte der Assassine auch die anderen beiden: Tris und Bass, die Wachmänner, die er – wie er nun feststellen musste – unglücklicherweise am Leben gelassen hatte.

„Zeit, dass ihr endlich sterbt", knurrte der Kentaur und ging auf den Elfen los.

Breath Of Death - Silbernes LodernOnde histórias criam vida. Descubra agora