Nur die Ruhige war unvorhersehbar wie immer gewesen. Hatte ihre kühle Miene im Griff gehabt, niemanden in ihre Karten sehen lassen.

'Brennen sollen sie, die ganze Nacht.'

Bis die Blaue ihre Trümpfe offen vor sich hingelegt hatte.

Die Meinung der Mehrheit hatte der Silberne zu akzeptieren. Er war Drachenkaiser, durfte aber nur Gebrauch von dieser alleinentscheidenden Macht machen, wenn eine Himmelsschlange unmittelbar in Gefahr stand. Dies bezog sich allerdings nur auf das physische Wohlergehen. Wenn die Frage im Raum stand, ob jemand aus dem Kreis der Ältesten verstoßen werden sollte, hatte er keine Befugnis, dort das Wort zu erheben.

Und wer wusste es schon? Vielleicht war er ja das Problem? Vielleicht war es wirklich besser, dass Nyrathur noch einmal erfuhr, wer diese Welt wirklich regierte. Dass die Könige, Stammesführer oder Kriegerfürsten nur Schein waren.

Der Silberne hatte es sich nicht gestattet, noch einmal in Ruhe über das vergangene Gespräch mit seinen Geschwistern zu grübeln. Viermal hatte er dazwischen gehen müssen, als die Diskussionen in Gewalt umschlugen. Dreimal hatte es den Purpurnen getroffen, einmal den Goldenen.

Draecon stand mit geradem Rücken vor ihm, ganz der Krieger, zu dem er ihn gemacht hatte.

„In Neehri hält sich zurzeit Appalusius der Prächtige auf. Er plant einen Umsturz, wie er ihn selbst nennt. Ich denke, Ihr wisst so schon, was Ihr zu tun habt, Meister Draecon", stellte der Älteste fest.

Ein kleines Lächeln zupfte an Draecons rechtem Mundwinkel.

„Das tue ich, Herr. Wie soll es passieren?"

Sein Tonfall war nüchtern, unschuldig, als würde der Elf über das Wetter und nicht über den Mord eines stattlichen Mannes sprechen. Die Miene des Assassinen war ausdruckslos. Seine makellos helle Haut entspannt, die rabenschwarzen Augen gleichgültig. Er war ein empathieloser Mörder, der keinerlei Mitgefühl mit seinen Opfern hatte, das wusste der Silberne.

Er schätzte und hasste diese Eigenschaft zugleich, wusste nicht, wie er sie zuzuordnen hatte.

Sanft schüttelte er das Haupt, seine Schuppen am Hals klickten dabei leise aneinander. Es war das einzige Geräusch, das dem Morgen seine Ruhe stahl.

Der Blick des Ältesten glitt in die Ferne, heftete sich auf die langgezogenen, blassen Wolken.

„Nyrathur verändert sich. Es ist der Stein, der sich langsam unter der Last des Schnees regt. Es sind die ewig schmiedenden Öfen der Zwerge, deren Hammerschläge den Krieg vorhersagen. Es ist das leise Paukenschlagen der Trommeln, die den Trollen den Takt weisen. Ich weiß nicht, welch dunkle Zeiten auf uns zukommen werden", murmelte die Himmelsschlange, tief versunken in den Gedanken.

„Unsere Tempel wird man mit Freuden verbrennen, wird uns Drachen höhnisch auslachen und herausfordern. Und ich bin nicht einmal böse drum."

Er erntete Schweigen.

Nichts war zu hören, nicht einmal der sonst so präsente Wind.

Alles war ruhig.

Nur der Geruch nach schmelzendem Schnee und feuchtem Moos hing in der Luft.

Noch immer ruhte sein Blick in der Ferne.

„Beeilt Euch mit Eurer Mission. Appalusius muss schnell tot sein, wie und wo ist mir egal. Hinterlasst keine Botschaft, aber lasst es auch nicht wie einen Unfall aussehen. Nyrathur muss wissen, wer hinter Appalusius' Mord steckt.

Vor erst zwei Tagen ist Garwhen zurückgekehrt. Er soll dich in die Stadt schleusen, die Kentauren erwarten während ihren Festtagen dutzende Händler."

Sofort sah die Himmelsschlange, wie kurz Erleichterung über das sonst so kontrollierte Gesicht seines besten Assassinen blitzte. Der Silberne wusste, dass sich Garwhen und Draecon verstanden - wobei verstanden eher meinte, dass sie sich nicht bei erstbester Gelegenheit gegenseitig an die Gurgel sprangen. 

Draecon nickte... zögerte. Überlegte, ob er seine Frage wirklich stellen sollte.

„Was haben Eure Geschwister beschlossen? Was beschäftigt Euch so, dass Ihr Euch vor der Zukunft fürchtet?"

An der Art, wie Draecon die Brauen zusammengezogen hatte und die Muskeln in seinem Kiefer arbeiteten, sah der Silberne, dass sich der Assassine für seine so persönliche Frage selbst rügte.

Der Älteste ignorierte diese Tatsache und wandte sich mit einem milden Lächeln an seinen Untergebenen.

„Ich fürchte mich nicht. Macht Euch keine Sorgen."

Lüge.

Lüge, Lüge, Lüge.

Eine Lüge gleich der, die er seinen Geschwistern aufgetischt hatte.

‚Misstraut euch nicht.'

Sein Blick schweifte wieder in die Weite.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Lügen ihn einholen würden.

Er freute sich drauf.

Breath Of Death - Silbernes LodernNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ