Philosophen zwischen Büchern

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Ein lächelnder Philosoph namens Voltaire schlenderte durch die Magdeburger Stadtbibliothek mit einem gelben Einkaufskorb in der Hand, der bei seinen lockeren Bewegungen hin und her schlenkerte. Er genoß es, mal wieder in einer Bibliothek zu sein, nachdem er nun über einen Monat lang in der Kanalisation gefangen war. Unter anderem dauerte dies so lange, da er einen Hund bellen hörte, der wohl auch in der Kanalisation gefangen sein musste, und ihn retten wollte.

Jedenfalls ging er ein wenig umher, schaute mal hier und mal dort, und manchmal nahm er sich ein Buch heraus, um es genauer zu betrachten und ein wenig darin herumzublättern. Als er gerade ein ledernes Buch in der Hand hielt, auf dem schwach noch der unscheinbare Name "Necronomicon" zu erkennen war, kam jemand auf ihn zu und sprach ihn an:

"Ähm... Dürfte ich vielleicht kurz...",die Person pausierte und schien ein wenig verlegen,"Ähm, dürfte ich an das Regal?"

Voltaire schaute überrascht den schüchternen jungen Mann an, der schwarze, lange Locken hatte, die sein sympathisches Gesicht umrahmten.

"Spinoza?",fragte der Franzose.

"Oh... Sie kennen mich?",wunderte sich der andere immer noch etwas scheu.

"Aber natürlich! ...Oh, warten Sie, ich gehe einmal zur Seite."

"...Vielen Dank!"

Hastig nahm sich der junge Mann ein Buch aus dem Regal, doch Voltaire konnte, trotz der schnellen Bewegungen des anderen, den Namen des Buches erkennen:"Irgendwas anderes, keine Ahnung."

Voltaire dachte sich nicht viel dabei und wollte dann noch ein wenig mit Spinoza plaudern, dieser verzog sich jedoch schnell wieder. Auch wenn er manchmal wirklich für ein gutes Gespräch zu haben war, hatte Spinoza diesmal einfach keine Kraft dafür. Heute war nicht so sein Tag. Ich hoffe, dir geht es morgen wieder besser, Spinoza.

"Danke, Autorin dieser Geschichte.",sagte Spinoza aufrichtig, was Voltaire noch hören konnte. Ihn verwirrte diese Aussage ungemein, bis er endlich auch erkannte, dass er bloß ein Teil einer Geschichte war, die irgendjemand schrieb, und diese Erkenntnis brachte ihn in tiefste Bestürzung. Er kauerte sich in eine naheliegende Ecke, stellte defensiv den gelben Einkaufskorb vor sich und verfiel in ein fürchterliches Nachdenken, als er sah, wie die Geschichte weitergeschrieben wurde und es mit seinem inneren Auge mitverfolgte.

Währenddessen erfreute sich der sonst immer so griesgrämige Arthur Schopenhauer an den Büchern über die indischen und buddhistischen Lehren. Er war voll in seinem Element, bis auf einmal die Stille der Bibliothek mit einem lauten Geräusch gebrochen wurde. Er blickte hinauf, um zu sehen, was der Auslöser des Geräusches war, und dann sah er, vielleicht zwanzig Meter von ihm entfernt, wie dort Hegel saß, der mit peinlich-überraschtem Gesichtsausdruck langsam seine Trinkflasche wieder aufstellte, die er eben gerade aus Versehen umgewurfen hatte.

Die Empörung war Schopenhauer klar anzusehen: Niemals hätte er erwartet, diesen Mann in dieser Bibliothek zu treffen! Und gewollt hatte er es schon gar nicht. Sein Groll gegen Hegels Werke hatte sich so weit entwickelt, dass er nun auch einen Groll gegen den Autor dieser hegte, und da konnte sich Schopenhauer nicht einfach so wieder auf die indischen Lehren konzentrieren. Er musste diesen Scharlatan im Auge behalten.

Was liest er da überhaupt?,fragte sich der Pessimist, und nahm seine Lesebrille ab, um besser den Buchtitel erkennen zu können. Als Hegel aber, der Schopenhauers bösen Blicke zu ihm hinüber bemerkte, sah, dass dieser den Titel seines Buches lesen wollte, klappte er das Buch zu und packte es unter dem Tisch auf seinen Schoß. Verflixt!,dachte sich Schopenhauer verärgert, und er ging nun dazu über, den anderen Philosophen grimmiger denn je anzustarren.

Hegel, der sich sichtlich ein wenig bedroht fühlte, starrte auf seinen Tisch und versuchte, Schopenhauer zu ignorieren. Er schaute hinunter zu seinem Buch "Sturm der Liebe: Der Geschmack des Erfolgs", das auf seinem Schoß lag. Er wollte unbedingt weiterlesen, denn die Stelle war unglaublich spannend für ihn. Robert hatte gerade mit seiner großen Liebe Mireille Streit, und es war unklar, ob die Beziehung der beiden bestehen könnte. Dabei waren sie doch so ein Traumpaar! Hegel schaute hinüber zu Schopenhauer, in der Hoffnung, er würde ihn nicht weiterhin so taxieren, doch jener blieb so wachsam wie ein Geier.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 11, 2022 ⏰

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