Kapitel 1

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15 Jahre und 11 Monate später.

Marko

Regen. Immer dieser Regen.

Der junge Wolf schaute griesgrämig aus dem Fenster. Sein Vater, Alpha des Rudels, war mit einigen Wölfen und Markos drei älteren Brüdern jagen. Marko war zurückgeblieben. 16 Jahre alt und  Zuhause, wie ein Kleinkind. Hausarrest lautete der Grund. Hausarrest wegen ein paar gestohlenen Äpfeln!

Marko sah einige Soldaten durch sein Heimatdorf gehen. Hexen und Zauberer auf Patrouille. Ihre Kaserne war nur eine Stunde vom Dorf entfernt. Jeden Tag zogen sie durch die umliegenden Dörfer. Sie waren Marko unheimlich. Einmal hatte ein Wolf versucht sie aus dem Dorf zu vertreiben. Sie hatten ihm mit Zauberei die Luft abgeschnitten und ihn erst wieder atmen lassen, als er kurz vorm Ersticken war. Danach hatten sie ihn in Arrest genommen.

Markos Blick wanderte zum gegenüberliegenden Haus. An einem Fenster hatte er jemanden entdeckt. Nein. Nicht jemanden; Finn. Er hatte Finn gesehen. Den Sohn des Betawolfs. Das einzige Kind des Betawolfs.

Der jüngere Wolf schaute ebenfalls gelangweilt aus dem Fenster. Kurz trafen sich ihre Blicke. Marko sah in zwei erschrockene Augen, dann war Finn fort. Der scheue Junge verließ nur selten das Haus und Marko hatte ihn noch nie in Wolfsform gesehen. Er war kränklich. Gläserne Knochen und ein empfindliches Immunsystem, hatte Markos Mutter es genannt. Vermutlich konnte er sich deshalb auch nicht in einen Wolf verwandeln. Seine Knochen waren zu schwach.

Marko seufzte. Hausarrest, wegen ein paar winzigen Äpfeln.

„Marko? Kommst du bitte?", hörte er seine Mutter rufen. „Ich brauche Hilfe beim Kartoffeln schälen."

„Ich komme", rief er zurück. Auf das Schälen von Kartoffeln hatte er keine Lust. Viele lieber würde er mit seinen Geschwistern durch die Berge jagen.

Julia

Regen. Immer dieser Regen!

Julia lag auf ihrem Bett im Gästezimmer ihrer Halbschwester. Wie jeden Sommer, verbrachte sie dort ein paar wenige Wochen. Sie hörte die Heilerin in der Küche singen und Gemüse klein schneiden. Lea hatte Julia gefragt, ob sie ihr helfen wollte, doch Julia frönte dem Regenfrust. In einem Monat würde sie 16 Jahre alt werden. Nur noch ein Monat, wenn sich in dieser Zeit keine Magie bei ihr Zeigt, würde sie sterblich bleiben, wie Paul, Ingrid und Peter.

Es klopfte an der Tür. Julia seufzte frustriert.

„Hast du Hunger", fragte Lea während sie sich neben ihrer Schwester auf das Bett setzte.

„Nicht wirklich." Julias Magen knurrte verräterisch.

Lea schmunzelte. „Bist du aufgeregt? Oder bedrückt dich etwas?" Sorge mischte sich in ihren amüsierten Blick. „Geht es um deinen Geburtstag? Ich bin mir sicher Ihre Majestät hat vor dir eine riesen Party zu schmeißen... An meinem 16. Geburtstag hat sie maßlos übertrieben."

„Pauls, Peters und Ingrieds Geburtstage hat sie nicht groß gefeiert... Es gab Kuchen, aber keine große Feier", murmelte Julia.

„Die drei sind Sterbliche. Sie haben Adelstitel erhalten, aber sie werden nie Teil unserer Gemeinschaft sein."

„Und wenn ich sterblich bin? Du hast deine Magie mit 14 bekommen, Fritz mit 12 und Kleo mit 13."

„Darum machst du dir Sorgen? Du hast noch Zeit. Einen ganzen Monat. Vielleicht wirst du eine Heilerin, wie ich? Dann gehst du drei Jahre zur Akademie, wie alle jungen Hexen und Zauberer, findest neue Freunde und danach kannst du in einem Krankenhaus arbeiten, oder Fritz unterstützen? Er hat die Aufsicht über alle Krankenhäuser... Oder du hilfst mir mit den Finanzen der Krankenhäuser?"

Hexe - Der AufstandWhere stories live. Discover now