✗ K a p i t e l Z w e i ✗

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Nach Luft schnappend reiße ich die Augen auf. Mein Herz holpert in meiner Brust und verzweifelt kämpfe ich gegen die Gefühle in mir an.
Die Trauer versucht mich zu ertränken, die Wut mich zu verbrennen, die Angst mich von hinten zu erdolchen.
Die Bilder schiebe ich weit weg von mir und versuche meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen.
Werden diese verdammten Träume jemals weniger werden?!
Um nicht noch länger in den Erinnerung zu versinken springe ich aus meinem Bett und beginne mit meiner Morgenroutine.
Mit einer schnellen, eiskalten Dusche versuche ich den Traum abzuwaschen, sollte ich es doch besser wissen...
Ich schnappe mir ein schlichtes, schwarzes T-Shirt und eine Jeans, gehe dann in die Küche, um mir etwas Gebäck aus der Tüte zu nehmen.
Meine Finger zittern und als ich mich auf den kleinen Holzstuhl am Esstisch setze, beginnt mein Kopf zu rotieren.
Was passiert heute? Könnte es anders laufen? Nein. Doch? Vielleicht!
Arg, ich hasse meinen Kopf, diese dummen Gedanken! Um mich etwas abzulenken ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und widme mich langweiligen Posts auf Instagram, während ich mit der freien Hand meinen Mund fülle.
Erst als mein Blick auf die Uhr fällt, springe ich auf, um mich auf den Weg zu meiner neuen Universität zu machen.

Nervös? Ich doch nicht! Kein Stück!
Meine Beine sind so weich wie Pudding, als ich aus dem Bus steige und vor dem riesigen, grauen Gebäude stehen bleibe.
Es sieht eigentlich aus, wie eine ganz normale Uni, mit ganz normalen Schülern...
Naja, bis auf mich...
Ich hole noch einmal tief Luft und überwinde den restlichen Weg in das große Haus.
Hier und da stehen Schüler und Schülerinnen zusammen und ein Bisschen tut es mir doch weh dies zu sehen, da ich weiß, dass ich nie zu irgendeiner Gruppe davon gehören werde...
Ja, so sieht nun mal mein Leben aus! Langweilig und einsam, aber was soll ich schon groß dagegen machen?
Ich hatte es versucht, wirklich! Ich wollte Freunde finden, habe Zettel geschrieben, doch das einzige, was passierte, war, dass mich alle spöttisch 'den Zetteljungen' nannten und das war noch das Netteste, was sie damals zu mir sagten.
Niemand weiß, was in einem vorgeht, was man alles durchgemacht hat und nun deshalb so ist, wie man ist. Man kann es nicht allen recht machen, irgendwas gibt es da immer. Meine Mutter sagte immer, dass jeder perfekt ist, wie er ist. Denn sonst würden doch alle aussehen, wie sie und dann wüsste ich nicht, wer meine Mutter sei.
Ein Stich fährt durch mein Herz, als ich an meine Mom denke.
Ich vermisse sie.
Ich vermisse meine alte Mama.
Mein altes Leben...

Als ich den großen Raum betrete, in dem meine erste Unterrichtsstunde stattfinden soll, laufe ich auf die hintersten Plätze zu und lasse mich dort auf einen Stuhl fallen. Bloß weit genug weg von menschlicher Interaktion und Aufmerksamkeit.
Nach vorne hin füllen sich nun langsam die Reihen, so hatte ich mir also einen guten Platz ausgesucht. Immer wieder mustern mich manche mit neugierigen Blicken, welche ich einfach ignoriere. Ich hasse es, das alles. Ich will einfach nur alleine sein, allein in meinem Zimmer, in meinem Bett. Wo mich niemand sieht, wo mir niemand ansehen könnte, wie seltsam ich bin. Wo ich mich vor der ganzen Welt verstecken kann. Wo-
"Hey". Erschrocken hebe ich meinen Kopf, als ich sanft an meiner Schulter berührt werde.
"Oh, sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken", kichert das Mädchen entschuldigend und setzt sich neben mich. Mein Körper verkrampft sich, mein Atem verdoppelt sich vor Stress.
Kurz versinke ich in ihrem Blick, ihre blauen Augen treffen auf meine grünen.
Ihre blonden, glatte Haare fließen ihr wie Wasser an ihrem schmalen Gesicht herab.
Sie ist ein echter Hingucker.
Nur eben nicht für mich.
Die große Frage nun: Was will sie von jemandem wie mir?!
Ich schenke ihr ein Lächeln und bitte sie mit einer einfachen Handbewegung zu warten. Also greife ich mir schnell einen Stift und fange an zu schreiben, wie ich heiße und, dass ich nicht sprechen kann.
"Ach, weißt du was? Wenn du nichts von mir willst, kannst du mir das auch ins Gesicht sagen, anstatt mich zu ignorieren. Arschloch!", ruft sie dann auf einmal wütend, steht auf, wirft enthusiastisch ihre Harre nach hinten und läuft arschwackelnd von Dannen, wo sie sich fünf Reihen weiter unten zu ihren Freundinnen setzt und lautstark über mich redet.
Jo, alles beim Alten.
Wütend auf sie, aber vor allem auf mich, atme ich laut aus und zerknülle den angefangenen Zettel wieder in meiner Hand.
Dank dieser Zicke und ihrem Herumgebrülle habe ich einige weitere Blicke auf mich gezogen, welche mich teils verwirrt, teils abwertend, aber auch teils schüchtern lächelnd anschauen.
Toll, noch mehr Aufmerksamkeit, wie ich die doch liebe!
Zum Glück kommt der Professor gerade in den Hörsaal, sodass es Augenblicklich ruhig wird und wir mit der Vorlesung beginnen können.

The Mute || boyxboyWhere stories live. Discover now