Nach paar Minuten weht es plötzlich stark und mehrere Gänseblümchen, die man gepflückt, aber dann auf den Boden geworfen hatte, fliegen auf den dreckigen Balkon. Belanglos greife ich nach einer und halte sie zwischen meinen Fingern. Wie schön sie doch ist. Ich weiß was das Ergebnis ist. Ich weiß, wie es enden wird. -Trotzdem werde ich es machen. ,,Baba liebt mich." sage ich und ziehe mit geschlossenen Augen etwas von den weißen Blüten. ,,Baba liebt mich nicht." ziehe erneut. ,,Baba liebt mich." ziehe wieder. ,,Baba liebt mich nicht." will ziehen, doch spüre nichts. Öffne die Augen und lächele traurig. Jap. Baba liebt mich nicht. Wusste ich es doch. Das wird sich nicht ändern. Wieso spiele ich mir selber was vor und zerstöre die schöne Blume? Immer mache ich das. Dieser kleine Hoffnungsschimmer in mir will einfach nicht aufgeben. Es will nicht daran glauben, dass Baba mich, seine eigene Tochter, nicht liebt. Von selbst greift meine Hand nach einem weiteren Gänseblümchen und wiederholt sein Vorhaben. - Das gleiche Ergebnis. Meine Hände halten sich stark fest, um nicht nochmal nach einer zu greifen.

Sehe dann aus dem Augenwinkel, wie jemand auf mich zu läuft. Gucke dahin und sehe Emirhan. Aber nicht alleine. Eine weitere Person läuft neben ihm. Eine männliche. Älter als Emirhan. Größer und muskulöser. Hat ebenfalls ein besseres Aussehen. Kleidung, die nicht dreckig ist wie unsere. Haltung, die wir nicht haben. Er strahlt Selbstbewusstsein aus. Ganz klar: Er ist nicht von hier. Hier gibt es nicht jemanden, der so ist. ,,Efo? Was machst du dort?" höre ich Emirhan fragen. Er guckt mich fragend an und bemerkt meine rote Wange nicht, da er links steht und meine brennende Wange auf der rechten Seite ist. Zucke mit den Schultern und senke meinen Blick. Ich werde einen fremden Jungen nicht angucken. ,,Ich werde die Jungs vom Park abholen. Kannst du bitte bei Muso bleiben?" ,,Kann ich machen." antwortet er lässig und legt seine Hände in seine Jackentasche. Sein Blick wandert zu meinen Händen, die ich sofort wieder auseinander nehme. Gut. Dann gehe ich gleich mal los.
Emirhan und der fremde Typ reden über etwas, doch ich höre nicht zu. Interessiert mich nicht. Meine Gedanken sind woanders. So wie ich es liebe, denke ich an etwas anderes. An etwas schönes. An etwas fabelhaftes. An etwas, was ich nie bekommen werde. An Freundschaften. An Zuneigung. An Gefühle, die mir gut tun.

,,Das Geländer ist nicht stabil. Pass auf." höre ich plötzlich die Stimme von dem unbekannten Typen, nachdem Emirhan ins Haus gegangen ist. Mir doch egal. Dann falle ich halt. Ziehe meine Beine hoch und halte mich am Geländer, bis es von sich ein zerbrechliches Geräusch gibt. Schnappe nach Luft und nehme sofort meine Hände weg. Oh Gott. Ich hatte kurz Angst gehabt.
Sehe das der Typ schon bereit steht und mir helfen wollte. Meine Augen huschen zu seinen dunkeln Augen. Er guckt mich auch an. Er guckt mich an. Ein Junge guckt mich an. Nehme sofort meinen Blick und halte Ausschau nach meinem Vater. Wenn er das sehen würde, würde ich definitv sehr leiden. Das will ich nicht, die Wange hat heute gereicht. Stehe auf und will ins Haus laufen, doch sehe wie Emirhan aus der Balkontür raus kommt und mir dem Typ wieder redet. Laufe rein und will die Tür schliessen, muss jedoch auf Emirhan warten bis er kommt. Er sagt seinen letzten Satz, was mich wieder zu ihm sehen lässt. Erneut kommt ein Windstoß und die Gänseblümchen, die auf dem Balkon waren, fliegen durch die offene Tür und eine neue kommt in meine offene Hand. Eine wunderschöne Blume.

Vielleicht sollte ich nochmal versuchen.

Vielleicht habe ich bei dieser neuen Blume besseres Glück.

,,Ich rufe dich dann morgen an, Atakan."

Rückblick Ende

Zufälligerweise ist mir der Name von dem Typ im Kopf geblieben und hat den gleichen Namen wie, der Mann mit dem ich verheiratet bin. Und sie sind definitiv nicht die gleichen Personen. Ich erinnere mich an sein Gesicht. Das sind nicht die gleiche Person. Ich weiß nicht mehr, was ich mit dem Gänseblümchen danach gemacht habe. Wenn jemand mich fragen würde, ob ich immernoch durch das Pflücken der Blüten, herausfinden möchte, ob mein Vater mich liebt, würde ich Nein sagen. Sowas mache ich seit Jahren nicht mehr. Besser gesagt, seitdem Baba verschwunden ist. Ich mache das nie wieder. Nie wieder.

TURKISH MAFIAWhere stories live. Discover now