Eine angespannte Stille herrscht im Auto, was mich nicht sonderlich interessiert. Jedoch eine Sache die nicht mein Kopf verlässt:
Die Schwächheit von mir. Ich bin ein scheiss Schwächling. Schwächling. Schwächling.
Ein Schwächling, der Drogen genommen hat. Drogen. Drogen. Drogen. Amphetamin. Das...das...war das wirklich ich? Ich? Efsane?
Bin ich wirklich so weit gesunken? Erbärmlich. Armselig. So armselig bin ich.
Und das mit dem Waschmittel? Das ist nicht so schlimm, wie die dieses weiße Pulver. Schließe die Augen und meine Augenlider fallen mir zu paar Mal zu, doch hier will ich ganz bestimmt nicht einschlafen. Außerdem habe ich höchstwahrscheinlich einen Alptraum. Ich will Baba nicht sehen. Er tut mir immer weh. Innerlich und Äußerlich.

Schlage die Autotür leise zu und beachte niemanden. Laufe Richtung Eingangstür, die schon offen ist. Eine besorgte Eda steht davor und atmet erleichtert aus, als sie mich sieht.
Höre wie die andere Autotür zu geknallt wird und zucke wegen dem lauten Geräusch zusammen. Atakan. Dieser Mann wird mich bestimmt heute noch umbringen. So wütend wie er ist. ,,Wie geht es dir?" fragt Eda und macht mir Platz, um ins Haus zu gehen. Wie geht es mir? Eine einfache Frage, für die ich keine einfache Antwort finde. Wie geht es mir? Zucke nur mit den Schultern und bin nicht in der Lage, mein Mund zu öffnen. Habe ich gestern schlimme Sachen gemacht? Sollte ich Eda mal fragen? Vielleicht kann sie mir ja was sagen. Doch erstmal will ich mich schlafen legen. Ohne etwas zu sagen, steige ich die Treppen hoch und laufe in das Schlafzimmer, um mich schlafen zu legen und von der Realität zu fliehen. 

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19:04 Uhr

Ob ich wirklich fast den ganzen Tag im Zimmer geblieben bin, um nicht Atakan zu begegnen? Jap. Bereue es nicht. Um ehrlich zu sein hatte ich und habe keine Energie, um mich zu bewegen. Tief atme ich aus und spüre wie der Wind meine offenen Haare nach hinten weht. Sitze auf dem Balkon, unter dem Schatten. Hunger habe ich nicht. Durst auch nicht. Ich habe auf nichts Lust. Das passiert mir manchmal. Wenn ich auf nichts Lust habe, tue ich nichts und gucke stundenlang in die Luft. Mir wird nicht langweilig oder so. Es ist entspannend nichts zu tun. Sich nicht zu bewegen. Nicht zu reden. Nicht zu atmen.

Das Essen, was mir Eda hoch gebracht hat, liegt immernoch unberührt auf dem Schminktisch. Ich will es nicht. Ich will es einfach nicht. Nichts will ich. Ein trauriges Lächeln umspielt meine Lippen, als ein plötzliches Bild vor meine Augen kommt.

Rückblick

Vor sechs Jahren

,,Efsane? Was machst du dort?" fragt mich eine ältere Frau auf türkisch und guckt mich schockierend an. Im Moment sitze ich auf unserem ganz kleinen Balkon, der sehr dreckig ist. Diese Frau ist bekannt als die Lästertante. Der würde ich nichts erzählen. Zucke nur mit den Schultern und richte mein Shirt. ,,Hat dich dein Vater wieder geschlagen? Ach ach. Deine Wange ist feuerrot, mein Kind." Bleibe stumm. Meine Hände umgreifen die Stangen vom Balkongeländer und lasse meine Beine in der Luft hängen. ,,Kiz yapma! Du fällst gleich." (Mädchen hör auf!) Mir doch egal. Dann falle ich halt von hier. Es sind doch nur zwei Meter bis zum Boden. Schließe genervt die Augen, als sie anfängt, über meinen Vater zu lästern. Alkoholabhängiger Mann. Gewalttätiger Vater. So ein Mensch sollte das Höllenfeuer spüren. Jetzt bietet sie mir an, mit zu ihr zu kommen. Ich schüttele mit dem Kopf. Ich muss meine Brüder vom Park abholen und in ihr Bett legen. Mein ein-jähriger Bruder, Mustafa, liegt im Bett und schläft. Ich muss auf Emirhan warten, damit er bei Muso bleiben kann, weil ich ihn nicht alleine lassen will. Danach gehe ich zum Park. Die Lästertante läuft kopfschüttelnd weg und lässt mich endlich allein. Lehne meine Stirn an die dünne Stange und sehe dem Sonnenuntergang zu.
Ja, meine Wange ist rot. Nur ein bisschen. Die Tante übertreibt wieder. Wie immer.

TURKISH MAFIAWhere stories live. Discover now