Ein Wintermärchen

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Es würde vermutlich nicht mehr lange dauern und Childe würde hier aufkreuzen. Pulcinella seufzte schwer. Den Mist hatte er sich auch selbst eingebrockt, oder? Doch der Brief war bei Childe und er könnte all das nicht mehr rückgängig machen, selbst wenn er es wollte. Doch ein Teil von ihm wollte sowieso etwas anderes. Sonst hätte er ihn schließlich nicht eingeladen. Nachdenklich strich er über die Federn seines Mantels, entschied sich aber gegen seine Uniform. Immerhin war das hier ein informelles Treffen. Er legte einen leichteren Mantel mit Pelzkragen bereit und eine Mütze. Prüfend begutachtete er sich im Spiegel und zupfte an seinen Haarspitzen herum. Dann setzte er sich hin und wartete. Weil er plötzlich das Gefühl hatte, seine Kehle wäre trocken, trank er ein Schluck Wasser. Danach fühlte er sich aber nicht wirklich besser, auch weil er nicht aufhören konnte, ständig auf die Uhr zu sehen. Er hätte im Brief eine Uhrzeit angeben sollen. Unwirsch ließ er den Blick zum Regal wandern. Ein anderes Wasser musste her.

Nachdem er ein, zwei, drei Schluck von dem Vodka getrunken hatte, fühlte er sich wenigstens ein bisschen besser, nur war ihm warm. Also knöpfte er sein Hemd leicht auf und fuhr sich durchs Haar, während er sich für seine eigene Blödheit hasste. "Wie lange will er mich hier noch warten lassen?", ging es ihm durch den Kopf, als sein Blick an einem alten Familienfoto hängen blieb.

Er erinnerte sich an früher, sein großer Bruder war Beamter am Zarenpalast und immer sehr belesen und beliebt gewesen. Kaum erwachsen, hatte er eine schöne Frau kennengelernt, dann folgte Hochzeit, Kind, das volle Programm. Damals war er selbst noch ein Kind – das all das widerwärtig und ekelhaft fand, aber trotzdem seinem großen Bruder nacheifern wollte. Er war ein ernstes Kind, die Nase immer in irgendwelchen Büchern, fernab von der realen Welt, mit den ganzen Menschen, die er allesamt unterbelichtet und langweilig fand... bis er schließlich eine neue Welt entdeckte, die ihm mehr zusagte... seine militärische Karriere ging steil, ganz zum Missfallen seiner Familie...

"Und wenn sie jetzt wüssten, dass ich im Begriff bin, mit einem Mann auszugehen, dann hätten sie mich wahrscheinlich erstrecht enterbt", führte er den Gedanken zu Ende. Aber um ehrlich zu sein, hätte er nie gedacht, dass er jemals in dieser Situation sein würde. Es fühlte sich gut und gleichzeitig zum Kotzen an. Langsam verstand er, warum Childe ihm an jenem Abend vor die Füße gekotzt hatte.

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Childe hatte nicht genau gewusst, wann er bei Pulcinella vorbei gehen sollte, also hatte er zumindest den Mittag abgewartet, um ihn nicht zu stören. Er trug einen hellen Mantel mit dunklem Pelz, darunter ein rotes Oberteil. In der Hand trug er seine Schlittschuhe, ein weißes, elegantes Modell. Er hatte sie sich damals gekauft, um mit den anderen Rekruten Eislaufen zu gehen. Als er endlich angekommen war, klopfte er an der Tür und wartete. Als Pulcinella ihm endlich öffnete, fiel sein Blick zuerst auf seinen Ausschnitt, anstatt in sein Gesicht.

"Uhm...hey...willst du SO gehen?", fragte er und lächelte verlegen, als er schließlich mit leicht roten Wangen zu ihm aufblickte.

"Komm noch kurz rein. Ich zieh mir was an", murmelte er.

"Du musst aber auch nicht...", konnte Childe sich nicht verkneifen. Aber zum Glück hatte Pulcinella das vermutlich nicht mehr gehört. Wenig später kam er im Mantel zurück und sie konnten los. Childe hatte sich eine andere Begrüßung erhofft, aber wenigstens hatte er eine schöne Aussicht gehabt...

Pulcinella war wie immer, nur gezwungen offener. Das war wirklich lustig. Aber Childe wagte es sich nicht, sich über ihn konkret lustig zu machen, das würde er sicher bereuen... also unterhielt er sich unverfänglich mit ihm auf dem Weg zum Weiher... im Grunde darüber, dass er nicht wusste, ob er noch Eislaufen konnte, über seine Zeit in Liyue... versucht, die Verabredungen mit Zhongli weitestgehend auszublenden.

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