Kapitel 11 - Stadt aus Weiß und Blau | 1

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Das Frühstück, das für alle aus Brot bestand, brachten sie schweigend hinter sich. Die Wirtin war sichtlich enttäuscht, als die vier sie verließen. Immerhin hatte sie durch Ardenwyn und ihr Kartenspiel mehr Geld eingenommen als üblich.

Selbst jetzt, Stunden später, erblickte sie noch den ein oder anderen betrunkenen Gast von gestern an einem der schmutzigen Tische schlummern. Jeder von ihnen mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Beiläufig tastete sie mit ihrer linke Hand nach den Karten und hätte beinahe selbst gelächelt, wäre nicht der Traum noch zu präsent. Der Traum, der eigentlich eine Erinnerung an die Nacht war, in der Honra sie in den Straßen des Labyrinths aufgelesen und zu sich nach Hause, zu seinem Meister, gebracht hatte.

Er hatte die Karten zusammen mit ihr gestaltet, einige Wochen, nachdem sie bei ihnen eingezogen war, da sie sich nicht von ihrer Sofaecke rühren wollte und bei jedem Geräusch, das von den Straßen zu ihr durchdrang, zusammengezuckt war. Die Karten gemeinsam mit ihm zu basteln hatte eine Art heilende Wirkung auf sie gehabt und sie war – zumindest wenn Honra bei ihr war – deutlich ruhiger und entspannter gewesen. Selbst, als er schließlich mit ihr zusammen die sicheren vier Wände verlassen hatte und mit ihr durch die Gassen gegangen war.

Ardenwyn begrüßte die frische Luft, die ihr um die Nase wehte, sobald sie die Tür des Gasthauses geöffnet hatten und hinaus traten. Da es noch so früh am Morgen war, war es still, obwohl sich das Gasthaus an einer der geschäftigen Hauptstraßen befand, die zur Hafenstadt führten. Allein das Gezwitscher der Vögel war zu vernehmen.

»Dann also nach Capri«, sagte Wisteria, nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte. »Da haben wir ein gutes Stück vor uns.«

»Das ist wahr. Aber das wird noch ein wenig warten müssen«, meinte Diascur. »Wir haben noch Verbündete in Fort Aequoria, die zu uns stoßen wollen.«

»Verbündete?«, harkte Ardenwyn skeptisch nach. Hatte der Prinz nicht gestern noch gesagt, er wolle sich nach Leuten umhören, die sich ihnen anschließen konnten?

»Ich bin kein ganzes Jahr untätig gewesen«, benachrichtigte er sie. »Und es ist an der Zeit, dass wir wieder zusammenfinden.«

Sie behielt für sich, dass sie das als keine gute Idee ansah, nach Fort Aequoria zu gehen, zumal sie befürchtete, auf Wachen aus Mortas Potera zu stoßen. Denn dies wäre der perfekte Ort, um die Perlen von Kahn aus dem Land zu schmuggeln. Bestimmt warteten die Wachen dort auf sie.

Anscheinend hatte es in der vergangenen Nacht heftig geregnet, denn unter jedem ihrer Schritte schmatzte der aufgeweichte Boden und brauner Schlamm klebte an ihren Schuhen. Wenn das so weitergehen würde, wären ihre Schuhe auf halben Weg nach Fort Aequoria ganz klamm und sie würde sich sogleich neue besorgen müssen, da ihre hinüber sein würden. Ardenwyn verzog leicht das Gesicht bei dem Gedanken, so kurz nach Beginn ihrer Reise bereits Geld ausgeben zu müssen. Als sie sich für ihre Flucht aus Mortas Potera auf Beutezug begab, hatte sie ganz sicher nicht damit gerechnet, schon so bald auf ihre Reserve zurückgreifen zu müssen, mit der sie eigentlich vorgehabt hatte, lediglich Lebensmittel zu kaufen und sich mit dem Rest ein neues Leben aufzubauen. Aber das konnte sie nun ohnehin vergessen.

»Was würde ich jetzt für eine Kutsche geben!«, seufzte Zirkon und die Diebin verkniff es sich, mit den Augen zu rollen. Solch einen Satz hätte sie eher von jemanden wie Diascur erwartet, obwohl dieser wenig Einblicke in sein Innerstes zuließ. Mit teilnahmsloser Miene setzte er seinen Weg fort, schenkte seinen edlen, aber verschmutzen Schuhen keinen einzigen Blick. Von solch einer Nichtigkeit ließ er sich nicht aufhalten. Obwohl sie sich sicher war, dass er viel Wert auf seine äußere Erscheinung legte. Wäre dem nicht so, wäre er nicht bereits so edel im Labyrinth aufgetreten.

Bäume säumten ihren Weg und schützte sie vor dem Wind, der heute – trotz der bereits verzogenen Regenwolken und des warmen Sonnenscheins – stark wehte. Heulend fegte er durch die Baumkrone, brachte die Äste bedrohlich zum Schaukeln.

Feuertänzerin - Erbin der FlammenWhere stories live. Discover now