* Kapitel 2 *

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Drei Wochen zogen in das Land und inzwischen war der Schock wegen des Überfalls verdaut. Allerdings ließen die Cortens, wie befürchtet, ihren Frust deutlich an dem Personal aus. Anfangs hatte Sophia noch Mitgefühl für das Ehepaar, weil deren Ansehen unverschuldet einen Knacks bekommen hatte, doch inzwischen war dieses Gefühl erloschen. Jede noch so kleine Kleinigkeit wurde von den Cortens als Katastrophe angesehen und dementsprechend bestraft. Sophia konnte es kaum ertragen, hatte aber ein Talent dafür sich im abseits zu halten und unbemerkt zu bleiben. Andere waren jedoch nicht so geschickt darin.
Wie Sophia inzwischen erkannt hatte, war Lord Cortens zudem ein Lüstling, der seine Finger nicht bei sich behalten konnte. Seine Frau hingegen schien es nicht zu kümmern, sie erlaubte ihrem Mann den Spaß mit anderen Frauen.
"Man sagt, sie kann keine Lust empfinden und findet Sex anstrengend, daher ist sie froh, wenn ihr Mann sich anderweitig amüsiert", meinte Tanja als sie eines Mittags zusammen mit Sophia draußen im Hof stand und die nasse Wäsche über gespannte Leinen hängte.
"Also wenn ich einen Mann hätte, könnte ich so etwas nicht dulden", sagte Sophia.
"Tja, wie ich dir bereits des Öfteren schon sagte, die Cortens sind nicht richtig im Kopf", meinte Tanja und sah prüfend umher, um sicherzugehen, das niemand sie belauschte.
"Ich gebe zu, in letzter Zeit wurden sie sehr anstrengend", murmelte Sophia und dachte daran, wie sie erst am frühen Morgen den Lord dabei erwischt hatte, wie er sich der jungen Isabelle, eine Magd in ihrem Alter, aufdringlich genähert hatte. Dass die junge Frau seine Berührungen nicht gewollt hatte, war offensichtlich, ihm aber egal gewesen. Lady Cortens war sogar dabei gewesen, hatte dem Vorfall aber keines Blickes gewürdigt und sich stattdessen auf ihre Näharbeiten konzentriert. Dies zu sehen hatte Sophia in der Tat sehr erschrocken und inzwischen war ihr die Vorstellung in das Blickfeld der Cortens zu treten, sehr unangenehm.
"Hast du es denn immer noch nicht bemerkt?", fragte Tanja.
"Was genau denn?".
"Das es hier die Hölle ist zu arbeiten. Lady Cortens interessiert sich für nichts, während ihr Mann ganz offen seinen Spaß an Sex und Folter hat", meinte Tanja.
"Folter?", fragte Sophia erschrocken.
"Er ist sadistisch. Er kriegt nur einen hoch wenn andere Schmerzen haben oder sich wehren. Warum glaubst du wohl gibt es die Regel, nicht den Westflur, mit den privaten Räumen der Cortens, zu betreten? Dort oben lebt er seine kranken Fantasien aus", erzählte Tanja.
"Moment mal, übertreibst du da nicht? Ja, sie sind nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, aber so schlimm doch nun auch wieder nicht", meinte Sophia.
"Du bist genau wie die anderen. Du ignorierst das offensichtliche", murrte Tanja.
"Wie meinst du das denn jetzt?", wollte Sophia wissen.
"Weshalb denkst du wohl, verdienen wir hier so gut? Das Gehalt ist deutlich höher als bei anderen. Das ist Schweigegeld meine liebe. Und macht doch mal einer den Mund auf wird er entsorgt", antwortete Tanja und Sophia rang um Atem.
"Was meinst du mit entsorgt?".
"Man wird getötet".
"Das ist doch jetzt nicht dein ernst", entfuhr es Sophia.
"Ich mag dich Sophia und will dich warnen. Ich gebe zu, ich schmücke meine Erzählungen manchmal gerne aus, aber diesmal meine ich es ernst. Du kennst doch Elsa oder?".
Sophia nickte. Elsa war die persönliche Zofe der Lady gewesen, hatte vor einigen Tagen aber gekündigt und wurde seitdem nicht mehr gesehen.
"Dass sie kündigte, ist eine Lüge. Der Lord erwählt sich in regelmäßigen Abständen ein neues, wie er es nennt, - Spielzeug. Elsa war dran. Im Westflügel hält er seine Spielsachen gefangen und macht dort seine perversen Spiele mit ihnen. Inzwischen jedoch, so wette ich, wurde Elsa längst entsorgt und sicherlich wird man ihre Leiche bald finden", sagte Tanja.
"Margarete hatte recht, als sie sagte, du erzählst gerne Geschichten. Was du da sagst, kann ich nicht glauben", meinte Sophia.
"Tja, du wirst schon sehen, es ist nur eine Frage der Zeit".

Drei Tage später kam Sophia zu Ohren, das Isabelle gekündigt habe. Ungewollt musste sie daran denken, was Tanja ihr erzählt hatte. Furcht erfüllte sie, auch wenn sie nicht vorhatte, den Märchen der Rothaarigen zu glauben. Dennoch versuchte sie weiterhin, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und ihre Arbeit fehlerfrei zu erledigen. Dabei nagten die Worte von Tanja doch stärker an ihr als gewollt. Natürlich hatte sie begriffen, dass Lord Cortens ein Lüstling war und sich Frauen gegen ihren Willen näherte. Doch ein Mörder war er gewiss nicht. Sie konnte sich nämlich nicht vorstellen, das so etwas unbemerkt bleiben würde. Tanja hatte zwar von Schweigegeld gesprochen, aber Sophia war sich sicher, dass jemand, wie zum Beispiel Margarete, so etwas nicht annehmen und viel eher nach Gerechtigkeit sinnen würde.
Doch dann, zwei weitere Tage später, wurde die Leiche von Elsa in einem Fluss treibend gefunden. Diese Nachricht versetzte Sophia unter Schock. So schwer es ihr auch fiel, aber ihr wurde bewusst, das Tanja wohl nicht gelogen hatte. Kurz nach dem Leichenfund tauchte Samuel auf, jener Mann, der in dieser Gegend das Gesetz im Griff hatte. Lange war er mit den Cortens in deren privaten Räumen verschwunden, ehe er wieder ging. Tanja, die kurz danach zu Sophia kam, berichtete ihr, das er vermutlich sein Schweigegeld abgeholt habe. Wie sie erzählte, war er schon des Öfteren hier gewesen und jegliche Anschuldigung, die sich bisher gegen die Cortens gerichtet hatten, waren von ihm vernichtend widerlegt worden. Er arbeitete mit ihnen zusammen und Lord Cortens konnte unter seinem Schutz weiterhin seine Spielchen spielen.
Es war nicht das erste und vermutlich auch nicht das erste Mal, dass eine seiner Angestellt Tod aufgefunden worden war.
"Glaubst du mir jetzt endlich?", fragte Tanja. Sophia blieb ihr eine Antwort schuldig, zu schockiert war sie und natürlich war ihr sogleich klar, das sie nicht länger hier arbeiten konnte. So schnell wie möglich wollte sie weg, bevor Lord Cortens beschließen könnte, das sie das nächsten Spielzeug sein sollte. Daher packte sie noch am Abend ihr weniges Hab und Gut in eine Tasche und beschloss am nächsten Morgen zu kündigen. Lange blieb sie in dieser Nacht wach und irgendwann kam ihr Isabelle in den Sinn. Hatte die junge Frau wirklich gekündigt oder wurde sie im Westflügel gefangengehalten? Die Vorstellung, dass letzteres zutreffen könnte, raubte ihr den Schlaf. Erst zu den frühen Morgenstunden hin, schlief sie ein und erwachte, als es später Mittag war. Sich wundernd, das niemand sie geweckt hatte, verließ sie ihre Kammer und wappnete sich dafür, den Cortens ihre Kündigung mitzuteilen.
Doch das Ehepaar war nicht zu finden. Generell war es sehr ruhig im Haus. Nach einigem Suchen fand Sophia schließlich Margarete in der Küche.
"Endlich wach? Ich versuchte dich zu wecken, doch vergeblich. Ich dachte mir, das es dir wohl nicht gut geht und ließ dich schlafen. Keine Sorge, heute gibt es nicht viel Arbeit und die Herrschaften sind außer Haus. Es wird keinen Ärger geben", meinte die Ältere und Sophia musterte sie ganz genau. Es war unmöglich, dass Margarete nicht wusste, was der Lord tat. Wie konnte sie nur schweigen und alles dulden? Offensichtlich hatte sich Sophia sehr in ihr geirrt und plötzlich hatte sie das Gefühl, der älteren mit Vorsicht begegnen zu müssen. Es war enttäuschend und dennoch ließ sich Sophia nichts anmerken. Sobald sich die erstbeste Gelegenheit bot, kehrte sie in ihre Kammer zurück und schulterte dort ihre Tasche. Es wäre wohl das beste zu gehen, solange die Cortens nicht da waren. Doch irgendetwas ließ Sophia zögern. Etwas in ihren Inneren rief sie dazu auf, den Westflügel zu untersuchen. Wenn Isabelle dort wirklich war, konnte sie die arme wohl kaum dort zurücklassen. Sophia ermahnte sich, dass es sicherer sei, lieber nur an sich zu denken. Doch ihre Füße gehorchten ihrem Verstand nicht und führten sie geradewegs in den verbotenen Westflügel.
"Was mache ich hier nur, wenn man mich erwischt, sind meine Tage gezählt", murmelte sie und begann dennoch zögerlich, in die Räume hinter den vielen Türen zu spähen. Sie erblickte ein Nähzimmer, in dem es penetrant nach dem Parfum der Lady roch. Sogar eine Bibliothek konnte sie erspähen und am beeindruckendsten war wohl das Schlafgemach. Die Cortens hatten ein Bett, das einem König würdig war. Nichts wirkte irgendwie verdächtig und Sophia fragte sich, ob sie sich vielleicht doch geirrt haben könnte. War der Leichenfund von Elsa nur ein Zufall? Sie erstarrte, als aus dem Raum, den sie als einzigen noch nicht überprüft hatte, deutlich das Klirren von Ketten zu hören war. Mit wild rasendem Herzen eilte sie darauf zu und öffnete die Tür. Wie erstarrt hielt sie inne.
Die Fenster waren mit dicken schwarzen Vorhängen bedeckt. Es gab ein großen Bett und einen Tisch auf dem allerhand merkwürdige Dinge lagen. Es sah aus wie Werkzeug, doch sie schaute nicht genauer, da die Frau, in der Mitte des Raumes, ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie hing an einer Kette, die an der Decke befestigt war. Mit ihren Füßen berührte sie kaum den Boden. Es war Isabelle und sie war Nackt. Bereits getrocknetes Blut klebte zwischen ihren Schenkeln und blaue Schwellungen, zeugten von Schlägen. Beinahe wäre Sophia vor Schreck zusammengebrochen, doch das Adrenalin hielt sie auf den Beinen. Zitternd eilte sie zu Isabelle, die versuchte ihr etwas zu sagen, was durch den Knebel, der in ihren Mund steckte, aber nur, als dumpfes Gemurmel zu verstehen war.
"Ich werde dir helfen", versicherte Sophia ihr und sie durchwühlte die Sachen auf dem Tisch, hoffend, dort den Schlüssel für die Fesseln zu finden. Zwecklos. Rasch kehrte sie zu Isabelle zurück und nahm ihr den Knebel aus dem Mund.
"Gemach, ... der Schmuckkasten", krächzte sie und das sprechen schien ihr schwer zu fallen. Sogleich rannte Sophia in den Flur zurück und suchte das Gemach auf. Tatsächlich fand sie dort einen Schmuckkasten, in dem sich ein Schlüssel befand. Hastig kehrte sie damit zu Isabelle zurück. Doch noch bevor sie etwas tun könnte, hörte man eine Tür und schwere Schritte. Ein Pfeifen hallte durch den Flur und Sophia erstarrte. Es war Lord Cortens. Panik breitete sich in ihr aus und bevor sie es realisierte, steckte sie Isabelle den Knebel in den Mund zurück und versteckte sich dann hinter dem Bett. Keine Sekunde zu früh, den kurz darauf trat Lord Cortens ein.
"Hast du mich vermisst? Ich dich jedenfalls schon", sagte er und trat dicht an Isabelle heran. Genussvoll ließ er seine Hand über ihren nackten Körper gleiten, während sich Isabelle verzweifelt in den Ketten zu währen versuchte. Sie hatte keine Chance und ihre Wiederwehr schien den Lord sehr zu erregen. Sophia, die unbemerkt blieb, spähte zitternd hinter dem Bett hervor und wurde nun zeuge, wie der Lord sich über Isabelle hermachte. Auf eine bestialische Art und Weise, begann er sie zu vergewaltigen. Es war so ekelerregend anzusehen, das sich Sophia beinahe erbrochen hätte. Es brannte sich in ihr innerstes ein wie eine Krankheit und erst nach wenigen Augenblicken war sie in der Lage, ihre Starre zu durchbrechen. Bevor sie wusste, was sie tat, sprang sie hinter dem Bett davor und ergriff sich jenen Gegenstand vom Tisch, der sie an einen Schläger erinnerte. Lord Cortens entdeckte sie, doch noch bevor er von Isabelle ablassen konnte, schlug Sophia ihm mit aller Kraft den Schlägel gegen den Kopf. Mit weit aufgerissenen Augen sah er sie an, ehe er zusammenbrach. Blut sickerte aus seinem Kopf und er rührte sich nicht. Entsetzt blickte Sophia auf ihn nieder und ließ den Schlägel fallen. Hatte sie ihn getötet? Sie wollte es nicht herausfinden und eilte sich nun, Isabelle zu befreien. Doch kaum lösten sich die Ketten, stürzte sie zu Boden. Sophia fluchte, als sie erkannte, wie geschwächt Isabelle war.
"Steh auf, komm schon, wir müssen von hier verschwinden", flehte sie. Isabelle versuchte es und schaffte es tatsächlich auf die Beine, wenn auch sehr wackelig. Sophia stützte sie und rasch traten sie in den Flur hinaus.
"Warte hier", bat Sophia, lehnte Isabelle gegen die Wand und rannte dann geschwind in das Gemach der Cortens wo sie einen Mantel der Lady besorgte. Sie konnte ja wohl kaum mit einer nackten Isabelle die Flucht antreten, das würde zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
"Ich hoffe nur, uns wird keiner aufhalten", dachte Sophia, als sie zu Isabelle zurückkehrte und ihren geschundenen Körper in den Mantel hüllte. Gemeinsam verließen sie den Westflügel und taumelten kurz darauf in die Eingangshalle. Dort wurden sie von anderen des Personals gesehen, doch man unternahm nichts, um die beiden aufzuhalten. Sophia zögerte nicht und zerrte Isabelle, die sie unablässig stützen musste, aus dem Haus. Es war kaum zu glauben, doch sie verließen ungehindert das Anwesen und verschwanden in den verwinkelten Straßen der Stadt.

Des Piraten liebster SchatzWhere stories live. Discover now