Ankunft in Venedig

Começar do início
                                    

„Diskriminierung", brummte Lennox, doch Sammy breitete die Arme so weit aus, dass sowohl er als auch Siska in seiner Umarmung mit eingeschlossen wurden. Alea grinste ihn an, und Lennox grinste zurück. Tess wich panisch aus.

„Musst du immer so stürmisch sein?", fragte sie kopfschüttelnd und mit ihrem leicht französischen Akzent.

„Klar!", lautete die Antwort. „Denn wenn ich einfach nur angelatscht komme, weiß niemand, was für ein spektakulärer Bestmoment das ist!" Gleich darauf zupfte Sammy eine Fluse von Siskas Handschuh ab und zwinkerte. Ihm schien es nicht auszumachen, dass er ein Mädchen umarmte, das er kaum kannte. Dann kam auch Ben.

„Wo finde ich denn hier jetzt noch Platz?", fragte er scherzhaft und Alea streckte den Arm nach ihm aus und zog ihn mit in die Umarmung an eine freie Stelle rein. „Au ja!", rief Sammy. „Gruppenkuscheln!" Schließlich wurde auch Tess nicht vor ihm verschont, was diese gar nicht toll fand.

Kurz danach lösten sie sich wieder. „Ich bin so froh, euch wieder zu sehen!", sagte Alea lächelnd und dachte an die Tage zuvor, bei denen sie nur mit Lennox zusammen war.

„Ich auch", sagte er gleich darauf. „Die Zeit am Rhein war wirklich... anstrengend."

„Also wir haben megakrassviel Spaß gehabt!", erwiderte Sammy. „Dafür war es bei euch viel spannender." Er zog die Brauen zusammen und dachte scheinbar darüber nach, was jetzt von beiden besser war.

Alea konnte ihm nicht widersprechen. Was eigentlich nur die Suche nach ihrer Zwillingsschwester am Loreleyfelsen war, entpuppte sich als lange geplante Falle von Doktor Orion. Dadurch hatten sie zwar Thea gefunden – doch kaum später wieder verloren.

„Wie lang bleiben wir denn eigentlich hier?", fragte Tess. „Schließlich müssen wir ja nächste Woche in Rom sein." Ben zuckte mit den Schultern.

„Alea, Lennox und Siska haben ja noch nichts von hier gesehen. Wir sollten aber auch für das Konzert proben – immerhin stehen wir bald vor tausenden von Menschen auf der Bühne!"

Bei der Vorstellung zog sich alles in Alea zusammen. Mittlerweile war sie beim Musizieren auf der Straße kaum mehr nervös. Es hörten nie mehr als ein paar Personen zu, und nun sollte sie vor gefühlt der halben Welt singen? Es erstaunte sie, wie locker die anderen damit umgingen.

„Was ist mit mir?", fragte Siska auf Hajara, da sie Deutsch nicht verstehen konnte.

„Wir spielen in einem Konzert", sagte Lennox.

„Das ist ja ein Ding! Wann ist denn eure Aufführung?"

„In einer Woche."

Siskas Augen weiteten sich. „Oh", sagte sie.

Sammy quatschte ihr dazwischen. „Schneewittchen! Sir Scorpio! Wann wollt ihr zwei Schmachtschätzchen euch denn an der Schönheit Venedigs beseelen?", fragte er. „Schließlich habt ihr von euren Abenteuertagen ein bisschen Entspannung verdient, findet ihr nicht auch?"

„Auf jeden Fall!", sagte Alea und freute sich auch schon darauf. Sammy klatschte in die Hände.

„Wunderbärchen! Ben und ich haben ein Laden gesehen, wo man sich Essen zum Mitnehmen kaufen kann. Da können wir doch gleich was holen. Und dann setzen wir uns auf eine schön große Bank mit Blick auf's Wasser und wir sind ganz still, damit Sir Scorpio und du den Klängen Venedigs lauschen könnt und schön..." Sammy warf die Arme nach hinten und atmete lautstark aus. „... und selig in aller Seelenruhe euch beseelen lassen könnt."

„Klingt nicht schlecht", meinte Lennox. „Aber hast du vergessen, dass wir nicht allein gekommen sind?" Siska, die neben ihm stand, wusste wirklich nichts mit sich anzufangen und schaute deshalb interessiert auf einen unsichtbaren Fleck am Boden. Sammy blies die Wangen auf. „Ich hab eine Idee", sagte er. „Wir werden uns tiefgründig unterhalten, damit der werte Herr Ben mit uns allen zufrieden sein kann, stimmt doch, Ben, oder?"

Alea erinnerte sich noch daran, wie Ben sich erst mal mit ihr und in Amsterdam auch noch mit Lennox unterhalten wollte, und das hatte Sammy wohl nicht vergessen. Nicht, dass er sonst Sachen schnell vergessen würde, doch nun hakte er sich an seinem älteren Bruder und bei Siska unter und schlenderte mit großem Tamtam zur nächsten Sitzgelegenheit. Tess, als einzige übrig geblieben, stöhnte. „Die können sich doch eh nicht verstehen."

„Ben kann ein bisschen Hajara", erwiderte Lennox. „Für ein solches Gespräch reicht es vielleicht sogar aus. Na ja, kommt drauf an, was sie so alles besprechen."

Tess nickte und bei diesem Punkt schien ihr etwas einzufallen. „Weiß Siska eigentlich etwas von ihrem Vater?"

„Ja, wir haben es ihr erzählt", sagte Alea.

„Und? Wie hat sie reagiert?"

„Erst... erschrocken. Dann fassungslos und dann..." Alea wusste nicht so genau, wie sie das nun formulieren sollte. „... dann wurde sie wütend, aber entschlossen wütend, als würde sie das noch mehr zu Orions Entführung anspornen. Denn wenn die Darkoner nicht mehr zu ihm zurückfänden, wäre Zeirus ja vielleicht frei. Und mit ihm die anderen."

„Und Siska würde mit ihm gehen", sagte Lennox. Alea stutzte, denn über das Danach hatte sie sich noch keine richtigen Gedanken gemacht. Möglicherweise würde sie mit ihrem Vater gehen, aber sie hatte ja noch Pflegeeltern und ging eigentlich zur Schule. Wenn sie mit Zeirus mitgehen sollte – wohin würde das führen? Der Darkonerchef lebte seit Jahren bei Orion und hatte keine sichere Unterkunft, wo sie bleiben konnten. Bei Aleas eigenem Vater Keblarr hatte sie sich auch für die Alpha Cru entschieden, aber das war natürlich ein komplett anderer Vergleich. Und wenn Siska nun bei ihnen oder ihren Pflegeeltern blieb, was würde dann Zeirus machen? Für ihn wäre das ein Tochter-Vater-Wiedertreffen nach etlichen Jahren, und wie sollte er reagieren, wenn sie plötzlich nicht bei ihm leben mochte?

Ohne Orion würden die beiden wahrscheinlich ein ganz normales Leben führen, dachte Alea voller Grimm. Ohne Virus und mit der Mutter im Ozean leben (und ein paar Gretzer aufspüren), alles wäre friedlich und kein Orion weit und breit. Alea lächelte bei der Vorstellung, denn genau das war ihr Traum. Dass die Meermenschen, vor allem die Meerkinder, wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten. In ihre wirkliche Heimat.

„Erde an Alea", riss Lennox' Stimme sie plötzlich aus ihren Gedanken.

„Äh, was?"

„Du hast echt gruselig ausgesehen, wie du so selig in die Ferne geschaut hast", sagte Lennox und lächelte. „Wahrscheinlich hast du nicht an mich gedacht, oder?" Alea boxte ihn leicht gegen die Schulter und grinste. „Nein, du armer, hab ich nicht."

Lennox schaute sie einen Augenblick lang mit hochgezogener Braue an, dann grinste er, beugte sich vor und küsste sie. Tess wandte sich höflich ab (im Gegensatz zu Sammy, der zwei Bänke weiter sie mit strahlendem Gesicht anstarrte), doch Alea wusste, was Tess dabei denken musste. Kurz darauf machte sie sich wieder von Lennox los.

„Also, was wollte mir die Erde gerade eben sagen?", wechselte sie das Thema.

„Zwei Dinge. Erstens: Wir gehen gleich los und holen uns etwas auf die Hand. Zweitens: Wir beide und Siska brauchen noch einen Platz für die Nacht, und da wäre die Jugendherberge geeignet, in der Tess, Sammy und Ben schon schlafen. Da müssten wir uns allerdings noch anmelden und ich weiß nicht, ob das noch so spät am Abend geht."

Alea stöhnte, dabei wollte sie sich doch nur selig und in aller Seelenruhe beseelen lassen.

Mein Alea Aquarius 8Onde histórias criam vida. Descubra agora