Wie es meinen Brüdern wohl geht? Wie ihre Fahrt wohl lief? Hatten sie eine angenehme Nacht? Haben sie schon was gegessen? Haben sie sich das Internat schon genauer angeguckt? Wie sie wohl ihr Zimmer finden? Ich will mit ihnen reden. Ich vermisse sie jetzt schon. Es ist so ungewohnt von ihnen nicht geweckt zu werden. Wirklich komisch. Daran kann ich mich wahrscheinlich nicht gewöhnen. Wegen der starken Trockenheit in meinem Mund, greife ich zum vollen Glas, das auf dem rechten Nachttisch steht. Gierig trinke ich es aus und wünschte, dass hier eine große Flasche mit Mineralwasser stehen würde, denn ich habe immernoch Durst. Da sich aber meine Blase meldet, lege ich die Decke bei Seite, stoppe aber als sich die Tür öffnet.

,,Kind! Ich muss wirklich mit dir ein ernstes Gespräch führen." sagt Betül Teyze und kommt mit einem Tablett in der Hand rein. Hinter ihr kommt auch Eda rein, die mich warm anlächelt. Sie schliesst die Tür und läuft ihrer Mutter nach, die kopfschüttelnd sich zu mir setzt und das Tablett etwas zu schnell auf mein Schoß ablässt. Sie hebt ihren Zeigefinger in die Höhe und guckt mich streng an. ,,Das alles wird alles aufgegessen. Alles. Und dann werde ich dir einen warmen Früchtetee bringen." ,,Das sieht alles sehr appetitlich aus, aber ich-"
,,-Papalapap. Du musst das essen Kindchen. Für deine Gesundheit." unterbricht sie mich schnell. Essen im Bett? Noch nie gemacht.
Es kann doch nur gemütlich sein. Ergeben nicke ich und gucke mir den Teller vor mir an. Tomaten, Gurken, Weißkäse, schwarze Oliven und Omelett. Zum Glück auch ein schwarzer Kaffee. Nebendran ist ein Milchkrug und Zucker. Gut. Denn einen Kaffee ohne Milch und Zucker kann ich nicht trinken. So bitter. Ich würde das alles wirklich essen, aber ich bin mir sicher, dass ich Stunden brauchen würde, um das alles runter zu schlucken. Doch bevor ich das mache, muss ich noch was ansprechen.

,,Wer...hat mich umgezogen?" frage ich zögernd und zeige meine Wut nicht. ,,Ich war das. Atakan Bey wollte es so." antwortet Eda. ,,Mach das bitte nie wieder. Auch wenn Atakan es sagt, will ich das nicht." erwidere ich und zeige ihr deutlich, dass ich das nicht will. Sie nickt etwas überrumpelt, verabschiedet sich und geht raus. Unter dem nachdenklichen Blick der Dame, greife ich nach einer kleinen Tomate, beiße rein und kaue langsam. Tatsächlich schaffe ich es, es runter zu schlucken. Auch wenn es etwas schmerzt. In die Tasse mache ich viel Milch rein und zwei Teelöffel vom Zucker. Ich rühre mit dem Löffel in der Tasser herum und gucke zur Frau. Sie hat ein leichtes Lächeln im Gesicht und merke, dass sie etwas sagen möchte. ,,Schade, dass deine Brüder so früh gehen mussten. Ich hätte sie gerne mehr kennengelernt." Bei dem Gedanken, das ich sie erst in zwei Wochen wieder sehen werde, lässt mein Herz zusammen ziehen. Ich darf aber ihre Stimmen hören. Auch wenn ich sie lieber lebendig vor mir sehen möchte, ist es auch gut, dass ich sie hören kann. Ich will mit ihnen reden. Ich zwinge mich zu einem traurigen Lächeln und sage nichts, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Den Rest der Tomate, kaue ich auch und schlucke es mit einem kleinen Schluck vom Kaffee runter.

,,Wie geht es dir?" Beschissen, würde ich gerne antworten und ihr meine Probleme anvertrauen, doch dafür kenne ich sie zu wenig. Trotzdessen ist sie mir auf ein komischen Art und Weise, so vertraut. Sie lächelt mich die ganze Zeit, bedient mich und redet mit mir. Sie zeigt mir Wärme. Ich merke, dass sie will das ich mit ihr über alles rede, doch ich kann das einfach nicht. Sie...sie würde mich nicht verstehen. Niemand würde das. Und da ist auch noch dieses ängstliche Gefühl, von ihr kritisiert und verurteilt zu werden. Nein, sie würde mich wirklich nicht verstehen. Ich zucke nur mit den Schultern und schlucke die geschnittene Gurke runter, die ich mir gerade in den Mund geschoben habe. Sie seufzt leise, aber hat immernoch das Lächeln im Gesicht. So vergehen mehrere Minuten in der ich das Essen vor mir esse und sie still bleibt. Auch wenn ich die Hälfte vom Omelett und die Oliven nicht gegessen habe, lege ich das Tablett auf den Nachttisch, trinke noch den letzten Schluck vom kalten Kaffee, ehe ich es auch zurück stelle und mich an das Bett lehne. Puh. Es hat mir ehrlich gesagt gut getan, eine richtige Mahlzeit zu essen. Ich fühle schon, wie mir das Essen mehr Kraft gibt. ,,Ich weiß, dass es dir nicht so gut geht. Du kannst gerne mit mir reden. Sieh mich als eine Mutter, die immer für dich da ist." Ich halte inne. Mutter? Hat sie gerade Mutter gesagt? Das...ist nett von ihr, aber sie wird niemals den Platz meiner Mama einnehmen. Niemand wird das. Sehr nette Worte von ihr. Sie will mit mir reden, aber ich traue und will es irgendwie auch nicht. Dankbar nicke ich etwas benebelt und setze mich im Schneidersitz hin. ,,Gibt es hier ein Haustelefon?" frage ich hoffnungsvoll und blicke sie auch so an. Doch leider schüttelt sie nur mit gepressten Lippen ihren Kopf. Ich werde aber weiter fragen. ,,Ich will mit meinen Brüdern reden. Ich brauch ein Telefon. Darf...darf ich vielleicht dein Telefon benutzen?" Ich sehe, wie sie leicht schluckt und mich irgendwie traurig anguckt, aber der Grund ist mir unbekannt. Ich will doch nur mit meinen Geschwistern reden. Wieso guckt sie so? ,,Frag doch lieber Atakan, mein Kind." entgegnet sie nur und steht plötzlich auf.

TURKISH MAFIAWhere stories live. Discover now