Sie sieht mich kurz mit einem verengten Blick an und presst die Lippen aufeinander, sie schaut skeptisch. Okay, vielleicht sind wir da nicht einer Meinung.
Ich brauche einen Moment um zu merken, dass sie scherzt. Erst als sich ihr Blick lockert und sie langsam grinst, merke ich, dass sie nur auf den letzten Teil meiner Aussage eingeht.

"Oh wow okay, du solltest nicht mehr so super höflich sein, aber dann bezeichnest du mich als Idiot, ich verstehe. Hm."

"Hey, ich habe nichts gesagt.", sagt sie lachend und lockert somit die Stimmung, die vorhin etwas ernster wurde, meinetwegen, ohne dass ich es kontrollieren konnte.

"Dein Blick war genug.", sage ich und drehe mich theatralisch zum Tisch und nehme mein Getränk in die Hand.

"Du siehst zwar eh nicht so aus als würdest du dir diese Kommentare zu Herzen nehmen, aber es ist es echt nicht wert. Mit dir kann man sich besser unterhalten als mit so vielen meiner Kommilitonen damals. Mit Intelligenz hat das Studieren oftmals weniger zu tun.", sagt sie, während sie die Box mit dem Tiramisu zu sich zieht und ihre Beine aus dem Schneidersitz löst. Sie hält mir eine Gabel hin und schaut zu mir als ich sie schon ansehe. Ich schüttle meinen Kopf.
"Ich bin voll. Lass es dir schmecken."

Während wir uns unterhalten haben, lief die Folge der Serie zu Ende und wir schauen nun eine neue Folge. Es ist echt angenehm, es fühlt sich nicht so an als würde ich bei einem Fremden sitzen, dabei kenne ich Chloe nicht wirklich. Aber dann wiederum... mir fällt es sehr einfach mich überall wohl zu fühlen. Ich sollte mir Sorgen machen, wie es Chloe damit geht. Mein Blick landet auf ihr, aber sie scheint auch entspannt zu sein. Ihre Augen sind auf den Fernseher gerichtet, sie hat ein kleines Lächeln auf den Lippen. Wenn sie nicht auf der Arbeit ist, ist sie um einiges lockerer. Sonst wirkt sie immer wie eine ernste Person, die keine Zeit für Späße hat.

Dann schreckt sie plötzlich hoch als wir ein lautes: "Chloeeee!" hören und ich lache los. Sie ist wirklich in ihrem Sitz hochgesprungen. Sie steht sofort auf, schaut mich über ihre Schulter hinweg genervt an und verschwindet den Flur entlang.

Mit einem Blick auf die Uhr entscheide ich, dass ich langsam nach Hause fahren sollte. Chloe muss bestimmt morgen arbeiten und hat gerade genug mit ihrer Schwester zu tun. Wir haben inzwischen auch beide zu Ende gegessen. Also stehe ich auf und packe den Müll in die Tüten, in denen vorhin noch mein Essen war. Ihre Küche ist wenige Schritte entfernt, den Müll schmeiße ich weg und gehe zurück zum Tisch für die leeren Gläser. Es ist von außen nicht offensichtlich wo genau die Spülmaschine ist, weswegen ich die Gläser in die Spüle packe und gehe wieder ins Wohnzimmer.

"Ich fühl mich manchmal echt so als wäre ich ihre Mutter.", murmelt Chloe lachend und schaut mich fragend an, da ich hinter der Couch stehe.

Sie bleibt ein paar Schritte vor mir stehen.

"Willst du mir sagen, dass du als Teenager nie sowas gemacht hast?", frage ich in den Flur deutend.

Chloe reibt sich ein Auge und antwortet: "Nein... naja, ich habe vermutlich mehr rebelliert als Victoria, ich durfte viel weniger. Aber ich wusste trotzdem wie viel ich vertrage oder zumindest haben wir sowas nur bei Freunden zu Hause gemacht." Ich muss lachen und schaue sie skeptisch an. "Schau mich nicht so an, ist ehrlich so.", sagt sie daraufhin.

Ich halte abwehrend die Hände hoch. "Ich sag doch nichts.", aber jetzt wo ich es mir so überlege, glaube ich ihr auf jeden Fall. "Ich kann's mir sogar gut vorstellen."

"Was willst du damit sagen?", fragt sie herausfordernd, verkreuzt die Arme über ihrer Brust und kippt den Kopf leicht zur Seite.

Ich lehne mich gegen die Couch und verkreuze auch meine Arme über der Brust. "Nichts, nur dass du generell so wirkst als würdest du alles unter Kontrolle haben.", ich sehe sie vielsagend an und füge lächelnd hinzu, "Außer vorhin."

Sie verdreht lachend die Augen. "Hey, jeder darf mal Ausrutscher haben."

"Yup. Aber das war genug unerwartetes für heute, denke ich. Ich lasse dich dann mal in Ruhe.", sage ich und stelle mich gerade hin.

Sie nickt lächelnd: "Danke nochmal."

"Alles gut.", sage ich und laufe zur Tür. Ich öffne sie und drehe mich zurück, Chloe steht direkt hinter mir. Sie geht einen Schritt zurück und sieht mich fragend an. Mein Blick fällt wandert über ihr Gesicht und bleibt für einen Moment an ihrer Wange hängen, wo ein bisschen Schokolade von der Tiramisu hängt, was ich vorher nicht bemerkt habe. 

"Na dann, gute Nacht.", sage ich leicht grinsend und treffe wieder ihren Blick. Rückwärts trete ich durch die Tür. Sie lächelt als Antwort und ich gehe zwei Stufen runter als ich wieder ihre Stimme höre.

"Fahr vorsichtig.", sagt sie, worauf ich automatisch wieder zu ihr sehe und lächle. 

Stellt sich heraus, dass sie knapp 20 Minuten von uns entfernt wohnt. Auf dem Rückweg war ich auf Autopilot gestellt, habe gar nicht gemerkt, dass ich Auto fahre, bis ich in der Parkgarage des Apartmentkomplexes geparkt habe. Ich bin satt, hatte einen guten Tag und kann mich direkt ins Bett fallen lassen, was mich mit einem Lächeln durch die Flure laufen lässt. 

Noch bevor ich die Tür zu unserer Wohnung aufschließen kann, vibriert mein Handy in meiner Hosentasche. Ich bin überrascht zu sehen, dass mich meine Mutter anruft. Sie schaut immer wie spät es hier ist, bevor sie anruft und normalerweise tut sie es nie nach Mitternacht für mich.

"Mama, alles okay?", sage ich, sobald ich rangehe. 

"Alex, keine Sorge. Alles gut.", ich nicke, obwohl sie es nicht sehen kann und schließe nun endlich die Tür auf. "Habe nur gesehen, dass du vorhin noch online warst und dachte, ich ruf mal an. Du tust es ja nicht.", den letzten Teil sagt sie lachend, aber ich weiß, dass da immer ein bisschen Ernsthaftigkeit hinter steckt. 

Ich schalte das Licht im Wohnzimmer an und laufe zur Couch. "Sorry, Mama. War echt viel los in letzter Zeit."

"Ich weiß, ich weiß. Ich mach nur Spaß.", ich kann ihr Lächeln aus ihrer Stimme heraushören. Plötzlich sticht es mir leicht am Herzen. Es ist schon wieder eine Weile her, dass ich sie gesehen habe. Ich kriege kaum Heimweh, aber merke jetzt, dass ich sie schon sehr vermisst habe. "Alles gut bei dir? Isst du genug? Schläfst du genug? Wie war euer Dreh heute so?"

Ich verziehe das Gesicht und kneife meine Augen zusammen. Wieso fühl ich mich so als wäre ich wieder 15 oder so. Aber ich setze mir ein Grinsen auf und antworte ihr: "Ja, alles gut. Ich esse wahrscheinlich mehr als ich sollte. Ich könnte mehr schlafen, aber haben morgen einen freien Tag, ich schlaf einfach bis Mittag. Und der Dreh war gut, ich schick euch das Video, sobald wir die erste Fassung haben."

Ich höre meine Mama lachen und es steckt an. Meine Augen fallen immer wieder langsam zu als ich meine Mutter frage, was sie so in den letzten Tagen gemacht hat und wie es Papa geht. Sie erzählt von der Arbeit. Von meinem Papa wie er seine freie Zeit mit einem Gemüsebeet im Garten verbringt. Dass sie die Eltern von Aaron gestern gesehen hat und sie wohl bald in den Urlaub fahren. 

Bevor wir auflegen, fällt mir noch etwas ein, wo ich vorhin gar nicht dran gedacht habe.
"Woher weißt du eigentlich nachzuschauen, wann ich das letzte Mal online war?"

Mama lacht laut auf, was mich zum lächeln bringt. 
"Komm schon, Alex. Sooo alt bin ich jetzt auch nicht...", ich warte einfach ab, weil ich weiß, dass sie es mir sowieso verrät. "Ich hab mit Elena drüber geredet, dass ich manchmal anrufen will, aber nicht weiß, ob du nicht vielleicht doch schon schläfst und ich nicht stören will und sie hat mir erklärt wie ich schauen kann, ob du online warst."

"Du kannst immer anrufen, egal wann.", sage ich sofort, oder murmle es eher leise. Gott, ich sollte echt öfter zu Hause anrufen. 

Da geht sie nicht drauf ein, weil sie schon weiterredet. "Aber es ist gut, dass ich zumindest mit Instagram klar komme und deine täglichen Videos gucken kann..", sie meint meine Stories und ich muss lachen. "Oh und ich habe heute mit Isabelle über Videochat geredet, weil sie eine Überraschung für Elena planen und sie sieht so glücklich und gesund aus. Ihr achtet aufeinander, oder? Ich weiß, ihr seid keine Kinder, aber es ist für uns alle hier einfacher, wenn wir wissen, dass ihr euch gegenseitig habt." Inzwischen habe ich es aufgegeben zu versuchen meine Augen offen zu halten. Ich höre ihr zu während ich meinen Kopf an die Rückenlehne der Couch lehne und meine Augen geschlossen habe. "Oh und ich hab dein Zimmer ein bisschen umgestellt, also wenn du uns das nächste Mal besuchen kommst, hast du mehr Platz für dein Musikzeug,.. wie heißt das Ganze nochmal... Auf.. Aufnahmezeug und sowas... Oh und..."

Endless SummerWhere stories live. Discover now