Kapitel -1-

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„But that's the irony, broken people are not Fragile."

– Clinton Sammy Jr

Die Realisation traf mich wie ein Schlag. Sie hat es tatsächlich getan. Mich einfach so zurückgelassen. Schon wieder. Mein Herz schlug kräftig gegen meine Brust und trieb mir die beschämende Röte in die Wangen. Wie konnte ich nur so naiv sein. Ich wusste doch es würde wieder passieren. Ich wusste es. Gott, ich bin so lächerlich. So erbärmlich. Ich hatte doch nicht ernsthaft angenommen sie würde sich ändern, für mich! Ich war für sie schon immer nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Ein Schreibfehler in ihrem Buch. Ein Unumkehrbarer Fehler in ihrer Geschichte. Sie hatte ihn nur zu spät entdeckt, das Ausradieren war nicht mehr möglich. Ich hatte es doch kommen sehen, warum tat es dann dennoch so verdammt weh?

Meine Hände ballten sich zu Fäusten während ich zweifelhaft versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Entkräftet stieß ich meinen Atem aus und sah hinauf zu den schwach schimmernden Sternen am Nachthimmel. Ich war allein.

Ich konnte sie nicht länger zurückhalten, Tränen liefen mir die glühenden Wangen hinunter. Durch die kühle Frühlingsluft brannten sie wie Feuer. Ich war viel mehr von mir selbst enttäuscht als von meiner Mutter. Ich hätte es kommen sehen müssen. Ich hatte es doch kommen sehen! Es war unausweichlich. Wie oft hatte sie es mir gesagt? Unzählige male. Ich war doch darauf vorbereitet.... ich dachte zumindest, dass ich das wäre.

Schulterzuckend ließ ich den Kopf hängen und musterte die Kieselsteine vor meinen Füßen. Die Hoffnung starb immerhin zuletzt. Nach all der Zeit des Kummers hatte ich trotzdem Hoffnung. Hoffnung, dass ich ihr einmal, wenigstens einmal etwas bedeuten würde. Ich war doch immerhin ihre Tochter. Sie hatte mich doch aufgezogen. Wie kann ihr das 17 Jahren lang nichts bedeuten? War es wirklich nur damit sie meinem Vater nicht bewies, dass alles, was er je sagte der Wahrheit entsprach? Er hatte ihr immer wieder gesagt er würde mich großziehen, so wie auch meinem Bruder. Er hatte sie quasi angebettelt, sie versucht zu überreden, bis es schlussendlich in Streitereien entartete. Er hat ihr immer öfter gesagt, dass das Elternsein nicht für sie gemacht sei. Dass die Führsorge nicht in ihrer Natur lag. Ich sie doch nur bremsen würde. Behielt sie mich nur deshalb, damit er nicht Recht behielt und sie schlecht dastand? Alls hätte er es ihr ja immer gesagt? Wollte sie im nur nicht die Genugtuung geben?

Was soll ich sagen, ich liebte sie dennoch, meine Mutter. Ihr verrat traft mich tief. Immer und immer wieder. Wie einen ungewollten Hund sperrte sie mich nach draußen, trat und schlug mit Worten nach mir. Ließ mich immer und immer wieder im Stich. Dennoch rannte ich ihr wie ein liebeskranker Welpe hinterher. Sie war auch gut zu mir. Auf ihre Art. Das Leben ist nicht immer Schwarz und Weiß. Menschen tun Dinge aus vielen verschiedenen unergründlichen Gründen. Was versuche ich mir eigentlich wieder einzureden?

Wer weiß, vielleicht gefiel es mir ja verletzt zu werden, denn dann empfand ich wenigstens etwas. Etwas das mich daran erinnerte am Leben zu sein. Denn alles ist besser als nichts zu fühlen, auch wenn es nie lange von Dauer war.

Erleichternd zog ich die kalte Luft in meine brennende Lunge. Das vertraute Gefühl von mentaler Taubheit machte sich in mir breit.

Ich zuckte leicht zusammen, als ich leichten Druck auf meiner Schulter spürte. Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich vergessen hatte, wo ich mich befand. Ich hob den Blick und sah den älteren, großgewachsenen Polizisten an.

„Miss Collins?" Seine braunen Augen sahen mitfühlend zu mir runter. Abwartend blieb er vor mir stehen. Ich jedoch, konnte nur auf seine Hand starren, die auf meiner Schulter verharrte. Alles in mir schrie sie weg zu schlagen. Ich war wie erstarrt. Er brauchte einige Sekunden, bis er Verstand und seine Hand von meiner Schulter nahm. Unbewusst hob ich die meine und fasste an die Stelle, wo seine Hand, bis eben ruhte. Es war, als würde sie noch immer aufliegen. Die stelle kribbelte unangenehm. Langsam verstärkte ich den Druck gegen meine Schulter. Ich mag in diesem Moment sehr unhöflich wirken, ich schenkte ihm einen entschuldigenden Blick, doch der Gegendruck war besser als immer wieder zwanghaft über meine Schulter zu streichen, als würde ich Dreck entfernen wollen. Das wäre sehr viel verletzender für ihn. Ich mochte keinen Körperkontakt. Was anderen Mitgefühl versprach, löste bei mir eine unterschwellige Panik aus.

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