Winternacht Joints

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Raban wachte mitten in der Nacht auf, weil er fror. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz vor halb zwei war und ein Blick aus dem Fenster, dass der Winter eingebrochen war. Er unterdrückte ein Fluchen quälte sich aus dem Bett um sich einen herumliegenden Pulli zu schnappen. Es war einer von Hort, aber das war Raban egal. Er hatte ständig Pullis von Hort an, weil sie aus irgendeinem Grund viel gemütlicher waren als seine eigenen und Hort sie Praktischerweise immer einfach irgendwo rumliegen ließ. Und da sie die gleiche Größe trugen war es sowieso egal.
Das Problem war, dass Raban jetzt wach war und garantiert nicht mehr einschlafen konnte. Normalerweise würde er in so einer Situation Hort wecken, doch dessen Bett war kalt und unberührt. Wahrscheinlich war er bei Sophie. Vex und Bron schnarchten am anderen Ende des Zimmers, doch die beiden aufzuwecken kam für Raban nicht in Frage.
So leise wie möglich schnürte er seine Springerstiefel mit den giftgrünen Schnürsenkeln und schnappte sich noch eine Jacke sowie seine Zigarettenschachtel, sein Feuerzeug, Handy und Kopfhörer. Dann schlich er aus ihrem Zimmer durch die Gänge bis nach draußen, während „Die MF die" von Dope aus seinen Kopfhörern schallte.
Vor dem Schultor angekommen lehnte er sich gegen die kalten Gitterstäbe. Mit geübten Bewegungen fischte er sich eine Zigarette aus der Packung. Während er sie anzündete bemerkte er eine Bewegung in seinem Augenwinkel. Reflexartig drehte er sich um, nur um sich einer Gestalt in schwarzem Kapuzenpullover gegenüber zu finden. Listige Wieselaugen blitzten unter schwarzen Haaren hervor wie bei...
„Hort! Erschreck mich doch nicht so, du Bastard." nuschelte Raban wütend, noch immer mit der Zigarette im Mund und zupfte einen seiner Kopfhörer aus dem Ohr. Die Anspannung die sich aufgebaut hatte fiel mit einem Mal von ihm ab. Er zündete seine Kippe an und nahm einen tiefen Zug.
„Hm, meine Eltern waren tatsächlich nicht verheiratet, also macht mich das wohl zu einem Bastard.", antwortete Hort gelassen.
Raban warf ihm einen wütenden Blick zu, der jedoch an der Zigarette in Horts Hand hängen blieb, die er gerade zum Mund führte. Sein Blick wurde fragend, doch Hort schüttelte nur den Kopf. Er wollte nicht darüber reden. Dann nicht.
Stattdessen schnappte Hort sich den frei gewordenen Kopfhörer und gemeinsam lauschten sie „Drugs" von Falling in Reverse und rauchten.
Das Lied wechselte zu „Laid to Rest" von Lamb of God und Hort drückte seinen Glimmstängel auf dem frisch beschneiten Boden aus. Dann schnippte er ihn in die dafür vorgesehene Tonne. Er drehte sich zu Raban.
„Hast du da noch 'nen Joint drin und wenn ja, ich könnte gerade echt einen gebrauchen.", fragte er, während er wage auf Rabans Zigarettenpackung zeigte.
„Hmm... glaub schon. Guck halt nach.", antwortete Raban.
Daraufhin fischte Hort besagte Packung aus Rabans hinterer Hosentasche. Als er sie öffnete hellte sich sein Gesicht merklich auf.
„Musstest du irgendwas vertuschen oder warum hast du da so viel reingepackt?"
Halb genervt, halb belustigt verdrehte Raban die Augen und nahm den letzten Zug von seiner Zigarette.
„Hort. Ich baue Marihuana auf unserer Fensterbank an. Natürlich hab ich was zu vertuschen."
„Jaja, is mir schon klar. Aber bei dem hier warst du ja wirklich großzügig."
Raban zuckte die Schultern.
„Hatte noch 'n Gramm übrig und keinen Anfänger an den ich's verticken kann."
Als Antwort nickte Hort nur verstehend und führte den Joint zwischen seine Lippen.
„Hast du mal Feuer? Meins ist vorhin grad abgeschmiert."
Raban kramte sein Feuerzeug aus seiner Hosentasche hervor und bedeutete Hort mit einer Geste, näher zu kommen.
Beide schirmten jeweils mit einer Hand den Wind ab. Raban ließ das Feuerzeug klicken und entzündete das Ende des Joints. Hort wich wieder einige Zentimeter zurück und nahm einen tiefen Zug. Raban beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Hort wirkte... gelöst, als er den Rauch gen Himmel blies. Er schien wirklich glücklich, in diesem Moment. Hort nahm noch einen Zug, bevor er den Joint an Raban weitergab. Auch er ließ sich Zeit. Inhalierte tief und behielt den Rauch so lange wie möglich in seinen Lungen, bevor er ausatmete. Bevor er zum zweiten Zug ansetzen konnte, begann Hort zu sprechen.
„Sophie und ich haben Schluss gemacht.", sagte er, als würde es nicht um das Mädchen gehen, dem er seit Jahren nachschaute.
Raban verschluckte sich fast, so überrascht war er. Bevor antwortete zog er nochmal an dem Joint. Das musste er erstmal verarbeiten.
Dann reichte er den Joint wieder an Hort.
„Sie hat mich nicht mehr gebraucht, denk' ich."
Raban wusste nicht, was er davon halten sollte, dass sein Kumpel das alles so leicht nahm. Irgendwie fand er es gruselig.
„Bist du nicht... wütend oder... enttäuscht oder so?" fragte er deshalb langsam, sich an das Thema herantastend.
Hort schaute ihn mit undefinierbarem Blick an. Das Lied wechselte zu „Dragula" von Rob Zombie.
„Ehrlich gesagt... ich weiß es nicht. Ich weiß nicht was ich fühle. All die Jahre hab ich mir nichts mehr gewünscht als mit Sophie zusammen zu sein, und dann, wo wir zusammen sind, stelle ich fest, dass ich eigentlich gar nichts für sie übrig habe, sondern nur die Idee von ihr mochte und die Idee, mit ihr zusammen zu sein. Und dann hat sie noch was rausgefunden und mich erpresst, damit ich mit ihr zusammen bleibe und sie ja am Ende gut da steht. Ich... ich bin so ein Idiot."
Hort hörte sich verloren an. Seit der Middleschool hatte sein innerer Kompass auf Sophie gezeigt und nun war er plötzlich demagnetisiert und drehte sich nur ziellos im Kreis.
Raban wurde bei seinen Worten jedoch hellhörig.
„Sie hat dich erpresst, damit du mit ihr zusammen bleibst?" fragte er ungläubig nach. Wütend knirschte er mit den Zähnen. Diese hinterhältige Schlange. Wenn er die in die Finger bekam...
Als hätte er seine Gedanken gehört berührte Hort beruhigend seinen Arm, während er an dem Joint zog.
„Hey, alles cool. Sophie hat mir versprochen, dass sie es niemandem erzählt, wenn ich solange mit ihr zusammen bleibe wie sie es für ihre Pläne braucht. Und Sophie mag vieles sein, aber nicht ehrenlos. Sie hält ihr Wort."
Langsam entkrampfte Raban seinen Kiefer. Hort hatte Recht. Natürlich hatte er das. Trotzdem hatte Raban große Lust jemandem ordentlich die Fresse zu polieren.
Hort reichte den Joint an ihn zurück.
Raban inhalierte noch einmal tief, dann drückte er das übrige Ende aus und schnippte es zu ihren Zigarettenstummeln in die Mülltonne.
Bei jedem anderen hätte Raban die Annahme das sein Gegenüber ein Idiot war nur bestätigt und wäre dann abgehauen, aber das hier war Hort. Sein bester Freund, der sich nicht nur ein Zimmer, sondern ein Stockbett mit ihm teilte. Und deswegen, wirklich nur deswegen, machte er etwas so un-Rabanhaftes, dass Hort kurz wie versteinert war. Er umarmte ihn.
Dann langsam legte auch dieser seine Arme um Raban.
Raban wusste nicht was er sagen sollte. Er konnte sarkastisch sein und er konnte über Leute herziehen und er konnte sich aufregen. Aber trösten? Aufmuntern? Das waren nicht wirklich die Dinge, von denen er sagen würde, er wäre Experte darin.
„Ich will Sophie trotzdem eine reinhauen."
Hort prustete gegen seine Halsbeuge und Raban konnte das kleine Lächeln, dass sich auf seine Lippen stahl nicht zurückhalten.
„Du hättest keine Chance und das weißt du auch."
Gespielt empört keuchte Raban auf.
„Du befindest in keiner guten Position um solche Kommentare zu machen."
Trotzdem zog er Hort nur noch ein wenig näher.
„Ich hab dich vermisst.", flüsterte Raban, fast unhörbar. Trotzdem war er sich sicher, dass Hort ihn verstanden hatte, denn er drückte ihn noch einmal fest an sich, bevor er sich von ihm löste.
„Können wir nochmal bei der Küche vorbeischauen? Ich hab voll Bock auf Käse Nachos. Mit Käse Dip... mhhh." Mit diesen Worten nahm Hort mit seiner kalten Hand Rabans warme und zog ihn in Richtung der Schule.
Ein Lächeln stahl sich auf Rabans Lippen.
„Du hast immer Bock auf Käse Nachos mit Käse Dip wenn du gekifft hast."
„Um dein Punkt ist?", fragte Hort und drehte sich zu ihm um, ein verschmitztes Grinsen im Gesicht und schelmisches Funkeln in den dunklen, rot geäderten Augen.
Raban schüttelte nur den Kopf und ließ sich von Hort weiterziehen.
Für den Rest der Nacht - oder eher des Morgens - ließ Hort seine Hand nicht los und das Lächeln Rabans Lippen nicht.

Just Bros being Dudes on a cold Winternight (with a joint)Where stories live. Discover now