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Je länger es dauert, so stärker wird der Gedanke, dass ich Markus doch für immer verloren habe.
*
Lilli

Ich werfe die Zeitung gegen die Wand, die ich mir vor einer halben Stunde in einem Kiosk um die Ecke gekauft hatte.
„Lilli?", Vanessa's Stimme klingt besorgt. Vor einer halben Stunde hat sie angerufen und mir erklärt, dass mein Gesicht auf verschiedenen Zeitungen abgebildet ist und sogar im Fernseher bin ich zu sehen. Daraufhin bin ich zum Kiosk gerannt und habe mir die erste Zeitung gekauft, auf dem mein Gesicht zu sehen war. Der Verkäufer hat auf jeden Fall einen guten Tag erwischt, ich habe ihm einen zehn Euro Schein hingeworfen und hab den Laden eilig wieder verlassen. „Geht es dir gut?", fragt Vanessa besorgt. Ich starre noch immer auf die Zeitung, die vor mir auf dem Boden liegt. Dann schüttele ich meinen Kopf, bis ich realisiere, dass Vanessa es gar nicht sieht. „Nein.", antworte ich.

Es ist nicht so, dass ich Markus die Schuld dafür gebe. Ich hätte damit rechnen müssen. Markus ist einer der besten Torwarte der Welt und in den letzten Jahren war Markus viel zu oft auf irgendwelchen Zeitschriften abgedruckt. Ich hätte wissen müssen, dass sowas passiert. Aber die Wahrheit ist, ich habe keine Sekunde an Markus Ruhm gedacht und bin nicht darauf vorbereitet.
„Soll ich vorbei kommen?", hackt Vanessa besorgt nach. „Nein, Markus kommt auch gleich.", sage ich und verabschiede mich von Vanessa. Das Handy werfe ich neben mich auf die Couch und hebe die Zeitung wieder auf.

Die neue Liebe von Markus von Theumer - Wird er nach Miriam wieder glücklich?
Immer wieder lese ich die Schlagzeile durch. Es gab einige Frauen, mit denen Markus abgebildet wurde. Immer wieder wurde vermutet, dass Markus eine neue Freundin hat. Markus selbst hat diese Vermutungen schnell im Keim erstickt. Sobald eine neue Nachricht kam, hat er erklärt, dass er keine Beziehung führen würde.
Markus hat mir erzählt, dass er heute auch ein Interview geben wird. Da wussten wir nicht, dass diese Gerüchte in die Welt gesetzt werden. Aber sind es den Gerüchte? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was Markus und ich sind. Ich weiß, dass wir uns lieben, da bin ich mir sicher. Aber wir haben nie darüber geredet. Wir führen keine Beziehung, auch wenn alles dafür spricht. Dementsprechend macht es mir Angst. Ich weiß nicht, was Markus auf Fragen antworten wird. Ich weiß nicht, was ich von ihm erwarten würde. Auf der einen Seite will ich nicht, dass er mich verleugnet. Ich will ihn und ich will ihn lieben. Aber auf der anderen Seite bin ich nicht bereit, den ganzen Trubel der Presse abzubekommen.

Ich glaube was mich am meisten verletzt, ist die Tatsache, dass ich mit Miriam verglichen werde. Für die Presse war sie seine erste große Liebe. Seit Jahren wird erzählt, dass Markus niemand anderen lieben kann, außer sie. Fakt ist aber, und das wissen nur die wilden Kerle und ich, dass Düsentrieb seine erste Liebe war und danach ich. Je weiter ich darüber nachdenke, desto mehr verunsichert es mich. Ich weiß wie sehr er Düsentrieb geliebt hat, aber ich weiß auch, dass er über sie hinweg ist. Bei Miriam bin ich mir da nicht so sicher. Wir haben nie wieder über sie geredet. Ich kann nicht sagen, wie sehr er sie geliebt hat und wie stark seine Liebe noch heute zu ihr ist.
Es ist verrückt, aber ich bin eifersüchtig auf eine Tote.

„Lilli?", Markus Stimme dringt durch den Flur zu mir. Sofort entspanne ich mich und zumindest ein Teil meiner wirren Gedanken lösen sich auf.
„Ich bin im Wohnzimmer.", rufe ich zurück. Als Markus ins Zimmer kommt, liegt noch immer die Zeitung auf meinem Schoß. Markus wirft sie weg.
Er setzt sich neben mich und zieht mich auf seinen Schoß. Meinen Kopf lege ich auf seiner Brust ab und schließe einen Moment die Augen. „Es tut mir Leid Lilli. Ich hätte vorsichtiger sein müssen, ich hätte es wissen müssen.", sagt er und streicht über meinen Rücken. „Liebst du sie noch?", frage ich, ohne auf seine Entschuldigung einzugehen. Ich brauche keine Entschuldigung von ihm. Ich gebe ihm nicht die Schuld. Früher oder später hätte ich mich den ganzen Stellen müssen, wenn ich Markus eine weitere Chance geben will. Es wäre egal gewesen, denn auf diesen Moment wäre ich nie vorbereitet gewesen.

Stille breitet sich zwischen uns aus. Ich spüre Markus Atem auf meinem Kopf und seine Hände auf meinem Rücken. Sie sind warm und lassen mich in die Vergangenheit zurückfallen. Je länger die Stille anhält, desto nervöser werde ich. Meine Kraft reicht nicht aus, um mit einer Toten um seine Liebe zu Ringen. Je länger es dauert, so stärker wird der Gedanke, dass ich Markus doch für immer verloren habe.
„Ich habe sie geliebt.", sagt er schließlich. Es fühlt sich an, als würde eine Nadel mein Herz durchbohren. Es ist ein kleiner Schmerz. Noch ist er auszuhalten, aber er steht auf der Kippe, mich voll und ganz zu vernichten. „Aber sie war nicht die große Liebe, wie sie die Presse immer darstellt. Ihr Vater hat dafür gesorgt und ich habe nie die Kraft gefunden die Wahrheit zu sagen, weil das bedeutet hätte, dass ich von dir erzählen müsste. Es war einfacher über sie zu reden, als mich immer wieder daran erinnern zu lassen, dass ich den größten Schatz verloren habe.", Markus Finger fahren meine Wirbelsäule entlang und hinterlassen ein Prickeln auf meiner Haut. „Ich habe sie geliebt, aber nicht s wie dich. Bei Miriam hat es sich wie eine Verpflichtung angefühlt. Ich konnte sie nicht verlassen und sie mit ihrer Krankheit alleine lassen. Bei dir bin ich frei, Lilli. Bei dir fühle ich mich komplett und es war der größte Fehler dich gehen zu lassen. Ich habe nie aufgehört dich zu lieben. Jeden Tag habe ich an dich gedacht. Jeden Tag habe ich weiter gemacht und gehofft, dass du stolz auf mich bist. Alleine du hast mich am Leben gehalten."

Ich sehe zu ihm auf. Seine Augen zeigen mir, dass er die Wahrheit sagt. All die Liebe, all die Versprechen und Uns sehe ich in seinen Augen. Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und küsst meine Stirn. Seine Hand verweilt auch meiner Wange. „Ich liebe dich.", flüstert er. „Ich liebe dich so sehr.", wiederholt er und sieht mich dabei in die Augen. Ich verliere mich in ihnen und bin nicht fähig irgendwas zu sagen. „Ich liebe dich.", ist alles was ich über die Lippen bringe und dich klingt meine Stimme fest, so unglaublich ehrlich und voller Überzeugung. Markus lächelt erleichtert. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich es ihm je gesagt habe. Diese Worte habe ich nie zu Ben gesagt, weil es sich nur richtig angefühlt hat. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mir diese Worte für den richtigen Moment aufheben müsste. Jetzt weiß ich, dass ich sie für den Richtigen aufgehoben habe.

All meine Sorgen, all meine Bedenken und Ängste lösen sich auf, als Markus mich küsst. Sanft drückt er seine Lippen auf meine. Es ist alles vergessen was war und die Zukunft scheint egal zu sein. Alles was zählt ist der Moment. Die vielen kleine Küsse, die Markus auf meiner Stirn, auf meinen Wangen, meiner Nasenspitze, meinem Kinn und meinem Mund verteilt. Die Art wie er seine Stirn gegen meine legt, ohne meinen Blick zu verlieren. Wie er immer wieder wiederholt, dass er mich liebt und das Wissen, dass er nun voll und ganz zu mir gehört. Mehr ist nicht mehr wichtig. In diesem Moment fühlt es sich an, als könnte mich nichts mehr runterziehen.
*
Bin ich stolz auf das Kapitel? Ja schon ein wenig

If love could seeWhere stories live. Discover now