»Das mag stimmen.«, meinte Kieran ohne die Miene zu verziehen. »Dennoch wird sich die Regierung nicht so schnell geschlagen geben. Sie mag nicht so stark sein, wie wir. Aber sie hat einen starken Willen. Gegen einen solchen kommt man auch mit Gewalt nicht immer an. Ein Wille muss brechen, damit die Gewalt einen Effekt auf ihn hat.«

»Du meinst also, dass die Regierung selbst jetzt noch versuchen wird, uns weiter unten zu halten.«, fasste Samuel zusammen.

»Was hat uns die ganzen Jahre zuvor aufgehalten, unsere Wünschen zu erfüllen?«, stellte Kieran die Frage in die Runde. »Es waren nicht die Elitesoldaten. Von denen wusste ohnehin nicht einmal der Großteil der Mutanten oder der Menschen. Sie haben uns nicht mit körperlicher Kraft unterdrückt, sondern mit der ihres Willens. Sie haben uns glauben lassen, dass unsere Wünsche unerreichbar seien. Somit hat unser eigener Geist uns die Freiheit vorenthalten.«

»Willst du mir weismachen, dass es meine eigene Schuld ist, dass ich keine Rechte habe und kaum mehr wert als eine Kakerlake bin?« Missbilligend schüttelte Siebenundvierzig ihren Kopf. »Was du erzählst, ist Mist.«

»Ach, wirklich?« Gleichgültig zuckte Kieran mit seinen Schultern. »Wieso hast du dir deine Rechte und deine Freiheit dann nicht einfach genommen? Du bist viel stärker als die Menschen.«

»Na, weil das nicht so einfach ist!«, knurrte sie.

»Doch. Ist es.«, entgegnete er. »Du hättest dich nur erheben müssen. Hättest dich gegen die Menschen, die dich unterdrücken wollen, stellen müssen. Was hätten sie dir schon entgegenzusetzen? Und wenn sich dann noch ein paar Mutanten an deiner Seite befunden hätten, hättest du dieses gesellschaftliche System ganz einfach auseinander nehmen können. Aber du hast es nicht getan. Keiner hat das. Weil sie die Macht über euren Willen hatten.«

»Und jetzt nicht mehr?«, brummte sie nicht sonderlich begeistert.

»Nein.«, sagte er. »Du bist aus dem System ausgebrochen. Auch, wenn du noch immer nicht begreifst, wie viel Macht wir eigentlich haben. Du und die anderen habt versucht mit den Mitteln der Menschen unsere Freiheit einzufordern. Allein darum sind wir noch nicht da, wo wir gerne hin wollen.

Sie fürchten uns. Daher wollen sie uns unterdrücken. Meinst du etwa, dass man uns Mutanten grundlos fürchtet?« Schweigen breitete sich aus. Legte sich schwer über uns. Durch Kierans trockene Worte hatte sich mein Hochgefühl gelegt. Stattdessen hatte mich die Beklommenheit ergriffen.

»Genug davon.«, schaltete sich nun auch Samuel ein. »Wir sind fast an unserem Ziel angelangt. Es bringt uns nichts, jetzt darüber nachzudenken, was wir hätten besser machen können. Es mag sein, dass der Wille der Regierung unbeugsam ist. Aber der Verlust der Elitesoldaten wird sie dennoch treffen. Sie wird nicht ewig so weiter machen können wie bisher.«

Er sah das also genauso wie ich. Dennoch wollte sich die Freude über das, was wir erreicht hatten, nicht wieder einstellen. Und jetzt wollte ich einfach nur noch zurück, es mir vor dem Fernseher gemütlich machen und auf die Nachrichten warten.

»Wer sind die denn?«, kam es plötzlich von Elliot.

»Wer?« Alle Köpfe drehten sich in die Richtung, in die Elliot sah. Drei Gestalten schlitterten gerade über meine Eisbrücke, sprangen am Ende hinunter und kamen genau auf uns zu. Mit zielstrebigen Schritten eilten sie uns entgegen. Ich brauchte einige Sekunden, ehe ich sie als James, Jo und Brenda identifizierte. Mir kam es so vor, als hätten wir uns seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Aber wo war der Rest von ihnen?

»Sie kommen genau auf uns zu.«, knurrte Siebenundvierzig bedrohlich. Sie machte sich bereit zum Angriff.

»Sie sind nicht der Feind.«, hielt ich sie zurück.

Freya Winter - MutantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt