»Na schön. Solltest du dich anders entscheiden, höre ich dir gerne zu.«, bot sie an, woraufhin er bloß skeptisch eine Augenbraue hochzog. Ganz sicher würde er nicht mit ihr über seine Vergangenheit sprechen. Das tat er noch einmal wirklich mit anderen Mutanten. Und schon gar nicht würde er sich einem Menschen offenbaren.

Die Journalistin wandte sich wieder an mich. »Hier. Das ist meine Karte.«, sagte sie und reichte mir ein kleines weißes Kärtchen, auf dem ihre Kontaktdaten standen. »Falls du Fragen hast oder du dich entscheidest, weiter mit uns arbeiten zu wollen, kannst du mich jederzeit erreichen.«

»Danke.« Ich nahm die Karte entgegen.

»Ich würde mich freuen, wenn du dich melden würdest.«, sagte MrsCampbell lächelnd, ehe sie zu Kieran sah. »Ich schätze, wir sollen vor euch gehen, nicht wahr?«

»Das wäre besser.«, erwiderte dieser nur und sie nickte.

»Also schön.« Sie drehte sich zu ihrem Team. »Ab nach Hause. Morgen beginnen wir mit der Bearbeitung des Videomaterials.« Zeitgleich nickten Jack und Lily.

»Bis nächstes Mal!«, verabschiedete Jack sich gut gelaunt, wobei er Kieran allerdings noch einen zweifelnden Blick zuwarf. Lily winkte uns kurz zu, während Mrs Campbell Kieran und mich warm anlächelte und »Auf Wiedersehen!« sagte. In aller Ruhe wandte sie uns den Rücken zu und schlenderte mit ihrem Team über den Hof, in die entgegengesetzte Richtung, die wir anstrebten.

Still beobachtete ich, wie ihre Silhouetten immer kleiner wurden und sie schließlich hinter dem Bauernhaus verschwanden. »Was hältst du von ihnen?«, wollte ich von Kieran wissen. Schließlich hatte er sich dazu entschieden, sich zu offenbaren.

Für einen Augenblick schwieg er, als müsse er erst einmal seine Gedanken sortieren. Dann jedoch sagte er: »Ich glaube, sie sind vertrauenswürdig.« So weit Menschen das sein konnten. Diesen Teil sprach er zwar nicht aus, doch es stand ihm auf der Stirn geschrieben, was er darüber dachte.

»Ich hoffe, das stimmt.«, murmelte ich. Aber es würde noch ein paar Stunden oder gar Tage dauern, bis ich Gewissheit haben würde. Ab jetzt lag das Folgende nicht mehr in meiner Hand. Nachdenklich betrachtete ich die weiße Karte in meiner Hand, mit der feinen schwarzen Schrift. Mit ihrer Hilfe könnten wir Mrs Campbell ganz leicht finden. Und das wusste sie auch. Würde so jemand es wagen, uns zu hintergehen?

Kieran sprach mir nicht gut zu, nahm mir nicht meine Sorge. Natürlich nicht. Immerhin wusste er, was für ein Risiko wir hiermit eingegangen waren. »Komm, lass uns zurück zum Auto gehen.«, sagte ich seufzend und wollte mich schon in Bewegung setzen, als ich bemerkte, dass er keine Anstalten machte, mir zu folgen. Fragend drehte ich mich zu ihm. »Alles okay?«, fragte ich ihn.

Still und ernst stand er einige Meter von mir entfernt, ein düsterer Schatten in all dem Sonnenlicht. »Ich komme nicht mit.«, sagte er und seine Worte ließen mich erstarren. Nein! Er würde uns doch nicht etwa verlassen? Uns im Stich lassen? Mein Herz setzte für einen Moment aus, ehe es begann, heftiger zu schlagen, als normalerweise. Noch einen weiteren Verlust würde ich nicht ertragen können!

»Was?«, krächzte ich atemlos. Voller Unglaube starrte ich Kieran an, der mit unbeweglicher Miene, unnachgiebig wie ein Fels, vor mir stand. Nach all dem, was wir durchgemacht hatten. Nach all dem, was geschehen war. Wie konnte er uns jetzt zurücklassen? Jetzt, wo wir seine Hilfe am aller dringendsten benötigten?

Aber da war keine Reue, kein schlechtes Gewissen in seinem Blick. Mich schien mit einem Mal alle Kraft zu verlassen. Unsere zuvor so große Gruppe bröckelte mit der Zeit immer und immer weiter auseinander, bis schließlich nichts mehr von ihr übrig bleiben würde. Wie viel Zeit blieb uns noch?

Freya Winter - MutantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt