Kapitel 2

40 4 7
                                    

Gelangweilt betrachtete ich die komplizierten Gleichungen an der Tafel. Mathe war einfach nicht mein Ding. Aber sonst passte ich immerhin auf, was man diesmal nicht behaupten konnte. Ich blickte zu Paily hinüber, die, genau wie alle anderen alles zu verstehen schien. Paily war meine beste Freundin, allerdings bezweifelte ich, dass sie das wusste. Ich wusste ja selbst nicht einmal warum sie meine beste Freundin war, immerhin war sie nicht anders, als der Rest, der in diesem trostlosen Ort lebte, das sich mein Zuhause nannte. Manchmal fragte ich mich, ob es überall auf der Welt so war, wie hier. Oft schon hatte ich darüber nachgedacht, aus dieser Stadt zu fliehen. Aber was gab mir Gewissheit, dass es woanders nicht so war, wie in Security? Der einzige Ort, wo ich hin konnte, war der Wald.

Als es zum Schuleende klingelte, verließ ich zusammen mit Paily den Klassenraum. Distanziert, wie immer durchquerte sie, Seite an Seite mit mir die Gänge. Ich betrachtete sie traurig. Paily war im Grunde so ein liebenswertes Mädchen, sie hatte es nicht verdient so gefühlslos   zu sein, keiner hatte das. Warum war ich nicht so wie sie? Warum konnte ich frei denken und handeln? Schon mein ganzes Leben fragte ich mich, was an mir anders war, doch ich konnte einfach nicht erkennen, was mich von dem Rest unterschied. Früher hatte ich immer meine Mutter danach gefragt, doch sie wollte mir keine Antwort geben. Wissen, tat sie es, da war ich mir sicher. Entzwischen hatte ich es aufgegeben sie weiter zu befragen.  Bevor Paily und ich das Schulgebäude verließen, liefen wir noch schnell an den Spints vorbei, um unsere Schulbücher zu verstauen. Manchmal fragte ich mich, warum wir überhaupt zu Schule gehen mussten. Alle hier waren doch ohnehin richtig gut, da die Ships sie zwangten, zu lernen, was auch niemandem schwer fiel, außer mir natürlich. Genauso gut, hätte die FfmS,  in die Ships alles Wissenswertes rein setzen können und sich somit die Schule ersparen, aber so helle waren sie anscheinend nicht. ''Du musst dein Mathebuch mitnehmen, sonst kannst du deine Hausaufgaben nicht machen'', ertönte eine leise, lieblich anzuhörende Stimme und zog mich aus meinen Gedanken. Ich drehte den Kopf in Pailys Richtung und lächelte. ''Du hast recht, danke'', meinte ich freundlich. Über die Jahre hatte ich gelernt, dass es besser war, wenn man mit den Einwohnern Security's, so sprach, als würde man mit einem kleinen Kind sprechen, da sie das einfacher verstanden und durch die vorgespielte Höflichkeit nicht so schnell Verdacht schöpften. Ich steckte mein Mathematik buch zurück in die Tasche und wollte gerade gemeinsam mit Paily gehen, als ich einen Jungen namens Clave  erblickte, der mich unablässig anstarrte. ''Skylla'', sagte er schleimig, ''du siehst heute wunderschön aus, so wie immer'' Ich spürte einen leichten Kotzreitz in meiner Kehle, wie ich solche Leute mit ihren widerlichen Komplimenten hasste. Ich konnte dieses fiebrige Leuchten in seinen Augen sehen, dass drauf hindeutete, dass er mich gern hatte. Wäre es echt, hätte es mich vielleicht geschmeichelt, aber in diesem Ort konnte man einfach nicht von Liebe sprechen, denn solch menschliche Gefühle hatte die FfmS den Menschen genommen. Obwohl ich das wusste, konnte ich in Claves Blick noch etwas anderes erkennen. Dort war nicht nur diese vorgegaukelte Emotion drin, die durch die Ships inszeniert wurde, dahinter lag mehr.

WolfsaugeWhere stories live. Discover now