Prolog

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Laute Jubelrufe drangen an ihre Ohren. 

Geschrei, voller Euphorie, voller Zuversicht. Sie verstand nicht, wie sich jeder Mann, jede Frau, jedes Kind darauf freuen konnte, dass unschuldiges Blut vergossen werden würde.

 Wanda Maximoff blickte aus einem Fenster des Schlosses hinab auf die tosende Menge, über die unzähligen Köpfe und zum Jubeln emporgestreckten Arme. 

Sokovia zog in den Krieg. 

Sie hörte, wie das Volk unten vor den Schlosstoren klatschte, manche stießen laute Pfiffe aus. Sie warteten darauf, dass sich das gewaltige, schwere Tor endlich öffnete und ihr Zwillingsbruder Pietro, derzeit amtierender König von Sokovia, mit samt der ersten Truppe von Soldaten an ihnen vorbei ritt. Hin zur Grenze. 

Wandas Finger krallten sich in das kalte Gestein des Fenstersimses. Sie wollte nicht, dass ihr Bruder ging. Sie wollte keinen Krieg. 

Aber was hatte sie schon zu sagen? Ihre Stimme wäre die einzige, die sich gegen den Krieg erhob. Keiner würde auf sie hören, niemand würde ihr Wort als wichtig erachten. Also konnte sie auch gleich schweigen und ihre Tränen in stiller Einsamkeit vergießen. 

Hinter den Toren wurden die Klänge von Trompeten und Trommeln laut und das Klappern von eisern beschlagenen Pferdehufen auf grobem Stein mischte sich mit den Jubelschreien des Volkes.

In der Luft lag eine Spannung, eine freudige Erwartung der kommenden Ereignisse. 

Wanda sah, wie sich die Reiter im Schlosshof um ihren Bruder versammelten, welcher kerzengerade im Sattel seines Pferdes saß. 

Sokovias Ritter führten nicht viel Ausrüstung mit sich, weil sie ohne sie viel wendiger und besser in der Lage waren, komplizierte, schnelle und gefährliche Manöver auszuführen. 

Sie wusste nicht, wie es um die Ausrüstung der Kämpfer von König Tony stand. Er war der rechtmäßige Regent über New York, dem derzeit größten Königreich im Umkreis von vielen Meilen. Und es grenzte direkt an Sokovia.

 König Tony war nach dem Ableben seines Vaters, Howard II an die Macht gekommen und besaß bereits einen Sohn. Er war ein Tyrann, machthungrig und besessen von der Vorstellung, alles in seinen Besitz zu bringen. Jedes Stück Land, jeden Bauern, jedes andere Königreich. Viele kleinere Städte und Provinzen waren bereits von ihm erobert worden und es bereitete Wanda Sorge. Nichts und niemand schien ihm Einhalt gebieten zu können. 

Nachdem New York ihnen vor wenigen Wochen den Krieg erklärt hatte, war jeder in Sokovia der Meinung, dass sie siegen konnten. Dabei kursierten die Gerüchte, dass König Tony ein Genie war, was die Entwicklung neuartiger Waffen betraf und er ausgeklügelte Strategien besaß, welche seine Kampfführung genial machte.

 Wanda selbst glaubte nicht daran, dass sie gewinnen konnten. Vielleicht ein, zwei Kämpfe aber letzten Endes würde New York den Sieg davon tragen und Sokovia eingenommen, überrannt und in Schutt und Asche gelegt werden.

 Ihr Land war nur ein kleines Königreich, mit wenig Ressourcen und fast keinen Möglichkeiten, sich kulturell weiterzuentwickeln. Wenn sie wollten, dass Sokovia überlebte, hätten sie einen Weg finden müssen, um den Krieg zu vermeiden und die kommenden Kämpfe zu umgehen. Aber Pietro war ein Hitzkopf, der lieber gleich zum Schwert griff, anstatt mit Worten zu handeln. 

Wanda sorge sich darum, dass er in einer der Schlachten, die unvermeidlich waren, fallen würde. 

Dann würde sie sich um alles kümmern müssen. 

Dann hätte sie die Verantwortung für das zu tragen, was er angefangen hatte. 

Und sie wusste nicht, ob sie das schaffen konnte. 

The Queen and the SoldierWhere stories live. Discover now