Zwangsisolation

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Wieder einmal sitze ich hier und starre seit einer gefühlten Ewigkeit in diesen grell leuchtenden Kasten vor meiner Nase. Mit dem gleichen gelangweilten Gesichtsausdruck sitze ich hier, wie auch schon letztes Mal und höre mir den fünften Vortrag zum fünften Mal an. Wen versucht man überhaupt noch bei Laune zu halten. Mir gehen langsam die Methoden aus, wie ich meinen Kopf aufrecht halten kann. Es macht sich nämlich schon lange sichtbar, dass die Motivation der Menschen immer und immer weiter den Bach herunter geht. Der beste Zeitvertreib ist der obligatorisch nachdenkliche Blick an die Decke. Und alleine das ist oft schon weitaus spannender, als einem dumpf ins Mikrofon nuschelnden Professor zuzuhören. Da nimmt man seine Umgebung erst richtig wahr. So erkennt man eine zentimeterdicke Staubschicht auf dem Monitor, unzählige leere Flaschen auf dem Boden oder auch der Wäschestapel, der sich auf dem Sitzsack in der Ecke auftürmt und längst schon in die Wäsche gehört.

Wenn mich morgens schon meine sieben Wecker, wie ein Donnerschlag aus dem Schlaf reißen und ich an den Tagesablauf denke, würde ich am liebsten das einfach mal nicht machen. Im Gegensatz dazu habe ich aber auch keine Lust mich mit Fehltagen und Mahnungsbriefen auseinander setzen zu müssen. So geht es den Vorständen aber auch, es beruht alles auf Gegenseitigkeit. Sowohl in der Schule, als auch auf der Arbeit. Was allen mal ganz gut täte wäre eine Auszeit, die uns allerdings verwehrt wird. Warum, fragt man sich jetzt? Wegen super schlauen Besserwissern, die sich den Vorschriften widersetzen und weiterhin ihr Ding durchziehen. Ob die wohl wissen, dass sich jeder hinter deren Rücken mit der flachen Hand gegen die Stirn schlägt? Man weiß es nicht. Und ob man überhaupt in die Gedanken solch eines Mensch schauen möchte, sei jedem selbst überlassen.

So ziehen dann aber die Tage ins Land. Die Schule ist aus, die Arbeit ist erledigt und man sitzt weiter hier. Für mich persönlich sind diese Minuten immer das Highlight des Tages. Man verarbeitet den Input, den man heute bekommen hat und genießt die Ruhe. Du lehnst dich einmal ganz entspannt zurück, schließt die Augen und atmest einmal tief ein. Und dann kommt die ermüdende Erkenntnis, dass es morgen genauso sein wird. Und dann wieder und wieder und wieder. Täglich kommt man wieder am Anfang an. Was das Ganze von zuhause aus so anstrengend gestaltet sind die Gedanken, die man sich macht, wenn man mal mit dem Kopf abschweift. Man malt sich Szenarien aus und denkt sich Handlungsstränge der Tagesgestaltung vor. Wie es mir vorkommt, fehlt es in Zeiten der Isolation vielen Menschen an eigenem Wohlergehen, weil hier eine E-Mail aufploppt, dort ein Anruf reinkommt, hier Arbeit liegenbleibt und plötzlich der Chef mit dem nächsten Mahnbescheid wartet. Dabei fällt oft die Zeit weg, die man sich nehmen sollte, um nicht am Rad zu drehen. Mit derartigen Mängeln an Selbstbewusstsein habe ich mich während dem Lockdown recht viel beschäftigt, so wie hoffentlich jeder, der sich oft ähnlich müde fühlt.

Womit ich mich aber mittlerweile ebenfalls zu Genüge auseinander gesetzt habe waren tierische Rückenschmerzen vom konstanten Sitzen. Zum Glück findet man am Wochenende mal Ruhe. Und das am besten bei einem Spaziergang durch den Wald und das am allerbesten noch mit einem Tee und Musik im Gepäck. Mal raus aus dem muffigen Zimmer und rein in die Welt, selten habe ich es mal vermisst richtig tief ein- und auszuatmen. Ändern tut das an der Isolation allerdings nichts. Noch immer soll man um Fußgänger einen großen Bogen ziehen oder am besten direkt die Straßenseite wechseln. Und wenn man dann aber über die Maske hinweg blickt, erkannt man den trotzigen und niedergeschlagenen Gesichtsausdruck, eingraviert in die Persönlichkeit hart arbeitender Leute, die sich in ihrem Leben 1000 Fragen am Tag stellen und gierig auf Antworten und besonders Lösungen warten. Und die besagte Lösung steht entweder nur in den Sternen oder ist abhängig von der Zeit.

In welchem Ausmaß die Zeit aber noch auf sich warten lässt, bleibt abzuwarten. LB  

ZwangsisolationWhere stories live. Discover now