Ein holpriger Schritt ins Grab

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Ihre Stimme brach ab und ging in ein wehleidiges Krächzen über. Ihre Stimmbänder waren - so weit ich es heraushören konnte - in mieser Verfassung.
,,Sieh gefälligst nach vorn, wenn du läufst!"
Das war die Stimme meines Generals. Eine kühle Stimme, eine harte Stimme. Sie zerschnitt mir die Luft, als wäre sie eine Axt, die kurz davor war, meine Kehle zu durchtrennen.
,,Zoraaaan!"

Ich mochte meinen Namen. Wirklich, ich mochte ihn sehr, aber nicht, wenn General Ameer ihn aussprach. In seinem Munde klang mein Name scheußlich, als wäre er nicht mehr wert als Müll.
Entnervt richtete ich mich auf und murmelte: ,,Verdammt, warum muss sie so schwer sein?"

Die entsetzten Augen der Mutter trafen mich wie zwei Pfeile ins Herz. Hatte ich das gerade laut gesagt? Des Generals Miene verfinsterte sich, als wäre sie nicht schon finster genug. In seinem Inneren herrschte förmlich ein Gewitter, das seinen gesamten Regen auf mich ablassen wollte. In dem Moment war ich mir sicher, dass dies mein Todesurteil bedeutete.

Der General hat mich noch nie gemocht in den zwei Jahren, in denen ich bei der Armee gewesen war. Er behandelte mich immer, als wäre ich der Feind. Diesmal hatte ich das Wasser zum Überkochen gebracht und das gerade nach einer so schweren Attacke an einem so schmerzerfüllten Tag.
,,Ist doch halb so schlimm. Ich meine, sie hat es ja nicht gespürt. Wie auch?", lachte ich verunsichert.

Mein Lachen wurde immer leiser und leiser, bis es erlosch. Keiner lachte mit. Mein Plan, die ganze Situation etwas aufzulockern, ging nach hinten los. Ich war nie jemand gewesen, der sich der Macht seiner Worte bewusst war. Manchmal wollte ich ihn mir selbständig zunähen.
Ehe ich mich versah, fiel die Mutter auch schon um. Erneut ging der Trubel los. Mehrere Personen versammelten sich um sie herum und versuchten, sie zu halten. Sie wedelten ihr Luft zu, einer rief sogar: ,,Holt Wasser!"

Wasser würde der armen Frau auch nicht mehr helfen. Den Kopf gesenkt, ging ich auf die Knie und murmelte: ,,Entschuldigt bitte, ich meinte es nicht so."
Doch, meinte ich. Vielleicht zählte ich zu der unsensibleren Sorte, aber wer tot war, war tot. Ich machte mir eher um die Lebenden Sorgen.

Der General machte langsame und ruhige Schritte auf mich zu. Sie waren etwas zu ruhig für die explosive Art des Generals. Genau deswegen beängstigte er mich, wie er mich noch nie zuvor in meiner Amtszeit beängstigt hatte. Würde er jetzt das Schwert zücken und mir vor aller Leute Augen den Kopf abschlagen? Oder würde er mich mit bloßen Händen erwürgen? Bereitete er sich gerade innerlich auf seinen Wutausbruch vor?

Dieses Ratespiel gefiel mir nicht. Ich bekam nur seine dreckigen Stiefel zu Gesicht. Sie stoppten einige Zentimeter vor mir. Würde er mir ins Gesicht treten? Hoffentlich nicht. Meine schöne, gerade Nase wollte ich nicht verlieren.
,,Steh auf, du Drecksbalg!", verlangte er und zerrte mich mit einer Hand am Arm herauf.

Seine schmalen Augen blickten direkt in meine. Das eine war eisblau, das andere warmbraun. Beide hatten denselben eisernen Ausdruck und dieselbe einschüchternde Wirkung. Seine Augen allein strahlten pure Autorität aus. Ich hatte das Gefühl, dass keine Seele hinter ihnen lag. Wohl eher ein Dämon.

Er hob die Hand, weswegen ich mich auf einen Schlag gefasst machte. Der General aber griff sich meine Dienstmarke, die an meiner Ausrüstung hing, und zog sie mit einem Ruck ab. Die silberne Marke der Nachtkrieger - weil die Angriffe immer Nachts geschahen - von Antagona, die ich bis jetzt so stolz an meiner Schulter getragen habe. Nun entschwand sie mir.

,,Mir reicht es mit dir!", rief der General, als wäre ich ein Plagegeist, der ihn seit Jahren heimsuchte.
,,Du bist es nicht würdig, diesem Reich zu dienen. Du bist schon immer inkompetent gewesen und wirst es auch bleiben! Aufgrund deines verantwortungslosen Verhaltens und der Respektlosigkeit, die du der verstorbenen Schreiberin entgegengebracht hast, wirst du hiermit offiziell vom Dienst entlassen!"

Antagona - LügentraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt