15 - Fahrdienst

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Der Schlag ins Gesicht sitzt. Das kann doch nicht sein Ernst sein? Die Angst verfliegt und wird durch eine Wut ersetzt. Sowas lasse ich mir also nicht gefallen!

„Willst du mir sagen, mein Aussehen war eine Einladung für deinen Schwanz?"

Als hätten meine Kleider für sich sprechen können und Zustimmung gegeben? Mir wird noch übler und wenn ich Essen im Magen hätte, dann hätte ich ihm jetzt auf den Tisch gekotzt – als Antwort auf sein sexistisches Argument. Patrick sieht mein Entsetzen und krebst zurück.

„Nein, natürlich nicht! Aber ich hatte das Gefühl, dass du es auch willst. Das ist al–"

Jetzt bin ich diejenige, die ihm ins Wort fällt. Das lasse ich nicht auf mir sitzen.

„Wollte ich aber nicht! Das habe ich dir klipp und klar tausend Mal ins Ohr geschrien. Aber offensichtlich hat dich der Blutstau zwischen deinen Beinen taub gemacht. Was ist an "Nein" nicht deutlich genug? Hm? Kannst du mir das sagen, seit wann ein Nein "ja, fick mich" bedeutet?"

Patrick mahlt mit dem Kiefer, denn er weiss nicht mehr, was er dazu sagen soll. So interpretiere ich das zumindest. Für einen Moment herrscht ein Schweigen zwischen uns und ich will mich schon erheben, um den Raum zu verlassen. Ich habe wirklich genug von ihm. Ich will zu meinem Chris.

Patrick streckt die Hand über den Tisch aus, wie wenn er mich aufhalten möchte.

„Emma ... Es ist ja nichts passiert."

Ich kann es nicht fassen. Meint er wirklich, nur weil er glimpflich davongekommen ist, lässt sich das, was er getan hat, so einfach unter den Teppich kehren? Die Wut, die in mir kocht, lasse ich raus. Volle Kanne.

„Ja, aber wer weiss, was du noch alles hättest tun können! Du hast nicht auf mich gehört und es war dir scheiss egal, dass ich mich unter dir gewehrt habe!"

Patrick reibt sich die Schläfen. Dieses Thema ist nicht nur für mich nervenaufreibend, sondern auch für ihn, aber Mitleid habe ich mit dem Arsch auf keinen Fall.

„Jetzt tu nicht so. Ich bin kein Vergewaltiger", sagt er nur.

Das lässt mich endgültig an die Decke gehen. Ich erhebe mich und schreie ihn an, lauter als ein Brüllaffe.

„DAS SAGEN SIE IMMER! Aber schwups ist es passiert. Einmal die 90'234 Neins nicht gehört und zack landet der Schwanz in der Muschi und dann gibt es ja eh kein zurück mehr, oder? Dann wird das Ding zu Ende gevögelt, ob es ihr gefällt oder nicht!"

Mein Atem geht schwer und mein Herz klopft mir hart in der Brust. Wie kann ein Mensch mich nur so wütend machen? Was mich aber fast noch mehr aus der Fassung bringt, ist Patricks Ruhe. Er ist nicht aufgestanden und brüllt nicht zurück, sondern sitzt nur da und blickt mich arrogant an. Er hat mein Geschrei wortlos eingesteckt, ohne ein Mal mit der Wimper zu zucken.

„Emma. Du übertreibst", meint er.

„Ich übertreibe nicht, Patrick. Es hätte nicht mehr viel gebraucht und wir zwei wären so geendet!"

„So bin ich nicht."

Langsam packe ich meine Sachen zusammen. Es ist sowieso Zeit zu gehen, denn bald ist Feierabend und für heute habe ich genug gesehen. Patrick steht ebenfalls auf und stellt den Beamer aus.

„Tut mir leid, aber deine Worte bedeuten mir nichts", fauche ich und belade meine Arme mit meinem Laptop, dem Notizblock und dem Ordner, den ich bekommen habe. Alles zusammen ist etwas schwer für mich und ich schwanke auf den Beinen. Ich weiss nicht, ob es an dem Gewicht liegt, oder ob mir immer noch mulmig zumute ist, trotz aller Wut, die ich verspüre.

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